Neue Studie zu Korruption zeigt
Jede dritte Schweizer Firma zahlt Schmiergelder

Korruption ist für Schweizer Unternehmen, die im Ausland tätig sind, an der Tagesordnung. Das zeigt eine neue Untersuchung der Fachhochschule Graubünden. Transparency International spricht von «systemischem Versagen».
Publiziert: 28.02.2024 um 07:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2024 um 10:29 Uhr
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Sermîn FakiPolitikchefin

327 Millionen Franken Strafe musste der Schweizer Konzern ABB zahlen, weil er zwischen 2014 und 2017 einen hochrangigen Vertreter des südafrikanischen Energieriesen Eskom bestochen hat. Mindestens 1,3 Millionen Franken Schmiergeld zahlte ABB, um Teile für das viertgrösste Kohlekraftwerk der Welt, Kusile in Südafrika, liefern zu können.

Es ist ein spektakulärer Fall, der kürzlich eine erneute Wendung genommen hat, aber ABB ist bei weitem nicht das einzige korrupte Schweizer Unternehmen. Ganz im Gegenteil: Gemäss einer Studie der Fachhochschule (FH) Graubünden und Transparency International hat jede dritte Schweizer Firma, die im Ausland geschäftet, dort schon Schmiergelder gezahlt. Dies vor allem in Ländern, in denen Korruption sehr verbreitet ist.

«Nebenbei beim Weg zum Mittagessen»

FH und Transparency haben insgesamt 539 Schweizer Unternehmen mit relevanten Auslandsaktivitäten befragt – vom KMU mit fünf Mitarbeitern bis hin zum Weltkonzern mit 50'000, aus allen Branchen von Bergbau bis Verkehr. Jedes zweite Unternehmen gab an, mit Korruptionsforderungen konfrontiert gewesen zu sein.

Das Kohlekraftwerk Kusile in Südafrika. Die Bestechungsgelder der ABB, um Aufträge für den Bau der Kohlemine zu erhalten, sind nur die Spitze des Eisbergs.
Foto: Shutterstock
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Wie das abläuft, erklärt Studienleiter Christian Hauser (49), der seit vielen Jahren an der FH Graubünden zum Thema forscht, an einem Beispiel. «Auf dem Weg zum Mittagessen anlässlich eines Verhandlungstreffens sagt der Einkäufer des Kundenunternehmens wie nebenbei, dass letzte Woche die Konkurrenz da war und ihm persönlich mehrere tausend Dollar angeboten habe ... Das steht dann so im Raum, und man muss angemessen reagieren», so der Experte.

Dass dann Dollar-Nötli im Aktenkoffer den Besitzer wechseln, sei allerdings eine naive Vorstellung, ergänzt Martin Hilti (50), Geschäftsführer von Transparency International Schweiz. «Heute werden sehr ausgeklügelte Methoden benutzt, um die Bestechung zu vertuschen.» Etwa über falsche Vertragsvereinbarungen bis hin zu Banken, die es nicht so genau nehmen.

Insgesamt fast 40 Prozent betroffen

Von den 52 Prozent der Schweizer Unternehmen, die zu Korruption aufgefordert werden, zahlen 63 Prozent. «Das heisst, dass ein Drittel der exportierenden Schweizer Unternehmen im Ausland Korruptionszahlungen leisten», so Hilti. «Hinzu kommen noch rund sieben Prozent, bei denen lokal tätige Partner korrupt handeln.»

Das heisst: Knapp 40 Prozent der Schweizer Firmen, die im Ausland geschäften, zahlen Schmiergelder und begehen andere Korruptionsdelikte. Etwa um ihre Produkte zu verkaufen, Aufträge zu bekommen, Lizenzen zu erwerben oder Steuern zu zahlen. Gemäss der Studie verwenden die befragten Unternehmen 5,6 Prozent des dort erwirtschafteten Umsatzes für solch illegale Zahlungen.

Whistleblower werden nicht besser geschützt

Elf Urteile wegen Korruption gab es in den vergangenen 20 Jahren. Das, obwohl viele im Ausland tätige Unternehmen schon Schmiergeld gezahlt haben. Die geringe Verurteilungsrate liegt auch daran, dass es für die Anklage schwer ist, Korruption nachzuweisen. Oft sind die Staatsanwälte auf Rechtshilfe anderer Staaten angewiesen.

Umso wichtiger wäre der Schutz von Whistleblowern. Doch ausgerechnet hier will die Schweiz nicht nachbessern: Anders als zuvor der Ständerat hat der Nationalrat am Dienstag eine Motion des früheren Zürcher FDP-Ständerats Ruedi Noser (62) zum Schutz von Whistleblowern abgelehnt.

Noser hatte die Schaffung eines Rechtsrahmens verlangt, um Whistleblower im privaten Sektor – also in Bezug auf Unternehmen – zu schützen. Weiter forderte die Motion eine Erhöhung der maximal möglichen Bussen für Unternehmen im Strafgesetzbuch.

Der Bundesrat und die Mehrheit der vorberatenden Nationalratskommission waren gegen den Vorstoss. Es sei kein Kompromiss in Sicht, der eine Neuauflage rechtfertige, argumentierten sie. (sf/SDA)

Alt Ständerat Ruedi Noser hatte einen besseren Schutz von Whistleblowern gefordert.
keystone-sda.ch

Elf Urteile wegen Korruption gab es in den vergangenen 20 Jahren. Das, obwohl viele im Ausland tätige Unternehmen schon Schmiergeld gezahlt haben. Die geringe Verurteilungsrate liegt auch daran, dass es für die Anklage schwer ist, Korruption nachzuweisen. Oft sind die Staatsanwälte auf Rechtshilfe anderer Staaten angewiesen.

Umso wichtiger wäre der Schutz von Whistleblowern. Doch ausgerechnet hier will die Schweiz nicht nachbessern: Anders als zuvor der Ständerat hat der Nationalrat am Dienstag eine Motion des früheren Zürcher FDP-Ständerats Ruedi Noser (62) zum Schutz von Whistleblowern abgelehnt.

Noser hatte die Schaffung eines Rechtsrahmens verlangt, um Whistleblower im privaten Sektor – also in Bezug auf Unternehmen – zu schützen. Weiter forderte die Motion eine Erhöhung der maximal möglichen Bussen für Unternehmen im Strafgesetzbuch.

Der Bundesrat und die Mehrheit der vorberatenden Nationalratskommission waren gegen den Vorstoss. Es sei kein Kompromiss in Sicht, der eine Neuauflage rechtfertige, argumentierten sie. (sf/SDA)

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Dabei spielt die Grösse des Unternehmens keine Rolle – KMUs sind ebenso betroffen wie Konzerne. Und auch bei den Branchen gibt es kaum Ausreisser. Zwar würden Industrieunternehmen seltener nach Schmiergeldern gefragt, sie zahlen aber genauso häufig wie andere Branchen. Bei Transportunternehmen falle auf, dass sie seltener zahlen.

«Systemisches Versagen»

«Angesichts der erschreckenden Zahl von fast 40 Prozent der Unternehmen, die direkt oder indirekt informelle Zahlungen leisten, müssen wir leider davon ausgehen, dass wir es auch mit systemischem Versagen zu tun haben, Korruption also zum Geschäftsmodell gehört», so Hilti.

Für ihn ein Zeichen, dass für viele Unternehmen kurzfristige Gewinne wichtiger sein dürften, als sich an Gesetze zu halten. Der Geschäftsführer von Transparency International Schweiz gibt aber auch zu bedenken, dass die Rahmenbedingungen in der Schweiz Korruption Vorschub leisten würden. Dass in 20 Jahren nur elf Unternehmen rechtskräftig verurteilt wurden, weil sie nicht die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hatten, um Korruption zu verhindern, spricht für ihn Bände. «Wir haben ein Vollzugsproblem – so wenige Urteile sind nicht grad ein Anreiz für Unternehmen, Bestechungen besser sein zu lassen.»

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