Saudis töten in Jemen mit Schweizer Sturmgewehren – jetzt sagen auch Bürgerliche
«Diese Waffen-Lieferung war ein Fehler»

Schweizer Sturmgewehre im Jemen-Krieg: Auch der Präsident der ständerätlichen Sicherheitskommission, Josef Dittli (UR, 61), hat jetzt von den Saudis die Nase voll. Ein umfassender Stopp von Waffenexporten ist für ihn ein Thema.
Publiziert: 29.10.2018 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2018 um 06:58 Uhr
Andrea Willimann

Saudische Soldaten halten im blutigen Jemen-Krieg Schweizer Sturmgewehre in ihren Händen. Das Beweisbild zeigt der SonntagsBlick. Saudi-Arabien und Schweizer Waffenexporte: Politisch ist das eine hochexplosive Mischung!

Die drei Krieger wurden Ende letzten Jahres im Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und Jemen fotografiert. Dort bekämpfen sich seit 2015 die saudische Armee und Huthi-Rebellen, die im Jemen de facto die Macht übernommen haben. Sunniten gegen Schiiten, der klassische muslimische Konflikt.

Bei den Waffen handelt es sich um Sturmgewehre des Typs 552, hergestellt von der Firma Swiss Arms in Neuhausen am Rheinfall SH. In die Hände der Saudis kamen die Spezialausführungen des Sturmgewehrs 90 mit einer vom Bund 2006 bewilligten Lieferung von total 106 Sturmgewehren. Dies bestätigen Swiss Arms und das Staatssekretariat für Wirtschaft.

Wie der SonntagsBlick aufzeigte, töten saudische Soldaten mit Schweizer Sturmgewehren Typ 552-2 aus der Schaffhauser Waffenschmiede Swiss Arms.
Foto: zvg
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Schweiz soll Exporte nach Saudi-Arabien stoppen

«Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass diese Lieferung ein Fehler war – auch wenn sie den Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes und der dazugehörenden Verordnung entsprach, die vor 2012 galten. Heute würde so ein Gesuch sicher nicht mehr bewilligt», sagt Josef Dittli (61). Der Urner ist Präsident der ständerätlichen Sicherheitskommission und heftig kritisierter Befürworter von Waffenexporten in Bürgerkriegsländer.

Aber ein umfassender Stopp von Waffenexporten ist jetzt auch für ihn ein Thema. Ihm ist der Geduldsfaden mit den Saudis gerissen. Der Stopp von legalen, vertraglich vereinbarten Lieferungen nach Riad ist für den FDP-Politiker kein Tabu mehr. Die Schweiz müsse unbedingt einen Exportstopp an Saudi-Arabien prüfen. «Sinnvollerweise nicht nur für Waffen, sondern für alle Wirtschaftsbereiche», so Dittli. Handle die Schweiz zudem in Absprache mit internationalen Organisationen wie der Uno oder der EU, erhalte das Signal Gewicht.

Reagiert der Bundesrat vor der SiK-Sitzung?

Dittli kann sich gut vorstellen, dass der Bundesrat aufgrund des Sturmgewehr-Skandals die Diskussion vom letzten Mittwoch über ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien nochmals aufnimmt. Ebenso wäre er nicht überrascht, wenn er die  Lockerung der Waffenexporte in Bürgerkriegsländer erneut diskutieren würde.

Auf der Traktandenliste der nächsten Sitzung der ständerätlichen SiK am 13. November steht nämlich die vom Nationalrat gutgeheissene Motion von BDP-Nationalrat Martin Landolt (50), die Waffenexporte vom Parlament und Volk genehmigen lassen will. Und Dittli hält es für sehr wahrscheinlich, dass die CVP-SP-Mehrheit im Ständerat das Anliegen durchbringt.

Der Bundesrat rechtfertigt seine Pläne, die Kriterien für Waffenexporte zu lockern. (Symbolbild)
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Debatte zum Waffenexport:Nationalrat debattiert über die Lockerungen beim Waffenexport

Dass der Bundesrat nochmals über die Bücher muss, ist auch für die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (54) klar. Die Grenzen seien überschritten, so die CVP-Bundesratskandidatin und Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats. Laut Schneider-Schneiter läuft die Diskussion in der APK heute in einer Woche darauf hinaus, dass der Bundesrat in Bezug auf Saudi-Arabien und vor allem auch Jemen auf seine Güterabwägung zwischen der humanitären Tradition der Schweiz und Exportgewinnen zurückkommen soll.

SVP-Salzmann warnt vor Support für Armeeabschaffer

Stellvertreterkrieg in Saudi-Arabiens Süden

Im Jemen herrscht das Leid: Seit fast vier Jahren tobt im ärmsten Land der Arabischen Halbinsel ein Bürgerkrieg. Er begann, als schiitische Huthi weite Teile des Landes überrannten. Daraufhin griff das Nachbarland Saudi-Arabien in den Konflikt ein. Gemeinsam mit der Koalition bombardierten die Saudis Stellungen der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen. Dass der Iran seinen Einfluss auf der Arabischen Halbinsel vergrössern will, versuchen die Saudis mit allen Mitteln zu verhindern. Seither fallen die Bomben auf Spitäler, Hochzeitsfeste, Schulbusse, Wohnquartiere. Eine Hungersnot betrifft nach Angaben der Uno bald 14 Millionen Menschen. 400'000 Kinder sind lebensbedrohlich unterernährt. Zudem frisst sich eine Cholera-Epidemie durch das Land. In dem Krieg sind nach Uno-Schätzungen mehr als 28'000 Menschen umgekommen, davon rund 10'000 Zivilisten, die im Bombenhagel starben. Grösster Profiteur sind neben den Briten die USA. 61 Prozent des Rüstungsmaterials beziehen die Saudis von den Amerikanern.

Im Jemen herrscht das Leid: Seit fast vier Jahren tobt im ärmsten Land der Arabischen Halbinsel ein Bürgerkrieg. Er begann, als schiitische Huthi weite Teile des Landes überrannten. Daraufhin griff das Nachbarland Saudi-Arabien in den Konflikt ein. Gemeinsam mit der Koalition bombardierten die Saudis Stellungen der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen. Dass der Iran seinen Einfluss auf der Arabischen Halbinsel vergrössern will, versuchen die Saudis mit allen Mitteln zu verhindern. Seither fallen die Bomben auf Spitäler, Hochzeitsfeste, Schulbusse, Wohnquartiere. Eine Hungersnot betrifft nach Angaben der Uno bald 14 Millionen Menschen. 400'000 Kinder sind lebensbedrohlich unterernährt. Zudem frisst sich eine Cholera-Epidemie durch das Land. In dem Krieg sind nach Uno-Schätzungen mehr als 28'000 Menschen umgekommen, davon rund 10'000 Zivilisten, die im Bombenhagel starben. Grösster Profiteur sind neben den Briten die USA. 61 Prozent des Rüstungsmaterials beziehen die Saudis von den Amerikanern.

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In den Ohren von SVP-Nationalrat Werner Salzmann (BE, 55), Präsident der nationalrätlichen Sicherheitskommission, sind diese Reaktionen schriller Alarmismus. Mit einem Waffenembargo nehme die Schweiz keinen Einfluss auf Kriege, was ja gerade das Beispiel der rechtskonformen Sturmgewehr-Lieferung von 2006 zeige: «Die Situation kann sich auch in anderen Exportländern politisch verändern», so Salzmann. Ein generelles Waffenausfuhrverbot wäre dann die unerwünschte Konsequenz, die den Armeeabschaffern in die Karten spiele.

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