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Pensionierung soll flexibler werden
Bundesrat plant Rente à la carte

Rentenalter abschaffen – das fordert der abtretende Ständerat Philipp Müller. Ganz so weit will der Bundesrat nicht gehen. Dafür will er den vorzeitigen oder aufgeschobenen Renteneintritt attraktiver machen.
Publiziert: 30.09.2019 um 15:16 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2019 um 17:46 Uhr
Sermîn Faki

Er tritt mit einem Paukenschlag ab: FDP-Ständerat Philipp Müller (67) fordert, das Rentenalter abzuschaffen. «Es braucht jetzt einen grossen Wurf», sagt er im BLICK. Müller fragt sich zudem: «Warum sollen ein Maurer und ein Bürolist im selben Alter aufhören müssen? Warum muss eine topfitte Frau gleichzeitig mit einer gesundheitlich angeschlagenen in Rente gehen?»

Müller sticht in ein Wespennest. Eigentlich ist allen klar, dass die starre Regelung – Männer gehen mit 65 in Rente, Frauen mit 64 – nicht mehr zeitgemäss ist. Der Bundesrat arbeitet denn auch an einer Änderung. Ganz abschaffen will er das Rentenalter zwar nicht, aber den Übergang doch etwas flexibler gestalten als aktuell möglich.

Wer früher aufhört, muss den Gürtel enger schnallen

Heute können Männer und Frauen ihre Rente um ein Jahr oder um zwei Jahre vorbeziehen. Sie müssen dann jedoch mit einer kleineren AHV rechnen. Ein Mann, der sich mit 64 (Frau mit 63) pensionieren lässt, bekommt bis zum Lebensende 6,8 Prozent weniger AHV. Geht er mit 63 (Frau mit 62), beträgt der Kürzungssatz 13,6 Prozent.

Rentenalter abschaffen – das fordert FDP-Ständerat Philipp Müller.
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Bei AHV-Renten zwischen 1185 und 2370 Franken im Monat muss man den Gürtel dann doch ein bisschen enger schnallen – immerhin fehlen je nach persönlicher Situation zwischen 80 und 322 Franken im Monat.

Künftig sollen die Abschläge nicht mehr ganz so gross sein – geplant sind 4,0 respektive 7,7 Prozent. Zudem soll man seine Rente gar drei Jahre früher antreten können. Dann muss man allerdings mit 11,1 Prozent weniger AHV zurechtkommen.

Wer länger arbeitet, profitiert

Doch auch in die andere Richtung ist es möglich: Wer will, kann den Renteneintritt schon heute um bis zu fünf Jahre aufschieben. Und dann gibt es auch mehr AHV. Wer heute bis 70 arbeitet, bekommt 31,5 Prozent mehr AHV! Bei einem Jahr länger im Beruf sind es immerhin 5,2 Prozent. Diese Sätze will der Bundesrat aber ebenfalls kürzen – denn wegen der steigenden Lebenserwartung müsse die Rente ja länger reichen.

Wer bis 70 arbeitet, soll «nur» noch 25,7 Prozent mehr AHV bekommen. Doch auch bei einer tiefen Rente von 1185 Franken kommen über 300 Franken dazu.

Das sind die Erhöhungssätze in der Übersicht:

  • 1 Jahr länger arbeiten: aktuell 5,2 Prozent, geplant 4,3 Prozent
  • 2 Jahre länger arbeiten: aktuell 10,8 Prozent, geplant 9,0 Prozent
  • 3 Jahre länger arbeiten: aktuell 17,1 Prozent, geplant 14,1 Prozent
  • 4 Jahre länger arbeiten: aktuell 24,0 Prozent, geplant 19,6 Prozent
  • 5 Jahre länger arbeiten: aktuell 31,5 Prozent, geplant 25,7 Prozent

Länger bleiben soll sich lohnen

Es lohnt sich also schon heute, länger als bis 65 zu arbeiten. Allerdings: Die zusätzlich bezahlten AHV-Beiträge, die jeder Über-65-Jährige leisten muss, der mehr als 1400 Franken im Monat verdient, fliessen nicht in die Rentenberechnung ein. Das heisst: Die spätere Rente kann über die Erhöhungssätze (siehe oben) nicht aufgebessert werden.

Das will der Bundesrat ändern. So können Beitragslücken, die etwa durch ein Zweitstudium oder eine Auszeit entstanden sind, geschlossen werden.

Für den Arbeitgeberverband ist die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung eine Mogelpackung: «Die Vorpensionierung wird attraktiver, während sich der Aufschub deutlich weniger lohnt als heute», sagt Martin Kaiser, Sozialversicherungsexperte des Verbands. «Es braucht jetzt keine weitere Flexibilisierung, sondern echte Anreize für einen freiwilligen längeren Verbleib im Arbeitsmarkt. Wir fordern deshalb insbesondere die Erhöhung des AHV-Freibetrags von 1400 auf 2000 Franken.»

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