Nein zum Rahmenabkommen
Bundesrat soll Geheimpapier rausrücken

In der Bundesverwaltung zirkuliert eine Liste, auf der die Folgen eines Scheiterns des Rahmenabkommens aufgeführt sind. Nun wollen Aussenpolitiker das Dokument einsehen.
Publiziert: 03.05.2021 um 11:05 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2021 um 17:54 Uhr
Camilla Alabor

Allzu lebendig ist das Rahmenabkommen nicht mehr. Aussenpolitiker des Nationalrats fordern den Bundesrat nun auf, die Folgen eines Ablebens endlich transparent zu machen. In der Verwaltung zirkuliert nämlich eine Liste, auf der jedes Departement festhalten musste, wie sich das Scheitern der Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz in seinem Bereich auswirken würde. Und welche Ausgleichsmassnahmen die Schweiz ergreifen könnte, sollten aus Brüssel weitere Nadelstiche folgen.

«Der Bundesrat will diese Liste geheim halten», empört sich SP-Aussenpolitiker Fabian Molina (30). «Dabei hält das Parlamentsgesetz fest, dass das Parlament ein Recht auf alle Dokumente aus der Verwaltung hat, sofern es nicht um Mitberichte oder staatsschutzrelevante Akten geht.»

Eingereicht hat den Antrag auf Veröffentlichung Die-Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (57), wie sie auf Anfrage bestätigt. «Die Liste zeigt dem Vernehmen nach Verheerendes: Es wären viel mehr Bereiche vom Scheitern des Abkommens betroffen, als wir das heute wissen.» Auch sie ist der Meinung: «Der Bundesrat darf die Kosten eines Nein nicht länger verheimlichen.»

Die Verhandlungen über das Rahmenabkommen begannen vor sieben Jahren, als der Aussenminister noch Didier Burkhalter hiess.
Foto: AP
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So will die SP den Vertrag retten

Parallel dazu überlegen sich die Befürworter, wie sich der Rahmenvertrag doch noch retten liesse: Welche Lösungen beim Lohnschutz und der Unionsbürgerrichtlinie möglich wären.

Einer der Reanimationsversuche kommt von SP-Ständerat Carlo Sommaruga (61). Seine Idee: ein Fonds, um die Kosten zu decken, die der Schweiz aus der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie erwachsen. Die Richtlinie würde dazu führen, dass EU-Bürger länger Anspruch auf Sozialhilfe hätten, wenn sie ihren Job verlieren. Laut einer Studie von Avenir Suisse würden sich die zusätzlichen Kosten auf zwischen 28 und 75 Millionen Franken pro Jahr belaufen.

Weniger Geld für die EU

Sommaruga regt nun an, die entsprechende Summe aus dem Bundesbudget bereitzustellen oder sie von der Kohäsionsmilliarde abzuzwacken, die die Schweiz der EU zahlt. «Damit wäre das Problem der höheren Sozialhilfekosten geregelt, das sich den Kantonen und Gemeinden stellt», meint der Ständerat.

Allerdings macht es unter dem Strich keinen grossen Unterschied, ob die Finanzierung vom Bund oder den Kantonen kommt: öffentliche Gelder sind es so oder so. Auch ist schwer vorstellbar, dass sich die EU von einer Reduktion der Kohäsionszahlungen überzeugen lässt – die Forderungen gehen vielmehr in die andere Richtung.

EU will Kompromiss beim Lohnschutz

Carlo Sommaruga räumt denn auch ein, dass seine Idee noch nicht ganz zu Ende gedacht sei. Aber: «Die EU hat beim Lohnschutz die Tür aufgemacht und ist bereit zu verhandeln», sagt der Genfer. «Also müssen wir uns doch überlegen, wie wir unsererseits der EU entgegenkommen können.»

FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (45) zeigt sich offen für Sommarugas Idee. «Alles, was hilft, Lösungsansätze zu entwickeln, ist begrüssenswert», sagt sie. «Wir müssen alle kreativen Ideen seriös prüfen.»

Kritischer sieht es Die-Mitte-Ständerat Pirmin Bischof (62). «Der Vorschlag zielt komplett am Problem vorbei», sagt er. Es sei nicht akzeptabel, wenn die Schweiz wegen der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie kriminelle EU-Bürger nicht mehr ausschaffen könne. «Das kann man nicht mit Geld kompensieren.»

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