Das versprechen Parteipräsidenten einer weiblichen Fraktions-Kollegin
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Wette angenommen:Das versprechen Parteipräsidenten der weiblichen Kollegin

Parteichefs versprechen mehr Frauen im Bundeshaus
Top, die Wette gilt!

Am 22. Oktober 2023 wählt die Schweiz. Ein Jahr zuvor versprechen die Chefs aller Parteien, dass auch die nächsten Wahlen zu Frauenwahlen werden sollen. Besonders zwei bürgerliche Präsidenten nehmen sich ganz schön was vor.
Publiziert: 30.09.2022 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2022 um 08:10 Uhr
Sermîn Faki (Text) und Thomas Meier (Bilder)

Im Oktober 2019 erlebte die Schweiz Historisches: 48 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts wurden 84 Frauen in den Nationalrat gewählt – so viele wie noch nie. Auch im Ständerat ist der Frauenanteil mit 26 Prozent seitdem einmalig hoch.

Doch gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil sind Frauen noch immer untervertreten in der Politik. Das zu ändern, hat sich «Helvetia ruft!» auf die Fahnen geschrieben. Für die eidgenössischen Wahlen, die in etwas mehr als einem Jahr, am 22. Oktober 2023, stattfinden, greift das von Frauen aus allen Parteien getragene Projekt zu einem ungewöhnlichen Mittel: Es hat die Parteichefs und -chefinnen zu Wetten überredet. Wetten, die dafür sorgen sollen, dass die Schweizer Politik noch weiblicher wird. Wettpartnerinnen sind jeweils «Helvetia ruft!»-Patinnen aus der jeweiligen Partei.

Chiesa verspricht mehr Frauen auf den Listen

So wettet Marco Chiesa (47) mit den Nationalrätinnen Diana Gutjahr (38) und Céline Amaudruz (43), dass die SVP schweizweit mit mehr Kandidatinnen antreten wird als 2019. Besonders schwer wird das nicht – bei den letzten Wahlen waren gerade einmal 22 Prozent aller SVP-Kandidierenden weiblich.

«Wir nehmen mehr Kandidatinnen auf die Listen als 2019.»: Die Wette von SVP-Präsident Marco Chiesa mit den SVP-Nationalrätinnen Céline Amaudruz (l.) und Diana Gutjahr
Foto: Thomas Meier
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Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59) verspricht Christina Bachmann-Roth (39), Präsidentin der Frauenpartei der Mitte, ebenfalls mehr Kandidatinnen. Und noch mehr: Die besten – also obersten – Listenplätze sollen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Das heisst: Frauen hätten die besten Wahlchancen, und selbst wenn es dennoch nicht klappt, wären sie in der Poleposition, um bei einem allfälligen Rücktritt nachzurutschen.

Und auch EVP-Präsidentin Lilian Studer (44), deren Partei in der Mitte-Fraktion politisiert, wird mit mindestens mit 40 Prozent Frauen antreten. Dazu ist zu sagen, dass die EVP jetzt schon den grössten Frauenanteil stellt: Zwei ihrer drei Nationalratsmitglieder sind weiblich.

Burkart geht aufs Ganze

Besonders ambitioniert ist FDP-Chef Thierry Burkart (47). Er wettet mit FDP-Frauen-Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (55), dass er es schafft, den Frauenanteil in der liberalen Fraktion auf 40 Prozent zu erhöhen. Eine Herausforderung: Heute beträgt der Frauenanteil gerade einmal 29 Prozent.

Um die Wette zu gewinnen, müsste Burkart wohl in allen möglichen Kantonen Frauen für den Ständerat nominieren. So wie in Zürich, wo Regine Sauter (56) auf den abtretenden Ruedi Noser (61) folgen soll. Doch auch in Glarus, wo Ständerat Thomas Hefti (62) wegen einer Amtszeitbeschränkung gehen muss, müsste die Partei eine Frau aufstellen. Chancen böten sich auch in Schwyz, wo mit Ex-Präsidentin Petra Gössi (46) eine prominente Figur ihren Hut in den Ring geworfen hat. So oder so ... einfach wird diese Wette nicht.

Die Linke hat schon vorgespurt

Die anderen Parteien von GLP bis SP haben es da leichter. Frauen stellen etwa bei den Grünen ganze 63 Prozent der Fraktion, bei der SP sind es 57 Prozent und bei der GLP genau die Hälfte.

Trotzdem schliessen sich auch deren Spitzen der Wahlwette an: SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (34) verspricht Nationalrätin Min Li Marti (48), die Listenplätze wie bisher zur Hälfte an Frauen zu vergeben. Grünen-Chef Balthasar Glättli (50) und GLP-Präsident Jürg Grossen (53) versprechen ihren Wettpartnerinnen Maya Graf (60) und Kathrin Bertschy (43), dass die grüne und grünliberale Politik im Bundeshaus auch künftig mindestens zu 50 Prozent von Frauen bestimmt wird.

«Wer ins Rennen steigt, bestimmen die Parteien»

Bertschy leitet das Projekt «Helvetia ruft!». Dieses hatte schon im Vorfeld der Wahlen 2019 eine grosse Kampagne gemacht, Frauen zum Kandidieren aufgerufen und ein Mentoring-Programm gestartet. Studien zeigen, dass auch dies zur historischen Frauen-Wahl damals beitrug.

Trotzdem gibt es in einigen Kantonen noch Arbeit. So schickten Glarus, Appenzell Innerrhoden und Nidwalden noch nie eine Frau in den Nationalrat. Und sieben Kantone stellten noch nie eine Ständerätin. Klar, sagt Bertschy, ob eine Frau es nach Bern schaffe, komme vor allem auf die Wählerinnen und Wähler an. Aber: «Wer aber überhaupt ins Rennen steigt und von welchem Startplatz aus – das bestimmen die Parteien.»

Mit den Versprechen an «Helvetia ruft!» ist das nun vorgespurt. Und Blick wird dranbleiben: Ob die Parteichefs die Wette gewinnen, wird spätestens nach dem 22. Oktober 2023 ganz ausgewertet. Top, die Wette gilt!

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