Schweiz muss wegen Gerichtsurteil handeln
Bundesrat will kürzere Wartefrist beim Familiennachzug

Vorläufig Aufgenommene müssen in der Schweiz drei Jahre warten, bevor sie Familienangehörige zu sich holen dürfen. Das ist zu lange, urteilte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof. Nun handelt der Bundesrat und will das Gesetz anpassen.
Publiziert: 01.05.2024 um 12:41 Uhr
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Aktualisiert: 01.05.2024 um 15:04 Uhr

Vorläufig aufgenommene Flüchtlinge sollen in Zukunft schon nach zwei Jahren Familienangehörige in die Schweiz nachziehen können, in besonderen Härtefällen sogar schon vorher. Diese Änderung schlägt der Bundesrat vor. Heute liegt die Frist bei drei Jahren. 

Mit dem Vorschlag reagiert die Regierung auf ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) in Strassburg. Die Richter waren 2021 zum Schluss gekommen, dass eine Wartefrist von mehr als zwei Jahren unvereinbar sei mit dem Recht auf Familienleben, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Das Bundesverwaltungsgericht passte daraufhin die Rechtssprechung an.

Konsequenzen sind überschaubar

Das Staatssekretariat für Migration muss seither bereits nach zwei Jahren prüfen, ob die Voraussetzungen für Familiennachzug gegeben sind. Faktisch ändert sich also nichts. Der Bundesrat will aber Rechtssicherheit schaffen, indem er das Gesetz nun auch entsprechend anpasst. Am Mittwoch hat er die Vernehmlassung für die vorgeschlagene Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes in Vernehmlassung geschickt. Anschliessend entscheidet das Parlament. 

Vorläufig aufgenommene Flüchtlinge müssen heute drei Jahre warten, bis sie Familienangehörige wie ihre Kinder oder Ehepartner in die Schweiz holen dürfen.
Foto: ANTHONY ANEX
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Laut dem Bund haben zwischen 2018 und 2022 durchschnittlich 333 Personen mit vorläufiger Aufnahme pro Jahr ein Gesuch um Familiennachzug gestellt, bei rund 126 Personen wurde dieses gutgeheissen. Mit der neuen Regelung sei somit aufgrund der kürzeren Wartefrist vorübergehend mit knapp 130 zusätzlichen Familiennachzügen zu rechnen. Bei vorläufig Aufgenommenen handelt es sich um Personen, deren Asylgesuch abgelehnt worden ist, die aber aus unterschiedlichen Gründen das Land nicht verlassen können. 

Insgesamt sollte es aber zu keiner Zunahme von Familiennachzügen kommen, da die Bedingungen dafür die gleichen bleiben. So beispielsweise, dass das Familienmitglied, das in die Schweiz kommen will, wirtschaftlich auf eigenen Beinen steht. «Gleichzeitig könnte durch die Fristverkürzung die Integration und die Motivation zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit insgesamt gefördert werden», glaubt der Bundesrat.

Weitere Lockerungen im Asylwesen

Der Bundesrat hat am Mittwoch weitere Entscheide zur Asylpolitik getroffen. Ab 1. Juni können vorläufig Aufgenommene einfacher den Kanton wechseln, wenn der Beruf das bedingt. Das Parlament hatte die Änderung bereits 2021 verabschiedet, nun wird sie in Kraft gesetzt. 

Abgewiesene Asylsuchende und jugendliche Sans-Papiers dürfen künftig ausserdem unter erleichterten Bedingungen eine Lehre machen. Ab 1. Juni müssen sie nicht mehr während fünf, sodnern nur noch während zwei Jahren die obligatorische Schule besucht haben, damit sie ein Härtefallgesuch einreichen können. (lha/SDA)

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