Rektor der Uni Genf über EU-Blockade
«Schweizer Unis verlieren Ranking-Plätze»

In der Schweiz wächst der Frust über den Ausschluss aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon. Selbst Grossbritannien ist wohl bald wieder dabei.
Publiziert: 09.07.2023 um 10:27 Uhr
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Aktualisiert: 09.07.2023 um 17:11 Uhr
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Camilla AlaborRedaktorin

Ein neues Abkommen zwischen Bern und Brüssel liegt in weiter Ferne –und damit auch die Wiederaufnahme der Schweiz ins EU-Forschungsprogramm Horizon. Für Forscher hierzulande ist das schmerzlich. Umso mehr, als diese Woche bekannt wurde, dass Grossbritannien voraussichtlich bald wieder dabei ist: London und Brüssel haben sich auf einen Vertragsentwurf geeinigt.

SonntagsBlick: Herr Flückiger, diese Woche konnten Sie Ihren Forscherkollegen in Grossbritannien gratulieren: Die Briten nehmen wohl bald wieder am EU-Forschungsprogramm Horizon teil.
Yves Flückiger: Für die Kollegen in Grossbritannien freut mich das natürlich. Aber für die Schweiz ist das keine gute Entwicklung.

Warum?
Jetzt sind wir das einzige Land, das weiterhin von Horizon ausgeschlossen ist. Selbst Staaten wie Israel, Georgien oder die Türkei sind dabei. Dadurch sinkt in Brüssel der Druck, die Schweiz wiederaufzunehmen. Das macht mir Sorgen – die Aussichten sind ohnehin düster.

Yves Flückiger, Rektor der Uni Genf und ehemaliger Präsident von Swissuniversities, freut sich für seine Forschungskollegen in Grossbritannien.
Foto: Keystone
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Wie meinen Sie das?
Bis der Bundesrat allfällige Verhandlungen mit der EU aufnimmt, ist es 2024. Doch wenn wir bis Ende nächsten Jahres nicht assoziiert sind – und danach sieht es derzeit aus –, bleiben wir wohl draussen. Das EU-Forschungsprogramm Horizon läuft nur noch bis 2027. Es wäre das erste Mal, dass die Schweiz für die gesamte Dauer eines Forschungsprogramms ausgeschlossen ist.

Zur Person

Yves Flückiger (67) ist Rektor der Universität Genf und ehemaliger Präsident von Swissuniversities, dem Verband der Schweizer Hochschulen. Flückiger hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und Soziologie sowie einen Doktortitel in Volkswirtschaft.

Yves Flückiger (67) ist Rektor der Universität Genf und ehemaliger Präsident von Swissuniversities, dem Verband der Schweizer Hochschulen. Flückiger hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und Soziologie sowie einen Doktortitel in Volkswirtschaft.

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Der Bundesrat versucht, den Ausschluss aus Horizon mit zusätzlichen Geldern und neuen Abkommen zu kompensieren. Bringt das denn nichts?
Die bilateralen Abkommen mit Ländern wie den USA, Israel oder Grossbritannien sind in finanzieller Hinsicht nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Der Bundesrat möchte zeigen, dass er aktiv ist. Aber leider haben solche Abkommen nicht denselben Effekt wie eine Assoziierung bei Horizon. Zudem erhalten wir weniger Geld, als der Bund ursprünglich für die Teilnahme der Schweiz an Horizon Europe vorgesehen hatte.

Sie finden, die Hochschulen bekommen zu wenig Mittel?
Wenn die Schweiz von Horizon ausgeschlossen bleibt, ist es umso wichtiger, dass wir international attraktiv sind. Unser Ziel muss sein, die besten Forscher der Welt anzuziehen. Nur so können wir unsere Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten.

Wie lautet Ihre Botschaft an den Bundesrat?
Wir haben keine Zeit zu verlieren! Das zeigt sich auch daran, dass Schweizer Universitäten in internationalen Rankings Plätze einbüssen.

Sie beziehen sich auf ein internationales Hochschulranking, das letzte Woche publik wurde: ETH Lausanne und Uni Zürich schneiden schlechter ab als im Jahr zuvor. Gibt es da wirklich einen Zusammenhang mit Horizon?
Das lässt sich natürlich schwer beweisen – wir müssen schauen, ob sich der Trend fortsetzt. Aber das Signal ist kein gutes. Und wir sehen ja in der Praxis, dass sich der Wettbewerb verschärft: Viele unserer Top-Professoren bekommen Angebote, um anderswo zu unterrichten und zu forschen. Andere Forscher kommen nicht zu uns, weil die Schweiz keine EU-Forschungsprogramme mehr leiten darf.

Ist das tatsächlich so?
Ja, leider. Kürzlich wollten wir eine junge, vielversprechende Wirtschaftsprofessorin aus Spanien verpflichten. Das hätte auch geklappt – doch dann erhielt sie die Möglichkeit, in Barcelona die Leitung eines grossen EU-Forschungsprogramms zu übernehmen. Am Ende hat sie uns wieder abgesagt.

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