Piraten reichen Abstimmungsbeschwerde ein
Scheitert das Anti-Terror-Gesetz vor dem Richter?

Mit Fehlinformationen und schwammigen Formulierungen wolle der Bundesrat das Stimmvolk in die Irre führen, kritisiert die Piratenpartei. Sie erhebt nun eine Abstimmungsbeschwerde zum Anti-Terror-Gesetz.
Publiziert: 20.05.2021 um 10:58 Uhr
Daniel Ballmer

Die Kanonen sind geladen, die Entermesser gezückt. Die Piratenpartei setzt zum Angriff an. Ihr Ziel: Sie will das Anti-Terror-Gesetz versenken, über das die Schweiz am 13. Juni abstimmt. Und zwar nicht an der Urne: Die Piraten feuern gleich eine ganze Breitseite ab und reichen eine Abstimmungsbeschwerde ein. Denn für sie steht fest, dass das Abstimmungsbüchlein Fehlinformationen enthält – und das bewusst. Zudem seien entscheidende Passagen irreführend formuliert. Damit verletze der Bund den Grundsatz der Sachlichkeit.

Das Gesetz soll im Kampf gegen islamistischen Terror dienen, aber auch gegen Links- und Rechtsextremisten. Um gegen sogenannte Gefährder vorgehen zu können, soll die Polizei mehr Möglichkeiten erhalten – auch ohne Strafverfahren. Als Gefährder gilt eine Person, wenn konkrete und aktuelle Anhaltspunkte darauf hinweisen, dass sie in Zukunft eine terroristische Aktivität ausüben wird.

Damit würde die Schweiz neue Pfade beschreiten: Erstmals könnten die Behörden scharfe Massnahmen wie Hausarrest oder Kontaktverbote verhängen, sobald sie «konkrete und aktuelle Anhaltspunkte» haben. Gewalt, die Androhung von Gewalt oder Straftaten sind nicht mehr vorausgesetzt – ein Verdacht der Polizei reicht aus.

Unter dem Eindruck islamistischer Anschläge wie derjenige auf das Pariser Bataclan hat der Bundesrat 2015 eine nationale Strategie zur Terrorismusbekämpfung geschaffen. Das Anti-Terror-Gesetz ist ein Teil davon.
Foto: AFP
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«Praktisch jeder könnte zu einem Gefährder werden»

Den Piraten geht das viel zu weit. Der Bund erkläre, dass die Definition terroristischer Aktivitäten der bereits bestehenden Umschreibung im Nachrichtendienstgesetz entspreche. Dieses aber weise aus, dass Leib und Leben oder die Freiheit von Personen betroffen sein müssten, betont die Piratenpartei. Mit dem neuen Gesetz dagegen reiche schon die Begünstigung von Furcht und Schrecken, um als Gefährder zu gelten.

«Die absurd schwammige Formulierung des Gefährderbegriffs führt dazu, dass praktisch jeder bisher unbescholtene Bürger zu einem terroristischen Gefährder werden kann», kritisiert Parteipräsident Jorgo Ananiadis (51), «ein Klimaaktivist, eine SVP-Politikerin, ein Bundesrat, der Ängste vor Terrorismus schürt und darum umfassende Überwachungsmassnahmen der Schweizer Bürger fordert.»

Für die Piratenpartei steht fest, dass das Gesetz entweder mangelhaft ist «oder der Gefährderbegriff bewusst so breit gefasst wurde, um in Zukunft unliebsame politische Gegner mundtot zu machen».

«Keller-Sutter verbreitet bewusst Lügen»

Daneben stören sich die Gegner an der Aussage des Bundesrats, dass die Polizei heute in der Regel erst einschreiten könne, wenn eine Person eine Straftat begangen habe. Terroranschläge seien so nicht zu verhindern. Das aber gelte nur für leichte Vergehen, widerspricht die Piratenpartei: «Bei schweren Verbrechen kann der Staat selbstverständlich bereits heute präventiv einschreiten. Mit dieser Unschärfe wird der Wähler bewusst in die Irre geführt.»

Für Piratenpartei-Vizepräsident Philippe Burger (32) ist es nicht weniger als «ein Skandal, dass Bundesrätin Karin Keller-Sutter seit Wochen bewusst genau diese Lügen verbreitet, die nun auch im Abstimmungsbüchlein stehen. Sind wir eine Kartoffelrepublik oder die Schweiz?» Die Stimmberechtigten würden bewusst in die Irre geführt.

Dass sich die Politik mit polizeilichen Präventivmassnahmen auf ein heikles Terrain begibt, war auch Parlament und Bundesrat bewusst. Nun müssen sich wohl bald auch die Richter mit der Frage befassen.

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