Bundesgericht gibt Behindertenverband teilweise Recht
Bund muss Zug-Einstieg für Behinderte nachprüfen

Der Behindertendachverband Inclusion Handicap hat mit einer Beschwerde gegen die SBB vor Bundesgericht teilweise Recht erhalten. Der Bund muss nun die Ein- und Ausstiege bei den Dosto-Zügen unter die Lupe nehmen.
Publiziert: 25.02.2022 um 09:21 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2022 um 11:09 Uhr

Die Doppelstockzüge Dosto haben der SBB schon einiges an Ärger eingebrockt – ob es nun um technische Pannen, durchgeschüttelte Passagiere oder die Luftqualität ging. Jetzt kommt ein neues Kapitel hinzu: Das Bundesgericht gibt einer Beschwerde des Behindertendachverbands Inclusion Handicap teilweise recht.

Der Bund muss den Zustieg bei den neuen Dosto-Zügen für Behinderte genauer unter die Lupe nehmen. Dies hat das Bundesgericht entschieden. In der Mobilität eingeschränkte Menschen müssen trotz Stufen und Spalten zum Perron selbstständig ein- und aussteigen können.

Bund muss kontrollieren

Ob dies gewährleistet ist, muss das Bundesamt für Verkehr (BAV) nun von externen Fachleuten prüfen lassen, wie aus einem am Freitag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervorgeht. Der Bund muss nach den Abklärungen entscheiden, ob der Einstieg die Vorgaben des Behindertengleichstellungsrechts tatsächlich erfüllt. Die Züge dürfen aber weiter verkehren.

Mit ihren Dosto-Doppelstöckern haben die SBB immer wieder Ärger.
Foto: SBB
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Der Dachverband Inclusion Handicap bezeichnete in einer Reaktion das Urteil als «Meilenstein». «Das Bundesgericht hält ausdrücklich fest, dass wir, Menschen mit Behinderungen, ein Recht auf selbstbestimmte Benutzung des ÖV haben», wird Verbands-Co-Präsidentin Verena Kuonen in einer Mitteilung zitiert. Das Urteil setze klare Massstäbe für die Zugänglichkeit des öffentlichen Verkehrs für alle Menschen mit Behinderungen.

Diskussion um Neigung

Die Behindertengerechtigkeit des Ein- und Ausstiegsbereichs bemisst sich laut dem Bundesgericht nicht bloss an der isolierten Beurteilung eines einzelnen Gestaltungselements wie etwa einer Rampenneigung. Entscheidend sei vielmehr, dass mobilitätsbehinderte Menschen, die sich sonst im öffentlichen Raum autonom fortbewegen, den Ein- und Ausstiegsbereich insgesamt eigenständig und sicher benutzen könnten. Massgebend seien dabei neben der Rampe am Eingang auch die Stufe nach dem ausfahrbaren Schiebetritt sowie der Spaltabstand zwischen dem Wagon und dem Perron.

In einem weiteren Beschwerdepunkt hielt das Bundesgericht fest, dass alle Rampen im Ein- und Ausstiegsbereich der Dosto-Züge maximal eine Neigung von 15 Prozent aufweisen dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte als Vorinstanz 2018 entscheiden, dass dies nur bei einem Einstieg pro Zug sein muss.

SBB hat Einstiege angepasst

Die SBB erklärten in einer Reaktion auf das Urteil, dass inzwischen alle Rampen im Ein- und Ausstiegsbereich der betroffenen Dosto-Züge die Vorgaben des Urteils erfüllen würden. Das Bahnunternehmen hatte die Einstiege zuvor teils entsprechend angepasst.

Der Dachverband der Schweizer Behindertenorganisationen hatte gegen die befristete und mehrfach verlängerte Betriebsbewilligung der neuen Doppelstock-Züge durch das Bundesamt für Verkehr Beschwerde eingereicht. Inclusion Handicap monierte, dass unbegleitet reisende Menschen mit Behinderungen in den neuen Fernverkehrszügen auf zu viele Hindernisse stossen würden.

Mehrere von insgesamt neun Beschwerdepunkten wies das Bundesgericht dagegen ab. Diese betrafen etwa die Länge von Handläufen bei Treppen, Türöffnungstasten, den Einbau von akustischen Türöffnungssignalen, zusätzliche Haltegriffe und die Beleuchtung.

Die SBB wollen bei der Klärung der offenen Punkte das Bundesamt für Verkehr «vollumfänglich» unterstützen, wie das Bahnunternehmen mitteilte. «Die enge Zusammenarbeit mit den Behindertenverbänden ist mir ein wichtiges Anliegen», wird SBB-CEO Vincent Ducrot in der Mitteilung zitiert. «Wir haben diese in den vergangenen Jahren verstärkt und werden sie fortführen. Für uns ist klar: Wir wollen eine Bahn für alle sein.»

(gbl/SDA)

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