Politiker fordern nach Pestizid-Verbot Entschädigung
«Die Bauern dürfen nicht die Opfer sein»

Weil es möglicherweise die Gesundheit gefährdet, entzieht der Bund einem Fungizid per sofort die Zulassung. Die Bauern fordern nun eine Entschädigung.
Publiziert: 12.12.2019 um 19:25 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2020 um 20:20 Uhr
Markus Ritter will, dass Bauern entschädigt werden, die noch Chlorothalonil im Schopf haben.
Foto: Keystone
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Lea Hartmann

Jetzt gehts plötzlich schnell. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat den Pflanzenschutz-Wirkstoff Chlorothalonil verboten. Ab sofort darf das Pestizid, das Pflanzen vor Pilzbefall schützt, nicht mehr verkauft werden. Ab dem 1. Januar gilt dann das Spritzverbot.

Untersuchungen zeigten, dass Chlorothalonil gefährlicher ist als bisher angenommen. So kamen Forscher im Auftrag der EU zum Schluss, dass die Abbauprodukte des Wirkstoffs im Trinkwasser möglicherweise krebserregend sind. Die EU hat den Stoff deshalb bereits vergangenen Monat verboten.

In der Schweiz spritzten Bauern 2017 45 Tonnen Chlorothalonil auf Reben, Gemüse und Getreide. Das entspricht etwas mehr als zwei Prozent des gesamten Pestizid-Verbrauchs im Land.

Oberster Bauer hat Verständnis

Nicht nur im ökofreundlichen Lager begrüsst man das Verbot. Sogar Bauernvertreter zeigen Verständnis. «Es ist richtig, den Wirkstoff per sofort zu verbieten», sagt sogar Bauernverbands-Präsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter (52). Bestehe eine Gefahr für die Gesundheit, müsse man umgehend handeln.

Ritter fordert aber auch: «Bauern müssen für das Chlorothalonil, das sie bereits gekauft haben und nicht mehr verwenden dürfen, entschädigt werden.» Support bekommt Ritter dabei von der SP und den Grünen. «Es darf nicht sein, dass die Landwirte nun die Opfer sind», sagt die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz (63). Ein entsprechender Vorstoss sei bereits in Planung.

Noch uneinig sind sich Munz und Ritter, wer die Entschädigung berappen soll. Während der Bauernboss den Bund in der Pflicht sieht, will Munz die Hersteller zur Kasse bitten.

In der EU verboten, in der Schweiz erlaubt

Nebst Chlorothalonil gibt es ein Dutzend weitere Pestizid-Wirkstoffe, die die EU bereits aus dem Verkehr gezogen hat, in der Schweiz aber nach wie vor verwendet werden. Einer davon ist das Kartoffel-Herbizid mit dem ähnlich klingenden Namen Chlorpropham. Auch dieser Stoff, der das Keimen der Kartoffelknollen bei der Lagerung verhindert, könnte krebserregend sein. Der Bund will ihn aber erst nächstes Jahr nochmals unter die Lupe nehmen.

Das dauert SP-Munz viel zu lange. «Wenn man weiss, dass ein Stoff gesundheitsgefährdend ist, muss man sofort handeln», sagt sie. Es ist nicht der einzige Kritikpunkt, der am Zulassungsverfahren von Pestiziden laut wird. Ein externer Prüfbericht ist jüngst zum Schluss gekommen, dass das Verfahren weder unabhängig noch transparent ist. Der Bund hat nun angekündigt, auch hier über die Bücher zu gehen.

Auch von anderer Seite wird Kritik laut. Wie BLICK aufdeckte, hat Bundesrat Guy Parmelin (60) Wasserforschern der ETH einen Maulkorb verpasst, weil sie die bundesrätliche Strategie in Frage gestellt hatten. Der Landwirtschaftsminister ist nervös, weil bald die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative vors Volk kommen. Die Volksbegehren wollen Bauern, die Pestizide verwenden, die Subventionen streichen beziehungsweise Pestizide ganz verbieten.

Nationalrat stimmt schärferem Gesetz zu

Mit dem neuen Parlament, das viel grüner ist als das alte, bekommen die Initiativen neuen Aufwind. Die neuen Mehrheiten in Öko-Fragen zeigten sich auch am Donnerstag im Nationalrat. Entgegen dem Antrag der Umweltkommission hat der Rat einem Vorstoss von SP-Vizepräsident Beat Jans (55) zugestimmt, der das Gewässerschutzgesetz verschärfen will.

Der Bund soll nachweislich schädliche Pestizide künftig verbieten können. Heute ist es an den Kantonen, Massnahmen zu treffen. Jans stimmt das Ja optimistisch: «Ich hoffe, dass das ein erster Hinweis auf eine Trendwende ist.»

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