Ogi sorgt sich um seine SVP
«Mittlerweile haben wir ein regelrechtes Verliererimage!»

Die SVP büsst laufend Wähleranteile ein. Alt Bundesrat Adolf Ogi (79) sieht seine Partei auf dem Holzweg. Wegen ihres Pro-Russland- und Anti-Bundesrats-Kurses mache sie sich zunehmend unwählbar. Für ihn muss die Partei ihre Positionen überdenken – auch bei der EU.
Publiziert: 30.03.2022 um 00:32 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2022 um 10:03 Uhr
Pascal Tischhauser

Die SP ist im Formtief. Keine andere Partei hat seit dem Herbst 2019 bei kantonalen Wahlen so viele Sitze verloren wie die Genossen. Doch die SP ist nicht allein. Auch die SVP verliert kontinuierlich, wenn auch nicht so stark.

Die Spitzen der Polparteien reden ihre Verluste klein, wie etwa SP-Co-Chefin Mattea Meyer (34) im Blick-Interview. Doch hinter den Kulissen ist die Besorgnis gross. Beispielsweise beim ehemaligen SVP-Präsidenten Adolf Ogi (79). «Eigentlich bin ich ja ein unbelehrbarer Optimist», sagt der alt Bundesrat auf Anfrage von Blick. «Aber das bereitet mir Sorgen: Während wir in Bern am Sonntag noch mit einem blauen Auge davongekommen sind, sind unsere Wahlresultate in Zürich alarmierend.»

Auf einem falschen Kurs

Die Wahlresultate für den Berner Grossen Rat müssten die Partei aufrütteln, analysiert Ogi. Denn schon seit den Wahlen 2019 habe die SVP in St. Gallen, Schaffhausen, Neuenburg, Freiburg, Nidwalden, Bern und der Waadt verloren. «Mittlerweile haben wir ein regelrechtes Verliererimage!»

Alt Bundesrat Adolf Ogi macht sich Sorgen um seine SVP.
Foto: freshfocus
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Für den Berner befindet sich die SVP auf einem falschen Kurs – erst während der Corona-Pandemie, jetzt gegenüber der Ukraine. So sagte etwa Nationalrat Andreas Glarner (59), der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) verlängere mit seinem Verhalten den Krieg, und der Westen sei mitschuldig am Konflikt mit Russland.

Wettern gegen Bundesrat

Für den einstigen SVP-Bundesrat ist der Fall klar: «Die Schweizerinnen und Schweizer unterstützen die Sanktionen gegen Russland zu 84 Prozent, wie ja eine SonntagsBlick-Umfrage eben gezeigt hat.» Die Bilder von zerbombten Häusern, von fliehenden Frauen und Kindern liessen niemanden kalt: «Wer soll da verstehen, dass Teile des SVP-Kaders sich öffentlich als Russland-Versteher outen und gar Putin in Schutz nehmen?»

Hinzu komme das schädliche Wettern gegen den Bundesrat. «Unsere Landesregierung ist noch immer die Instanz mit dem höchsten Ansehen. Ihre Mitglieder sind Sympathieträger. Wenn man aber immer wie die SVP gegen den Bundesrat Stimmung macht, rutscht die Sympathie je länger, je mehr auf die Seite der Regierung.» Die SVP solle halt auch einmal den Bundesrat unterstützen und sagen, wenn ihr dessen Handeln richtig erscheint.

«Niemand will mit uns zusammenarbeiten»

Der frühere Umwelt- und Energieminister erzählt, er sei am Samstag im Berner Oberland an einem Geburtstagsfest gewesen. Anwesend seien traditionelle SVP-Wähler gewesen – «also bis vor kurzem», wie Ogi sagt. «Einer nach dem anderen hat mir gesagt, er könne uns seine Stimme nicht mehr geben.» Das habe seinen Eindruck bestätigt: «Die SVP-Basis versteht den Kurs der SVP-Oberen nicht mehr.»

Und Bern sei kein Einzelfall, sagt Ogi mit Blick auf die Zürcher Gemeindewahlen vom Sonntag – er kennt jedes Ergebnis haargenau: «Man fällt nicht einfach so in Uster, Adliswil und Wädenswil aus dem Stadtrat. Zuvor ist die SVP ja schon in Winterthur und Illnau-Effretikon gescheitert.»

Wenn ein solcher Trend einsetze, könne etwas nicht stimmen. Ogi fordert seine Partei zum Handeln auf: «Es gilt jetzt, die Wahlen in den Kantonen selbstkritisch zu analysieren.» Und sich beispielsweise zu fragen, wo man im Tagesgeschäft Mehrheiten erzielen könne. «Derzeit will ja oft niemand mit uns im Parlament zusammenarbeiten.»

Am selben Strick ziehen

Dabei hätten doch gerade die Exekutivwahlen zum Beispiel in Bern gezeigt, «dass wir erfolgreich sein können, wenn die SVP mit der FDP und der Mitte am selben Strick zieht». Auch mit der GLP wäre aus der Sicht Ogis punktuell eine Zusammenarbeit möglich. «Ich glaube, dass der bürgerliche Zusammenhalt das richtige Rezept für die Wahlen 2023 ist.»

Doch nicht nur seine Partei macht Ogi Sorgen, sondern auch die Energieversorgung. Für ihn ist klar: Sollte Europa entscheiden, dass es kein Gas aus Russland mehr beziehen möchte, müsse die Schweiz nachziehen. Und längerfristig gelte es, ganz neu zu denken. Dass die Schweizer wegwollen von Gas und Öl, das zeige die Umfrage im SonntagsBlick klar: «Es ist also weniger die Frage, ob wir statt aus Russland künftig aus Katar Gas erhalten, sondern mehr, wie rasch wir auf die fossilen Brenn- und Treibstoffe verzichten können.»

Der SVPler ist sicher, dass der Krieg in der Ukraine nicht nur die Energiepolitik, sondern auch die Schweizer Aussenpolitik nachhaltig verändern werde. Die Zusammenarbeit innerhalb Europas sei wichtiger geworden. «Unsere Beziehungen zur EU werden inniger werden», sagt Ogi voraus. «Ich spreche nicht von einem EU-Beitritt, aber von einem Zusammenrücken.»

Kooperationen werden wichtiger

Dasselbe gelte für die Nato. «Auch hier rede ich keineswegs von einem Beitritt. Aber ein gewisser Bundesrat – ich glaub, Ogi hiess der – hat ja einst unsere Beteiligung an der ‹Partnerschaft für den Frieden› eingefädelt.» Solche Allianzen wie diese Kooperation von Nato-Staaten und Nichtmitgliedern würden künftig noch wichtiger werden, ist der einstige SVP-Präsident überzeugt.

«Wir können uns nicht mehr hinter der Neutralität verstecken.» Die Schweiz müsse diese hochhalten und dennoch klarmachen, «dass wir auf der Seite der Menschenrechte stehen und wir uns bei jenen Staaten einreihen, die die Aggression Russlands verurteilen und die konsequent dafür sorgen, Putins Krieg nicht mitfinanzieren zu müssen».

«Die Verbindung der FDP mit der SVP macht mir Sorgen»
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SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer:«Die Verbindung der FDP mit der SVP macht mir Sorgen»
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