Salathé nimmt Kritik an Corona-Koch zurück
«Nordkorea-Vergleich war schlecht»

ETH-Professor Marcel Salathé hat den Bund am Wochenende harsch für die Bewältigung der Corona-Krise kritisiert. Nun nimmt er einen Teil der Kritik zurück. Ja, sogar Lob kommt über seine Lippen.
Publiziert: 08.06.2020 um 19:29 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2020 um 11:28 Uhr
Lea Hartmann

Von wegen Ruhestand. Kaum hat sich Daniel Koch (65) in die Pensionierung verabschiedet, kocht der Streit zwischen dem ehemaligen Mr. Corona und der Epidemiologen-Zunft erneut hoch. Marcel Salathé (45) von der ETH Lausanne und Christian Althaus (41) von der Uni Bern, beide Mitglieder der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes, werfen Koch und seinen Beamten vor, sie und ihre Warnungen zu Beginn der Corona-Krise nicht ernst genommen zu haben.

Statt sich für die Sicht der Wissenschaft zu interessieren, habe dem Bund nur daran gelegen, die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Ihm sei gesagt worden, öffentlich nicht zu aggressiv aufzutreten, berichtet Salathé. Sonst werde es keine wissenschaftliche Taskforce geben. «Das war fast wie in Nordkorea», so der happige Vorwurf des Epidemiologen in der «NZZ am Sonntag».

Epidemiologen fahren Corona-Koch an den Karren
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Zoff der Experten:Epidemiologen fahren Corona-Koch an den Karren
Unter Beschuss: Mr. Corona Daniel Koch und Bundesrat Alain Berset.
Foto: Keystone
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«Nordkorea-Vergleich war ein Seich»

Salathé ist in der Corona-Krise zu einer der lautesten Kritikerstimmen im Land geworden. Doch ob dieser Aussage musste selbst er im Nachhinein schlucken. Einen Tag später krebst der ETH-Professor nun zurück. Der Nordkorea-Vergleich sei «schlecht» und «ein Seich» gewesen, twittert Salathé am Montagmorgen fast schon kleinlaut. «Nordkorea ist ein brutales Regime. Die Ratschläge der Kollegen hingegen waren gut gemeint», sagt er und ergänzt: «Danke – und sorry. Mea culpa.»

Salathé ist es zudem wichtig zu betonen, dass die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) «sehr gut» sei. Im März hatte der Wissenschaftler noch verkündet, sein Vertrauen in die Politik sei «erschüttert». Heute sagt er: «Seit meinem Tweet im März hat sich viel getan.» Er habe die Möglichkeit zu vielen direkten Austauschen gehabt. «Diese waren immer sehr interessant und respektvoll.»

Hat Koch gelogen?

An einem Vorwurf halten die Wissenschaftler aber fest: Koch soll nicht die Wahrheit sagen. So hatte der ehemalige Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten im BAG gegenüber der «NZZ am Sonntag» zu Protokoll gegeben, Althaus habe gar nie versucht, ihn zu kontaktieren und beim BAG eine Warnung abzugeben. Stattdessen sei er sofort an die Medien gelangt.

Auf Twitter veröffentlichte Salathé gestern den Gegenbeweis. Ein Brief, adressiert unter anderem an Koch und Bundesrat Alain Berset (48), datiert vom 25. Februar. Dort bieten Salathé, Althaus und zwei weitere Epidemiologinnen und Epidemiologen dem Bund ihre Expertise an. Althaus behauptet zudem, bereits im Januar mit Koch persönlich telefoniert zu haben. Im Februar habe er am BAG weiter einen Vortrag gehalten. «Daniel Koch war natürlich nicht anwesend», so Althaus.

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«Ich habe keinen Disput mit diesen Herren»

Koch will sich auf Anfrage von BLICK nicht weiter zur Angelegenheit äussern. «Ich gebe dazu keinen Kommentar ab», sagt er. In der Bevölkerung schon fast wie ein Volksheld gefeiert, hat Koch keine Lust, sich nach seinem Rücktritt auf weitere Diskussionen einzulassen. Und, in der Konsequenz, möglicherweise auch Fehler eingestehen zu müssen. Er meint lediglich gelassen: «Ich habe keinen Disput mit diesen Herren.»

Das Bundesamt für Gesundheit indes bestätigt, den Warnbrief der Wissenschaftler erhalten zu haben. Daraufhin habe man die Wissenschaftler zu einem Treffen eingeladen und die Taskforce gegründet, sagt BAG-Sprecher Daniel Dauwalder. Die Frage, warum Koch nicht dabei war, als Althaus in Bern sein Modell vorstellte, beantwortet das BAG nicht.

Die Beurteilungen der Epidemiologen seien in die Beschlüsse miteinbezogen worden. «Die Entscheide zum Vorgehen werden aber letztlich von der Politik gefällt», hält das BAG fest – die Einschätzung der Wissenschaftler bilde für diesen Entscheid nur eine von mehreren Grundlagen.

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