Per Inserat fordern sie sofortige Hilfe für Gaza
Alt Bundesrätinnen erhöhen Druck auf Cassis

Der Entscheid des Bundesrats, den Schweizer Beitrag fürs Palästinenserhilfswerk der Uno weiterhin nicht freizugeben, sorgt für breite Kritik. Nun schalten sich alt Bundesrätinnen ein – per Inserat.
Publiziert: 29.04.2024 um 14:26 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2024 um 08:16 Uhr
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Sie können nicht zuschauen, wie der Bundesrat zuwartet. Über 250 Personen haben sich am Montag per ganzseitiges Inserat an Aussenminister Ignazio Cassis (63) und den Gesamtbundesrat gewandt. Sie fordern die Regierung darin auf, sofort zu handeln und den Schweizer Beitrag an die UNRWA, das Palästinenserhilfswerk der Uno, zu überweisen.

Unter jenen, die Druck machen, sind auch prominente Namen. Die ehemalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (78, SP) hat den Appell unterzeichnet, ebenso alt Bundesrätin und Parteikollegin Ruth Dreifuss (84), die einstige Schweizer Chefanklägerin Carla Del Ponte (77) und Jean Ziegler (90), langjähriger Menschenrechtsexperte der Uno.

Schweiz müsse dringend handeln

Der Bundesrat hatte vergangene Woche beschlossen, die rund 20 Millionen Franken weiter zurückzuhalten. Man will erst später über eine Auszahlung entscheiden. Grund dafür sind Vorwürfe Israels, die UNRWA arbeite im Gazastreifen mit der Terrororganisation Hamas zusammen. Laut einer von der Uno in Auftrag gegebenen, unabhängigen Untersuchung gibt es dafür keine Belege. Man wolle den Expertenbericht nun erst einmal genau studieren, bevor man über das weitere Vorgehen entscheide, so die Begründung des Bundesrats.

Die einstige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat einen Aufruf unterzeichnet, der den Bundesrat auffordert, den UNRWA-Entscheid zu überdenken.
Foto: Keystone
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Die palästinensische Bevölkerung brauche die Unterstützung aus der Schweiz dringend, heisst es im Appell an die Regierung. «Die humanitäre Lage in Gaza ist dramatisch.» Nur die UNRWA sei aufgrund ihrer Erfahrung vor Ort und ihrer bestehenden Strukturen derzeit in der Lage, substanzielle Hilfe zu leisten.

Wer hinter dem Appell steht

Hinter dem Aufruf stehen ein Dutzend Privatpersonen, darunter Alain Bittar, Direktor eines Vereins zur Förderung der arabischen und mediterranen Kulturen in der Schweiz, Riccardo Bocco, emeritierter Professor am Graduate Institute in Genf, und Stephan Stadler, ehemaliger Geldwäscherei-Experte bei der Finanzmarktaufsicht. «Wir sind Bürger, die sich Sorgen darüber machen, dass sich die Schweiz seit einiger Zeit von ihren humanitären Verpflichtungen distanziert», sagt Bittar zu Blick.

Das Inserat ist in fünf Tageszeitungen erschienen. Die fast 100'000 Franken, die die Veröffentlichung laut Bittar gekostet hat, seien allein mit Spenden von Privaten zusammengetragen worden.

Aussenpolitiker luden UNRWA-Kritiker ein

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Schweiz fordert Bundesrat und Parlament dazu auf, den UNRWA-Entscheid noch einmal zu überdenken. Am Montag überreichte sie in Bern eine Petition mit über 45'000 Unterschriften. Darin ruft sie die Regierung ausserdem dazu auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza einzusetzen.

Amnesty wirft bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern vor, sich von pro-israelischen Interessengruppen, die die UNRWA destabilisieren wollten, instrumentalisieren zu lassen. Wie die «NZZ» berichtet, empfangen die Aussenpolitikerinnen und -politiker des Nationalrats am Montag den Direktor der Organisation UN Watch, Hillel Neuer.

Dies, nachdem die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats vor kurzem bereits UNRWA-Direktor Philippe Lazzarini (60) – einen Schweizer – angehört hatte. Neuer gilt als einer der schärfsten Kritiker des Palästinenserhilfswerks, sein Ziel ist dessen Auflösung. Davor warnen auch Organisationen wie Amnesty im Hinblick auf das Schicksal der Zivilbevölkerung.

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