Neue SRG-Chefin Susanne Wille im Interview
«Qualität ist für mich nicht verhandelbar»

Susanne Wille folgt auf Gilles Marchand an der SRG-Spitze. Ein Gespräch über Sparmassnahmen, den Dialog mit Medienminister Rösti – und Nemo.
Publiziert: 25.05.2024 um 20:24 Uhr
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Aktualisiert: 25.05.2024 um 20:33 Uhr
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Blick: Mit welcher Botschaft haben Sie die Herzen der SRG-Delegierten erobert?
Susanne Wille: Wir müssen den SRG-Werten Sorge tragen – allen voran der Unabhängigkeit und dem Qualitätsjournalismus. Das ist für mich nicht verhandelbar. Gleichzeitig müssen wir bereit sein, uns zu hinterfragen. Wir müssen bereit sein, die SRG neu zu denken. 

Und welche Botschaft haben Sie an die Gebührenzahlenden?
Die SRG gehört allen! Alle haben das Recht, die SRG zu diskutieren, zu kritisieren, gerne auch zu loben. Ich bin dem Publikum verpflichtet und werde mein Bestes geben.

Im Bundeshaus hat die SRG viele Kritiker. Wie wollen Sie deren Vertrauen gewinnen?
Ich habe mich schon als Politjournalistin in Bern darum bemüht, mit allen zu reden und auch alle Meinungen wertzuschätzen – quer durchs ganze Parteienspektrum. Wir müssen qualitativ stark sein und guten Journalismus machen. 

Zukunft und Vergangenheit der SRG: Susanne Wille und Gilles Marchand.
Foto: keystone-sda.ch
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Was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger?
Es ist nicht an mir, mich von Gilles Marchand abzugrenzen – er ist im Amt und bleibt es bis Ende Oktober. Gilles Marchand hatte einen anderen Auftrag: Er gewann eine Abstimmung und musste sparen. Ich habe den Auftrag, die SRG in die Zukunft zu führen. Wir müssen heute schon an übermorgen denken, um morgen relevant zu bleiben.

Wie machen Sie das, wenn Sie noch gar nicht wissen, wie viel Geld Sie haben?
Wir müssen in Szenarien denken. Vor einem Jahr hatten wir noch nicht wirklich mit KI zu tun, heute ist das anders. Wir müssen konsequent nach vorne schauen. Vor allem brauchen wir eine neue Denkhaltung, weil wir nicht wissen, was in zehn Jahren ist.

Gilles Marchand sagte im Blick, die Halbierungs-Initiative sei eine «Attacke gegen die Schweiz». Würden Sie diesen Satz unterschreiben?
Ich werde mir in Ruhe ein Bild machen und mit der Politik und vielen Mitarbeitenden reden. Es ist extrem wichtig, dass wir zeigen, warum es die SRG braucht. Nehmen wir den Eurovision Song Contest: Nemos Erfolg zeigt, was Talentförderung bewirken kann. Wir können ein Schaufenster für Musikkultur sein, bieten aber auch Qualitätsjournalismus in vier Sprachen. Gleichzeitig müssen wir unternehmerisch denken und den Auftrag erfüllen, den uns die Politik gibt.

Werden Sie das neue Fallbeil vom Leutschenbach?
Das ist ein Begriff, den ich zurückweisen muss. Nathalie Wappler hatte einen harten unternehmerischen Auftrag, und sie hat es geschafft, SRF zu transformieren. Es ist die Aufgabe einer Führungskraft, Entscheidungen zu treffen, die unangenehm sind – die aber helfen, langfristig erfolgreich zu sein.

Wie werden Sie Medienminister Rösti um den Finger wickeln?
Herr Bundesrat Rösti und ich haben uns im Hinblick auf dieses Amt noch nicht getroffen. Ich freue mich auf den ersten Austausch. Wir werden uns ganz bestimmt sachlich-konstruktiv austauschen.

Wer ist für die SRG am wichtigsten? Albert Rösti oder Gerhard Pfister von der Mitte, Thierry Burkhart von der FDP oder Marcel Dettling von der SVP?
Das ist eine gute journalistische Frage (lacht). Ich mache keine Rangordnung – alle haben unterschiedliche Rollen. Die Schweiz hat eines der spannendsten politischen Systeme der Welt. Ja, es ist manchmal intensiv, sich auszutauschen. Aber jede dieser Personen erfüllt eine Funktion in unserem System. Und deshalb sind sie alle wichtig.

Die Schweiz wird nächstes Jahr den Eurovision Song Contest austragen. Wie schaffen Sie es, Nemo als Booster für die SRG zu nutzen und im ESC nicht nur einen finanziellen Klotz zu sehen?
Der Nemo-Booster wirkt schon. Es ist sehr schön, zu sehen, wie viel positive Energie bereits da ist.

Die NZZ hat Sie als «turnhallentauglich» bezeichnet. Welchen Sport machen Sie?
Ich renne, schwimme, tanze und bewege mich sehr viel. So komme ich auf die besten Gedanken.

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