Rheinmetall will Flugabwehr-System nach Ägypten liefern
Mit aller Gewalt gegen das Ausfuhrverbot

Der Rüstungsbetrieb Rheinmetall Air Defence möchte offenbar ein Flugabwehrsystem nach Ägypten liefern oder gar vor Ort produzieren. Das ist politisch heikel – und Wasser auf die Mühlen der Waffenexport-Kritiker.
Publiziert: 15.12.2018 um 00:40 Uhr
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Aktualisiert: 18.12.2018 um 15:38 Uhr
Trotz Widerstand will die frühere Oerlikon-Bührle noch immer Waffen nach Ägypten liefern.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
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Ruedi Studer und Pascal Tischhauser

In der Diskussion um die Lockerung der Waffenexporte gehörte seine Stimme zu den lautesten: Urs Loher (52), Chef von Rheinmetall Air Defence, fordert klipp und klar, Rüstungsmaterial einfacher ausführen zu können. Das sichere auch hierzulande Arbeitsplätze.

Loher wollte Waffen auch in Länder wie Thailand oder Ägypten exportieren. Nachdem der SonntagsBlick mehrfach von Schweizer Waffen in bewaffneten Konflikten berichtet hatte, wuchs der Widerstand gegen das Vorhaben massiv an. Der Bundesrat ruderte zurück.

«Oerlikon Revolver Gun» für Ägypten

Nun steht Loher plötzlich nicht mehr an der Spitze der Rheinmetall Air Defence. Die frühere Oerlikon Bührle hält aber an seinem Bestreben fest, Waffen nach Ägypten zu liefern. Sie will der ägyptischen Armee das neue Flugabwehrsystem Oerlikon Revolver Gun Mk3 schmackhaft machen, wie verschiedene Militärportale berichten. Dabei handelt es sich um eine mobile Plattform mit 35-Millimeter-Geschossen, einer Reichweite von 4000 Metern und bis zu 1000 Schuss Feuerkraft pro Minute. 

Das System wurde gerade erst an der EDEX 2018, einer Rüstungsmesse in Kairo, präsentiert. Das Onlineportal Security and Defense Arabia zitiert dabei auch Geschäftsleitungsmitglied Fabian Ochsner. Demnach strebt das Unternehmen eine «enge Zusammenarbeit» mit den Ägyptern an, entsprechende Gespräche seien im Gang. Ziel ist eine Lizenzfertigung vor Ort, also eine Produktion in Ägypten.

Unternehmen schweigt zu Ägypten-Plänen

Dass BLICK sich für die Ägypten-Pläne der Oerlikon-Bührle-Nachfolgerin interessierte, passt dem Rüstungsbetrieb nicht. Das Schweizer Tochterunternehmen verweist an das Mutterhaus Rheinmetall in Deutschland. Sprecher Oliver Hoffmann bestätigt, dass «das Oerlikon Mk3 Flugabwehrgeschütz in der Schweiz am Standort in Zürich hergestellt wird und ebenfalls auch bei der italienischen Tochtergesellschaft der Rheinmetall Air Defence in Rom». 

Doch zu den Ägypten-Plänen schweigt er sich aus. «Zu Einzelprojekten können wir aus Gründen des Wettbewerbs keine Stellung beziehen.»

Seco: «Grundsätzlich nicht bewilligungsfähig»

Das hat seine Gründe, denn die Pläne sind heikel. «Gegenüber Ägypten gilt eine restriktive Bewilligungspraxis für Kriegsmaterialexporte», sagt der Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), Fabian Maienfisch. «Die definitive Ausfuhr von Kriegsmaterial – auch von Defensivwaffen wie Flugabwehrsystemen – ist grundsätzlich nicht bewilligungsfähig.»

Auch ob es zu einer lizenzierten Produktion vor Ort kommen kann, ist fraglich. Denn auch da hat das Seco als Bewilligungsbehörde ein Wörtchen mitzureden: Der Transfer von Know-how zur Herstellung solcher Waffensysteme nach Ägypten unterstehe der Bewilligungspflicht, betont Maienfisch. Er macht aber auch klar: «Die Beurteilung erfolgt jeweils im Einzelfall.»

Rheinmetall dürfte versucht sein, möglichst alles über das deutsche Mutterhaus abzuwickeln und so die Schweizer Behörden aussen vor zu lassen.

Noch brisanter macht die Sache, dass just die Rheinmetall-Vorläuferin Oerlikon-Bührle Ausfuhrbewilligungen in umstrittene Staaten missachtet hatte – darunter eben auch nach Ägypten. Die Affäre ging als Bührle-Skandal in die Schweizer Geschichte ein. Sie führte zur Verurteilung mehrerer Bührle-Leute – und zur Einführung eines schärferen Waffenexportgesetzes, das in den letzten Jahren stets gelockert wurde.

Mit aller Gewalt gegen das Ausfuhrverbot

Der Skandal hatte die Schweiz erschüttert. Oerlikon-Bührle war in den 1960er-Jahren einer der grössten Arbeitgeber. Ausgerechnet dieser missachtete Waffenausfuhrregeln, indem er Waffen in Staaten lieferte, die in Kriegskonflikten standen, darunter Länder wie Nigeria, Saudi-Arabien und eben auch Ägypten. Dass nun just die Oerlikon-Bührle-Nachfolgerin Ausfuhrbestimmungen für Ägypten umgehen will, lässt aufhorchen. Die Affäre hatte damals zur Einführung eines schärferen Waffenexportgesetzes geführt. Mit der Korrektur-Initiative soll die erneute, schrittweise Lockerung rückgängig gemacht werden.

Der Skandal hatte die Schweiz erschüttert. Oerlikon-Bührle war in den 1960er-Jahren einer der grössten Arbeitgeber. Ausgerechnet dieser missachtete Waffenausfuhrregeln, indem er Waffen in Staaten lieferte, die in Kriegskonflikten standen, darunter Länder wie Nigeria, Saudi-Arabien und eben auch Ägypten. Dass nun just die Oerlikon-Bührle-Nachfolgerin Ausfuhrbestimmungen für Ägypten umgehen will, lässt aufhorchen. Die Affäre hatte damals zur Einführung eines schärferen Waffenexportgesetzes geführt. Mit der Korrektur-Initiative soll die erneute, schrittweise Lockerung rückgängig gemacht werden.

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Waffenexport-Kritiker bestärkt

Die neusten Rheinmetall-Pläne sind daher Wasser auf die Mühlen der Gegner grosszügiger Exportregeln. «Im aktuellen Umfeld tut Rheinmetall sich und der Branche damit bestimmt keinen Gefallen», sagt BDP-Präsident und Nationalrat Martin Landolt (50). «Von einem Management ist es auch keine besonders kreative Leistung, in einem schwierigen Umfeld ausgerechnet in Länder mit einer heiklen Menschenrechtslage exportieren zu wollen.» 

Auch GSoA-Sekretär Lewin Lempert (22) ärgert sich: «Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass die Schweizer Rüstungsindustrie nicht einsehen will, dass Geschäfte mit Bürgerkriegsländern und Unrechtsstaaten nicht gehen.»

Deshalb wurde letzten Dienstag die Korrektur-Initiative gegen die Lockerung von Waffenexporten lanciert. Sie trifft offenbar den Nerv der Bevölkerung, denn in den ersten Tagen wurden bereits 30'000 Unterschriften gesammelt – und heute Samstag findet ein nationaler Sammeltag an über 100 Standorten statt.

Für Landolt und Lempert ist klar: «Das Stimmvolk muss die roten Linien in der Verfassung festschreiben.» 

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