Noch kein Verbot der «Schwulen-Heilung»
Opfer von Konversionstherapien brauchen Geduld

Schwule und Lesben sollen mit Umpolungstherapien «geheilt» werden – oft mit traumatischen Folgen. Zwei Kantone hatten in Bern ein nationales Verbot gefordert. Doch das Parlament will warten.
Publiziert: 05.03.2024 um 13:58 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2024 um 14:23 Uhr
Gerade in evangelikal geprägten Kreisen wird Homosexualität noch immer oft als Krankheit angesehen, die behandelt werden muss – mit einer sogenannten Konversionstherapie.
Foto: DUKAS
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«Ich war mit 14 Jahren davon überzeugt, dass meine Zuneigung zu Männern falsch ist, ich aber geheilt werden kann», sagt Andreas Keller * (38). Seinen richtigen Namen will der im Umfeld einer evangelikalen Freikirche aufgewachsene Mann nicht in der Zeitung lesen, aus Angst vor homophoben Anfeindungen. Als Jugendlicher hat er eine Konversionstherapie durchlebt. Insgesamt zehn Jahre lang. Fussball und Salsa-Unterricht sollten ihn heilen.

Geht es nach dem Parlament, sollen solche Konversionstherapien verboten werden. Allerdings nicht gleich jetzt. Am Dienstag hat der Nationalrat zwei Standesinitiativen aus den Kantonen Basel-Stadt und Luzern abgelehnt. Er ist damit dem Ständerat gefolgt, der sowohl die Standesinitiativen als auch eine Motion der nationalrätlichen Rechtskommission, die ein Verbot fordert, abgelehnt hat.

Parlament will Bericht abwarten

National- und Ständerat wollen, bevor sie entscheiden, erst einen Bericht des Bundesrats abwarten, der «aufgeworfene Fragen» klären soll, zum Beispiel «zur Definition des verpönten Verhaltens, zum zu erfassenden Personenkreis, zur zuständigen Staatsebene und auch zum Vergleich mit dem schon geltenden Recht». Der Bericht soll im Sommer vorliegen.

Die Betroffenen müssen sich also gedulden. Dabei können Konversionstherapien traumatisierend sein. Selbsternannte «Heiler» arbeiten oft mit Schuldgefühlen bei den Betroffenen, was gerade junge Menschen in psychische Krisen treiben kann, bis hin zu Depressionen und Suizid. «Ich kenne jemanden, der vom Hausdach gesprungen und heute querschnittgelähmt ist», erzählt Keller. «Es gibt sehr tragische Fälle.»

«Menschenrechtsverletzung»

«Konversionsmassnahmen stellen eine Menschenrechtsverletzung dar», findet Udo Rauchfleisch, emeritierter Professor für klinische Psychologie an der Uni Basel. Folgen seien oft erhebliche Traumatisierungen mit schweren Depressionen, Ängsten, Scham- und Schuldgefühlen. Auch die Assoziation der Schweizer Psychotherapeuten (ASP) will, dass die Therapien in der Schweiz verboten werden.

Andreas Keller hat seine eigene Therapie mit 27 Jahren abgebrochen. Heute gehe es ihm gut, sagt Keller. Seine Homosexualität sei von seinem Umfeld akzeptiert – im Beruf und im Privaten. Doch er hofft, dass mit einem Verbot von Umpolungstherapien anderen jungen Menschen solch traumatisierende Erfahrungen erspart bleiben.

* Name geändert 

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