Neuer Verdächtiger im Postauto-Skandal
Jetzt ermittelt Fedpol gegen den früheren Post-Vizepräsidenten

Das Fedpol weitet den Kreis der Verdächtigen beim Postauto-Bschiss auf eine siebte Person aus: Der frühere Post-Vizepräsident Adriano Vassalli soll sich ebenfalls des Leistungsbetrugs schuldig gemacht haben.
Publiziert: 14.01.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2023 um 13:21 Uhr
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Jetzt also doch: Mit Adriano Vassalli steht ein früheres Post-Verwaltungsratsmitglied unter Verdacht, am Postauto-Bschiss beteiligt gewesen zu sein. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol), das das Verwaltungsstrafverfahren zum Skandal führt, hat den Kreis der Verdächtigen um den einstigen Vizepräsidenten erweitert. Laut Blick-Informationen wird auch er des Leistungsbetrugs beschuldigt. Das Fedpol äussert sich nicht dazu.

Jahrelang hatte Postauto auf subventionierten Strecken unerlaubte Gewinne eingefahren, diese aber versteckt. So strich Postauto viele Millionen Franken zu viel ein. Der gelbe Riese zahlte mehr als 200 Millionen Franken zurück.

Neu aufgerollt

Der erste Anlauf, sechs frühere Kadermitarbeiter von Postauto und der Post wegen Leistungsbetrugs zu verurteilen, scheiterte 2020. Das Fedpol hatte zwei externe Fachleute mit der Verfahrensführung betraut, wozu es nach Ansicht des Berner Wirtschaftsstrafgerichts und höherer Instanzen aber keine Rechtsgrundlage gab.

Weiterer Verdächtiger im Postauto-Skandal.
Foto: Pius Koller
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So musste das Fedpol das Verfahren neu aufrollen. Es wurden neue Daten erhoben. Dabei hat sich für die Ermittler offenbar ein Verdacht gegen den einstigen Verwaltungsrat und Leiter des Ausschusses «Audit, Risk & Compliance» ergeben.

Seit Herbst informiert

Pneus erfunden, Gewinne versteckt, Subventionen erschlichen

Die Bombe platzte an einem Dienstag: Am 6. Februar 2018 gibt Peter Füglistaler (62), Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), bekannt, Postauto hat im subventionierten Personenverkehr unerlaubte Gewinne geschrieben und diese versteckt.

Wenig später sagt die damalige Post-Konzernchefin Susanne Ruoff (64): «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen.» Sie habe erst im November 2017 durchs BAV davon erfahren.

Nur: So stimmt das nicht. Es war kein kleiner Verkehrsunfall in einer Ecke von Postauto! Mehr als 200 Millionen Franken hat das Unternehmen vom Staat erschlichen. Und noch im Februar machte Blick mit internen Dokumenten publik, dass die Post-Spitze im Bild sein musste über die Vorgänge. Schon im Mai 2013 hatte sie an einer Klausur unter dem Traktandum «Gewinnsicherung» beraten, wie sich die Gewinne im subventionierten Regionalverkehr verstecken lassen.

Dabei war Postauto beim Verstecken einfallsreich: Für jede einzelne Buslinie machte Postauto zwei Rechnungen – und betrog in beiden. So bekamen Bund, Kantone und Gemeinden, die die Postauto-Linien subventionieren, nur zu sehen, was sie sehen sollten – Zusatzkosten für erfundene Pneus, für Diesel und Personal. «Kreative Buchhaltung» halt.

Mitte Februar reichte der Bund Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft (BA) und bei der Berner Staatsanwaltschaft wegen der Gewinnumbuchungen ein – und zwar gegen alle Organe der Post, auch gegen die Geschäftsleitung und die Verwaltungsratsratsmitglieder. Doch weder die BA noch die Berner Staatsanwälte wollten ermitteln, worauf der Bundesrat dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) unter der Leitung von Nicoletta della Valle (61) befahl, ein Verwaltungsstrafverfahren zum Postauto-Bschiss durchzuführen.

Am 10. Juni verkündete Susanne Ruoff (64) ihren Rücktritt als Post-Chefin. Einen Tag später stellte der Post-Verwaltungsrat die Geschäftsleitung der Postauto AG per sofort frei.

Das Fedpol beauftragte mit alt Bundesrichter Hans Mathys und dem Neuenburger Kantonsrichter Pierre Cornu zwei externe Verfahrensführer – wofür es aber keine Rechtsgrundlage gibt.

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Die Bombe platzte an einem Dienstag: Am 6. Februar 2018 gibt Peter Füglistaler (62), Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), bekannt, Postauto hat im subventionierten Personenverkehr unerlaubte Gewinne geschrieben und diese versteckt.

Wenig später sagt die damalige Post-Konzernchefin Susanne Ruoff (64): «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen.» Sie habe erst im November 2017 durchs BAV davon erfahren.

Nur: So stimmt das nicht. Es war kein kleiner Verkehrsunfall in einer Ecke von Postauto! Mehr als 200 Millionen Franken hat das Unternehmen vom Staat erschlichen. Und noch im Februar machte Blick mit internen Dokumenten publik, dass die Post-Spitze im Bild sein musste über die Vorgänge. Schon im Mai 2013 hatte sie an einer Klausur unter dem Traktandum «Gewinnsicherung» beraten, wie sich die Gewinne im subventionierten Regionalverkehr verstecken lassen.

Dabei war Postauto beim Verstecken einfallsreich: Für jede einzelne Buslinie machte Postauto zwei Rechnungen – und betrog in beiden. So bekamen Bund, Kantone und Gemeinden, die die Postauto-Linien subventionieren, nur zu sehen, was sie sehen sollten – Zusatzkosten für erfundene Pneus, für Diesel und Personal. «Kreative Buchhaltung» halt.

Mitte Februar reichte der Bund Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft (BA) und bei der Berner Staatsanwaltschaft wegen der Gewinnumbuchungen ein – und zwar gegen alle Organe der Post, auch gegen die Geschäftsleitung und die Verwaltungsratsratsmitglieder. Doch weder die BA noch die Berner Staatsanwälte wollten ermitteln, worauf der Bundesrat dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) unter der Leitung von Nicoletta della Valle (61) befahl, ein Verwaltungsstrafverfahren zum Postauto-Bschiss durchzuführen.

Am 10. Juni verkündete Susanne Ruoff (64) ihren Rücktritt als Post-Chefin. Einen Tag später stellte der Post-Verwaltungsrat die Geschäftsleitung der Postauto AG per sofort frei.

Das Fedpol beauftragte mit alt Bundesrichter Hans Mathys und dem Neuenburger Kantonsrichter Pierre Cornu zwei externe Verfahrensführer – wofür es aber keine Rechtsgrundlage gibt.

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Vassalli bestätigt Blick, im Herbst darüber informiert worden zu sein, dass er zu den Verdächtigen zählt. Er betont aber: «Ich weiss nicht, wer was verbrochen hat. Sicher aber weiss ich, ich bin unschuldig.» Für ihn sei nicht nachvollziehbar, weshalb er plötzlich beschuldigt werde.

Thema war jedoch mehrfach eine Aktennotiz vom 21. August 2013, die Blick im Februar 2018 publik machte. Darin ist von «Kostenumbuchungen zulasten des öffentlich finanzierten Verkehrs» die Rede. Wegen dieser Notiz soll Vassalli vom Betrug gewusst haben.

Fehlanzeige, signalisiert Vassallli. Nicht er, sondern die Post selbst habe bewiesen, dass er die Aktennotiz nie erhielt. Als die frühere Postministerin Doris Leuthard (59) am 10. Juni 2018 den Rücktritt Vassallis für Frühling 2019 bekannt gab, sagte auch sie, der Post-Vizepräsident habe belegen können, dass er die Notiz nie bekam.

«Nicht nachweisbar»

Im Untersuchungsbericht zu Postauto, den die Kanzlei Kellerhals Carrard erstellte, steht, dass eine Person der internen Revision Vassalli versicherte: «Du bekommst die Berichte auf Papier. Dies ist nicht nachweisbar.»

Darauf angesprochen, bleibt Vassalli dabei: Er habe die Notiz auch nicht auf Papier erhalten. Der Tessiner verweist darauf, dass in der Notiz stehe, es gebe keinen Handlungsbedarf. Zudem sei ersichtlich, dass Postauto mit dem Regulator, wohl dem Bundesamt für Verkehr (BAV), nach einer Lösung suche. Er habe die Notiz deshalb nicht sehen müssen.

«Nichts zu vertuschen»

Weshalb Vassalli ins Visier der Fedpol-Ermittler geraten ist, obwohl er beim ersten Anlauf nicht als Verdächtiger galt, ist ihm ein Rätsel. Er sei nie vorgeladen worden. «Ich weiss darum auch gar nicht, was genau mich zum Verdächtigen macht.»

Jedoch wirft es kein gutes Licht auf Vassalli, dass er sich laut Untersuchungsbericht im Herbst 2015 dagegen wehrte, dass das BAV Einblick erhalten soll in die vertieften Revisionsberichte. «Ich weiss nicht genau, bei welcher Angelegenheit das gewesen sein soll», sagt Vassalli dazu, er müsste das im Bericht nachschlagen. «Aber entgegen dem vermittelten Eindruck wollte ich eine rasche Klärung mit dem BAV, weil ich nichts zu vertuschen hatte.»

Im Herbst 2017 kam das BAV Postauto doch auf die Schliche. Es liess den Skandal im Februar 2018 auffliegen. Vassalli betont, er hoffe auf einen baldigen Abschluss des Verfahrens. «Dann wird nämlich feststehen, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen.»

Für ihn und alle weiteren Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

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