«Ich komme manchmal stark an meine Grenzen»
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Pflegefachmann Dimitri Spiess:«Ich komme manchmal stark an meine Grenzen»

Pflegefachmann Dimitri Spiess (33) hofft auf ein Ja zur Pflege-Initiative
«Der ständige Stress führt zu Fehlern»

Seit zehn Jahren ist Dimitri Spiess Pflegefachmann. Der Stress und der chronische Personalmangel haben zugenommen, sagt er – und hofft auf Abhilfe durch die Pflege-Initiative.
Publiziert: 11.11.2021 um 00:27 Uhr
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Aktualisiert: 11.11.2021 um 07:10 Uhr
Gianna Blum

Zur Pflege ist Dimitri Spiess (33) – ausgerechnet – übers Militär gekommen, als er mit Anfang 20 bei den Sanitätern eingeteilt war. Das Jobben in einer Logistikfirma hängte er danach umgehend an den Nagel. «Pflege machte für mich mehr Sinn, als sicherzustellen, dass Tabak oder Fertigpizzen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.» Der Rest ist zumindest für den Moment Geschichte, Spiess ist inzwischen diplomierter Pflegefachmann mit über zehn Jahren Berufserfahrung und insgesamt sechs Jahren Ausbildung.

Beim Treffen mit Blick ist Spiess schon über zwölf Stunden auf den Beinen. Da ein Fototermin an seinem Arbeitsort im Kantonsspital nicht möglich ist, findet dieser im Volkshaus in Aarau statt – wo Spiess durch sein Engagement bei der SP Zugang hat. Trotz langem Arbeitstag wirkt Spiess entspannt, das Käppi sitzt vermutlich absichtlich lässig schräg auf dem Kopf. «Heute war ich im Büro», erzählt er. Da er vor kurzem in die Personalkommission gewählt wurde, steht der Pflegefachmann nun weniger am Bett, sondern sitzt auch mal am Schreibtisch.

Das erste Kind unterwegs

Bald wird er sein Pensum auf 80 Prozent reduzieren, und seit kurzem arbeitet er auch als Springer auf verschiedenen Abteilungen statt fix auf immer derselben. Die beruflichen Änderungen haben nicht nur damit zu tun, dass Spiess seit einigen Jahren zunehmend Schlafprobleme wegen der unregelmässigen Schichten hat. Sondern auch damit, dass Nachwuchs ins Haus steht: Schon Mitte November erwarten Spiess und seine Partnerin ein Kind, einen Sohn.

Seit über zehn Jahren arbeitet Dimitri Spiess (33) in der Pflege.
Foto: Thomas Meier
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Der chronische Mangel an Fachkräften habe ihm beim Verhandeln für den neuen Arbeitsalltag etwas geholfen, sagt Spiess, und grinst etwas verschmitzt – die Verhandlungsposition gegenüber dem Arbeitgeber sei einfach besser.

Viel Stress, wenig Erholung

Ansonsten lässt sich dem Pflegemangel aber nichts Positives abgewinnen. «Während Corona sind allein aus meinem Team vier Leute gegangen», sagt Spiess. Und auch vor der Pandemie waren Abgänge keine Seltenheit. «Ich kenne genügend Leute, die sagen, bis Mitte 60 tue ich mir das nicht an.» Was für diejenigen, die bleiben, heisst: mehr Stress, mehr Dienste zu Randzeiten, weniger Erholung.

«Ich komme manchmal schon an meine Grenzen», sagt auch Spiess. Vor allem, wenn er Menschen in den Tod begleiten müsse, belaste das stark. Umso mehr, wenn zu wenig Kolleginnen auf der Schicht seien und man von einer Aufgabe zur nächsten rennen müsse – einer Patientin essen helfen, einem anderen den Blutdruck messen und der dritten Insulin spritzen. Manchmal komme es ihm vor wie Fabrikarbeit, sagt Spiess. «Und ein Rädchen im Getriebe hat eben keine Zeit für Gespräche.» Es sei frustrierend, nicht richtig auf einzelne Patienten und Patientinnen eingehen zu können, weil schon die nächste Aufgabe ruft.

Dabei sei auch das wichtig, um eine gute Behandlung sicherzustellen. «Eine Patientin fragt mich, ob ich ihr die Anordnung des Arztes erklären kann – und ich muss Nein sagen, weil ich schlicht keine Zeit dafür habe.» Der ständige Stress führe auch zu mehr Fehlern, erzählt Spiess. Einmal habe er erlebt, dass einem Patienten der Magen ausgepumpt werden musste, weil ihm versehentlich ein falsches Medikament gegeben wurde.

Darum geht es bei der Pflege-Initiative

Genügend diplomiertes Personal und bessere Arbeitsbedingungen: Das verlangt die Pflege-Initiative, die am 28. November zur Abstimmung kommt. So brauche es etwa Massnahmen, um zu verhindern, dass Pflegende frühzeitig aus dem Beruf aussteigen, beispielsweise eine maximale Anzahl Patienten pro Pflegekraft.

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, legen ihr aber einen indirekten Gegenvorschlag vor. Dieser sieht eine Ausbildungsoffensive vor, bei der Bund und Kantone insgesamt knapp unter einer Milliarde Franken über acht Jahre investieren sollen. Zudem sollen Pflegende neu gewisse Leistungen selbst abrechnen können. Für Massnahmen im Arbeitsalltag seien aber Sozialpartner und Kantone zuständig.

Genügend diplomiertes Personal und bessere Arbeitsbedingungen: Das verlangt die Pflege-Initiative, die am 28. November zur Abstimmung kommt. So brauche es etwa Massnahmen, um zu verhindern, dass Pflegende frühzeitig aus dem Beruf aussteigen, beispielsweise eine maximale Anzahl Patienten pro Pflegekraft.

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, legen ihr aber einen indirekten Gegenvorschlag vor. Dieser sieht eine Ausbildungsoffensive vor, bei der Bund und Kantone insgesamt knapp unter einer Milliarde Franken über acht Jahre investieren sollen. Zudem sollen Pflegende neu gewisse Leistungen selbst abrechnen können. Für Massnahmen im Arbeitsalltag seien aber Sozialpartner und Kantone zuständig.

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Zufrieden mit dem Lohn

Auf sein Vollzeitpensum hat Spiess bis im Sommer 5400 Franken brutto pro Monat verdient, mit dem Engagement in der Personalkommission steigt der Lohn auf 6200 Franken. «Ich bin damit eigentlich ganz zufrieden», sagt er. Das Problem sei nicht der Lohn, sondern die Arbeitsbedingungen. Eine Verbesserung erhofft sich Spiess von der Pflege-Initiative, die am 28. November vors Volk kommt. Der indirekte Gegenvorschlag mit seiner milliardenschweren Ausbildungsoffensive überzeugt ihn nicht. «Das nützt uns nichts, wenn die Leute dann wieder aussteigen.»

Die Initiative fordert unter anderem eine Maximalzahl von Patienten pro Pflegeperson. Vor allem von diesem Punkt ist Spiess überzeugt. «Das wäre umsetzbar», ist er sich sicher. Wichtig sei ein solcher Schlüssel auch, weil er Druck auf die Arbeitgeber machen würde. «Dann können die Spitäler nicht mehr sagen, wir sollen auf einer Schicht halt nur Katzenwäsche machen, wenn zu wenig Personal da ist.»

Trotz allem: Den Bettel hinschmeissen will der baldige Familienvater nicht. «Ich mache meinen Job gern.» Zu erleben, wie es den Menschen besser gehe, und sie dabei zu begleiten, sei ein sehr schönes Gefühl.

Darum geht es bei der Pflege-Initiative

Genügend diplomiertes Personal und bessere Arbeitsbedingungen: Das verlangt die Pflege-Initiative, die am 28. November zur Abstimmung kommt. So brauche es etwa Massnahmen, um zu verhindern, dass Pflegende frühzeitig aus dem Beruf aussteigen, beispielsweise eine maximale Anzahl Patienten pro Pflegekraft.

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, legen ihr aber einen indirekten Gegenvorschlag vor. Dieser sieht eine Ausbildungsoffensive vor, bei der Bund und Kantone insgesamt knapp unter einer Milliarde Franken über acht Jahre investieren sollen. Zudem sollen Pflegende neu gewisse Leistungen selbst abrechnen können. Für Massnahmen im Arbeitsalltag seien aber Sozialpartner und Kantone zuständig.

Genügend diplomiertes Personal und bessere Arbeitsbedingungen: Das verlangt die Pflege-Initiative, die am 28. November zur Abstimmung kommt. So brauche es etwa Massnahmen, um zu verhindern, dass Pflegende frühzeitig aus dem Beruf aussteigen, beispielsweise eine maximale Anzahl Patienten pro Pflegekraft.

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, legen ihr aber einen indirekten Gegenvorschlag vor. Dieser sieht eine Ausbildungsoffensive vor, bei der Bund und Kantone insgesamt knapp unter einer Milliarde Franken über acht Jahre investieren sollen. Zudem sollen Pflegende neu gewisse Leistungen selbst abrechnen können. Für Massnahmen im Arbeitsalltag seien aber Sozialpartner und Kantone zuständig.

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