«Wir werden sicher keine Jagd auf Maskensünder machen»
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50 Franken zu wenig?Bund will nur Mini-Busse für Maskenverweigerer

Polizeichef Mark Burkhard (56) über Einsätze im Corona-Jahr
«Wir werden sicher keine Jagd auf Maskensünder machen»

Der Baselbieter Mark Burkhard ist neu der oberste Polizist im Land. Im Interview mit BLICK schaut er zurück auf ein Jahr, in dem das Virus die Arbeit der Polizei geprägt hat. Doch ihn beschäftigen auch noch ganz andere Probleme.
Publiziert: 23.12.2020 um 01:06 Uhr
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Aktualisiert: 23.12.2020 um 08:40 Uhr
Interview: Daniel Ballmer

Zum Interview erscheint er mit Schutzmaske. Auf einen Händedruck wird verzichtet. Das Coronavirus beeinflusst auch den obersten Polizisten im Land. Seit November ist der Baselbieter Polizeichef Mark Burkhard (56) Präsident der kantonalen Polizeikommandanten. Er startet in einem Jahr, das geprägt ist von der Pandemie mit all ihren Folgen. Und das ist längst nicht alles.

BLICK: Herr Burkhard, Sie sollten eigentlich froh sein über das Coronavirus.
Mark Burkhard: Warum? Ich sehe nichts daran, über das ich froh sein könnte.

Jetzt wäre doch Hochsaison für Dämmerungseinbrecher. Da viele aber im Homeoffice arbeiten, dürften Sie es ruhiger haben.
Ja, das stimmt. Die Einbruchssituation hat sich etwas beruhigt, aber das liegt nicht nur am Coronavirus. Diese Entwicklung beobachten wir schon seit einigen Jahren. Aber: Was wir hier allenfalls an Mitteln einsparen können, wird mehr als kompensiert durch die zusätzliche Belastung wegen Corona. Es besteht also kein grosser Grund zur Freude.

In der Corona-Krise werde die Bevölkerung vereinzelt gereizter. Das führt gehäuft zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Foto: Keystone
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Wie belastet die Pandemie die Arbeit der Polizei denn zusätzlich?
Einerseits müssen natürlich auch wir die Schutzmassnahmen einhalten. Andererseits beobachten wir, dass die Bevölkerung vereinzelt gereizter wird. Das führt gehäuft zu Auseinandersetzungen. Zudem ist eine gewisse Verlagerung von Delikten ins Internet festzustellen. Dabei wird die Corona-Situation ausgenutzt. Etwa wenn versucht wird, Angehörige zur Zahlung grösserer Summen zu bringen, weil angeblich eine Person auf einer Intensivstation liegt und die Behandlung finanziert werden muss.

Oft muss die Polizei für die Umsetzung der Corona-Massnahmen sorgen. Stossen Sie auf Widerstand?
Ich höre schon von Patrouillen, dass das Ausmass von Vorfällen und Streitigkeiten belastend ist. Manchmal haben Personen kein Einsehen. In aller Regel stossen wir aber auf Verständnis. Die Massnahmen dienen ja dem Schutz der Bevölkerung. Allerdings konnte die Kommunikation der Behörden in letzter Zeit teilweise auch etwas verwirrend sein, was unsere Arbeit nicht erleichtert.

Demnächst sollen Corona-Bussen eingeführt werden. Werden die helfen?
Wenn Personen partout kein Einsehen haben wollen, sind Ordnungsbussen schon ein zusätzliches Mittel, um ein Zeichen zu setzen.

Gerade mal 50 Franken soll blechen, wer sich der Maskenpflicht verweigert. Der Vorschlag des Bundesrats kommt bei vielen nicht gut an: Das sei viel zu wenig.
Damit Ordnungsbussen Wirkung zeigen, müssen sie eine abschreckende Wirkung haben. Allerdings darf die Höhe der Busse auch nicht unverhältnismässig sein. Wie hoch dieser Betrag letztlich ist, ist ein politischer Entscheid.

Böse Zungen behaupten, dass die Corona-Bussen der Polizei die Möglichkeit geben, das Budget nicht nur mit Parkbussen aufzubessern.
Ich kenne keine Polizeikorps, die für Bussen Budgetvorgaben haben, die einzuhalten sind. Die Einnahmen sind eine Nebenerscheinung, aber nicht Sinn und Zweck. Wir werden sicher keine Jagd auf Maskensünder machen, sondern ermahnen und auf das richtige Verhalten hinweisen. Das werden wir auch weiterhin so machen.

Und dennoch sind Sie vermehrt mit Aggressivität konfrontiert.
Das ist leider eine generelle Entwicklung. Es gibt heute Gruppierungen, bei denen der Umgang sehr ruppig ist – nicht nur der Polizei, sondern allen Blaulichtorganisationen gegenüber. Dass Rettungskräfte bei der Bergung von Verletzten angegriffen werden, ist für mich völlig unverständlich! Da werden Grenzen überschritten.

Wie gehen Sie damit um?
Wir rücken mit verstärkten Patrouillen aus, um zahlenmässig gegenhalten zu können. Gleichzeitig ist wichtig, dass solche Leute konsequent angezeigt werden, damit sie auch rechtliche Konsequenzen tragen müssen. Aber das Phänomen macht mir schon sehr Mühe. Wir versuchen unser Möglichstes, um diese Entwicklung zumindest zu bremsen.

Der oberste Polizist im Land

Mark Burkhard (56) ist noch neu im Amt. Seit Anfang November ist er der Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS). Burkhard aber hat viel Erfahrung. Der gebürtige Berner ist nicht nur diplomierter Informatikingenieur, sondern auch lizenzierter Volkswirtschafter. Seit 2013 ist er Kommandant der Baselbieter Polizei. Zuvor amtete er als Generalsekretär des Aargauer Departements Gesundheit und Soziales. Nachdem er bereits sieben Jahre als Stabschef der Berner Kantonspolizei tätig war.

Mark Burkhard präsidiert neu die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten.
zVg

Mark Burkhard (56) ist noch neu im Amt. Seit Anfang November ist er der Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS). Burkhard aber hat viel Erfahrung. Der gebürtige Berner ist nicht nur diplomierter Informatikingenieur, sondern auch lizenzierter Volkswirtschafter. Seit 2013 ist er Kommandant der Baselbieter Polizei. Zuvor amtete er als Generalsekretär des Aargauer Departements Gesundheit und Soziales. Nachdem er bereits sieben Jahre als Stabschef der Berner Kantonspolizei tätig war.

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Mittlerweile hat in der Schweiz aber nochmals eine ganz andere Art von Gewalt Einzug gehalten: der islamistische Terror. Es kam zu Attacken in Morges VD und in Lugano TI, wo eine Frau mehrere Menschen angegriffen hat.
Das macht mich sehr betroffen, wegen der Opfer und ihrer Angehörigen. Aber auch, weil wir erkennen müssen, wie verblendet Menschen sein können. Wir versuchen, solche Täter möglichst im Vorfeld zu erkennen und so Anschläge zu verhindern – oder nach erfolgter Tat die Täter zumindest möglichst rasch zu ermitteln.

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In mehreren Fällen waren die Täter ja polizeilich bekannt. Dennoch wurden die Anschläge nicht verhindert. Was läuft falsch?
Kurz gesagt: Auch wenn ein gewisses Gefährdungspotenzial erkannt ist, können wir nicht alle potenziellen Täter rund um die Uhr überwachen. Das ist schlicht nicht zu stemmen. Das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus würde hier natürlich zusätzliche Möglichkeiten schaffen.

Dieses Anti-Terror-Gesetz ist allerdings sehr umstritten. Das Referendum wurde dagegen ergriffen. Kritisiert wird, dass gegen Personen bereits auf Verdacht hin Massnahmen ergriffen werden können.
Ja, man ergreift Massnahmen gegen Personen, die möglicherweise noch gar keine Tat begangen haben. Das kann man rechtsstaatlich diskutieren. Dennoch finde ich es ein sinnvolles Instrument. In einem solchen Umfeld braucht es Massnahmen, mit denen man die Bewegungsfreiheit von gefährlichen Personen einschränken kann. Und Zwangsmassnahmengerichte, die sie anordnen.

Dann entscheiden Sie sich bei der Wahl zwischen Sicherheit und Freiheit für Ersteres?
Nicht in jedem Fall. Wir wollen nicht alle Personen überwachen. Da geht es auch um eine Güterabwägung. Mit einem gewissen Risiko müssen wir alle leben. Wird aber ein Gefährder erkannt, muss der Staat auch Mittel haben, um gegen diesen vorgehen zu können.

Der internationale Terror hat die Schweiz erreicht. Macht das auch dem Profi Angst?
Sorgen auf jeden Fall. Mit dem Anti-Terror-Gesetz könnten wir gewissen Gefahren entgegenwirken. Hinzu kommt, dass wir den Datenaustausch zwischen den einzelnen Polizeikorps wie auch mit dem Ausland verbessern müssen – sonst erkennen wir gewisse Täter einfach nicht. Dem steht heute aber der Datenschutz teilweise noch entgegen.

Der Datenschutz steht Ihnen im Weg?
Datenschutz ist auch mir persönlich ein wichtiges Anliegen. Aber man muss sich schon Gedanken machen, wo die Grenzen beim polizeilichen Informationsaustausch sind.

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