Politiker über die «Nur im Internet»-Post
«Das regt mich fürchterlich auf!»

Einzelne Post-Dienstleistungen sind nur noch digital erhältlich. Das musste der Parkinson-Kranke Markus Studer erfahren. Er fühlt sich von der Post «wie der letzte Dreck» behandelt. Politiker nehmen den gelben Riesen jetzt in die Pflicht.
Publiziert: 06.11.2019 um 13:22 Uhr
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Aktualisiert: 06.11.2019 um 13:32 Uhr
Pensionär Markus Studer leidet unter Parkinson und kann nicht allein zur Postfiliale laufen.
Foto: Claudia Gnehm
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Sermîn Faki

Das Schicksal von Markus Studer (66) aus Zürich bewegt die Schweiz. Trotz Hilfe eines Kollegen und der Spitex kam er über Wochen nicht zu seinem Päckli. Aber auch eingeschriebene Briefe blieben ihm verwehrt – weil er es wegen seiner Parkinson-Erkrankung weder in die Poststelle schaffte noch eine Vollmacht ausstellen konnte. Die gibt es nämlich nur online. «Statt dem Kunden etwas gut und verständlich zu erklären, hat mich die Post wie den letzten Dreck behandelt», so Studer zu BLICK.

Dabei hat der gelbe Riese ja einen Grundversorgungsauftrag zu erfüllen. Das bedeutet, dass seine Dienstleistungen für alle Bevölkerungsgruppen gut erreichbar sein müssen. Nur: Für die weniger Mobilen und Nicht-Digitalen gilt das offenbar nicht. Wie der Fall Studer zeigt, werden ältere Leute von der Post abgehängt.

«Wo bleibt der gesunde Menschenverstand»

Politiker sind denn auch aufgebracht, als sie im BLICK von Studer lesen. «Das regt mich fürchterlich auf – denn immerhin ist es ein Recht, von der Post versorgt zu werden», sagt der Berner SP-Politiker Matthias Aebischer (52). «Dafür schliesslich ist die Grundversorgung da.»

«Wo bleibt denn da der gesunde Menschenverstand?», fragt auch Martin Candinas (39). Für den Bündner CVP-Nationalrat sind die Probleme Studers ein Zeichen dafür, dass die Dienstleistungskultur in den Chefetagen nicht immer richtig verstanden wird – sonst würden keine Regeln entworfen, die nicht praxistauglich sind.

Die Post muss für alle da sein

Den Leuten, die solche Online-Dienstleistungen entwickeln und umsetzen, sei offenbar nicht immer klar, dass es das iPhone erst seit 12 Jahren gibt, nennt Candinas ein Beispiel. «Wer damals schon ein gewisses Alter hatte, ist mit der Smartphone-Welt vielleicht überfordert.»

Die Post müsse digital werden, ergänzt Aebischer: «Aber sie darf die zehn Prozent der Bevölkerung, die nicht so schnell mitkommen, nicht zurücklassen. Auch für diese Gruppe muss sie Lösungen anbieten.»

Pragmatische Lösungen sind gefragt

Für Aebischer und Candinas braucht es keine zusätzlichen Auflagen für die Post. «Aber es muss möglich sein, dass besondere Fälle pragmatisch gelöst werden», sagt Candinas. Im Klartext: Der gelbe Riese muss sich einen Ruck geben und dafür sorgen, dass jeder zu seinen Briefen und Paketen kommt.

Dazu bräuchte es manchmal gar nicht viel: Er wisse zum Beispiel, dass sich Postkunden darüber aufregen, dass es nicht möglich ist, direkt in die Poststelle anzurufen. «Alle müssen übers Kundencenter – doch die können oft nicht so unkompliziert helfen wie die Leute vor Ort, die die Kunden kennen», so Candinas.

Hier müsse die Post über die Bücher – und zwar, ohne dass man sie dazu zwingt.

SVP kritisiert zu viele Gesetze

An den gesunden Menschenverstand appelliert auch SVP-Nationalrätin Nadja Pieren (39). Sie nimmt die Politik in die Pflicht: «Hier sehen wir, was zu viele Gesetze bewirken. Denn letztlich ist das Datenschutzgesetz verantwortlich für die Probleme von Herrn Studer. Deshalb nämlich kann die Post nicht anders handeln.»

Pieren sagt, sie mache die Erfahrung, dass sich die Service-public-Betriebe viel Mühe geben, allen Kunden gerecht zu werden. «Aber wir Politiker müssen sie auch lassen.»

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