Schweiz nimmt verurteilten Afghanen (35) auf
Das sagt die Politik zum abgeschobenen Kinderschänder

Deutschland hat einen verurteilten Sexualstraftäter in die Schweiz abgeschoben. Der Fall erhitzt die Gemüter bei den Parteien. Blick hat bei Politikerinnen und Politikern nachfragt.
Publiziert: 11.02.2023 um 17:32 Uhr
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Deutschland hat am Freitag einen afghanischen Kinderschänder (35) in die Schweiz abgeschoben, wie die «Bild» berichtet. Der Mann sass im Nachbarland wegen schweren Missbrauchs an einem Buben (6) und einem Mädchen (8) im Knast. Nun soll er von deutschen Polizisten an die Schweizer Behörden übergeben worden sein. Der Fall erhitzt die Gemüter in der Bevölkerung und Politik.

Für SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44) ist die Abschiebung ein Skandal: «Wir müssen sicherstellen, dass solche kriminellen Ausländer nicht mehr in die Schweiz kommen können», sagt er.

SVP fordert Richtungsänderung

Aeschi verlangt strengere Grenzkontrollen. «Der Fall zeigt, wie kaputt das Schengen/Dublin-Abkommen ist», hält er fest. Griechenland nehme keine Personen mehr zurück und registriere diese auch nicht mehr. Und auch Italien winke die meisten Asylsuchenden auf dem Weg nach Norden einfach durch, so der Nationalrat. Mit dem Abkommen wurden die Personenkontrollen an den Grenzen grundsätzlich aufgehoben. Für Asylsuchende wäre in der Theorie das erste EU-Eintrittsland zuständig.

Deutschland hat einen kriminellen Ausländer in die Schweiz abgeschoben.
Foto: Keystone
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Die SVP forderte erst Ende Januar in einem Positionspapier, dass die Schweiz ihre Asylpolitik neu ausrichtet. Beispielsweise mit der Einrichtung von Transitzonen an der Grenze. Die Behörden sollen in diesen Zonen prüfen, ob eine Person einreisen darf oder ins Herkunftsland zurückgeschickt wird. «Das hätte eine abschreckende Wirkung», ist Aeschi überzeugt.

FDP: Wenn möglich, ausschaffen

Dass der verurteilte Straftäter nun in der Schweiz ist, ist auf den Artikel 2 des Rückübernahmeabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland zurückzuführen. Dieser besagt, dass die Schweiz eine Person, die aus der Schweiz nach Deutschland eingereist ist – ohne die Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt zu erfüllen – auf Antrag von Deutschland «formlos» übernehme.

Auch die FDP übt Kritik. «Wir haben natürlich kein Interesse daran, verurteilte Sexualstraftäter bei uns in der Schweiz aufzunehmen. Straffällige Afghanen müssen, wenn die Lage dies zulässt, ausgeschafft werden», sagt Vize-Präsident und Nationalrat Andri Silberschmidt (28). Er gibt jedoch zu bedenken: «Bei der Aufnahme muss sich die Schweiz an geltenden Gesetze halten.»

FDP sieht Kantone in der Pflicht

Die FDP forderte aber jüngst ebenfalls eine härtere Gangart in der Asylpolitik. Die Grenzkontrollen seien dabei aber nicht das Problem, so Silberschmidt: «Ich war vor zwei Wochen in Chiasso und dort finden sehr systematische Grenzkontrollen statt.» Eine Überwachung der gesamten Landesgrenze sei allein aus Ressourcengründen nicht möglich.

Seine Partei möchte bei den Rückführungen ansetzen. Nicht alle Kantone würden hier den Spielraum ausnutzen, so Silberschmidt. Doch was heisst das im Fall des afghanischen Straftäters? Wie Deutschland schiebt die Schweiz seit der Machtübernahme der Taliban seit 2021 keine Flüchtlinge mehr nach Afghanistan ab.

Mitte will Straftäter überwachen

Das Non-Refoulement-Prinzip verbietet eine Rückschiebung einer Person, falls ernsthafte Gründe für die Annahme vorliegen, dass für sie im Zielland eine Gefahr droht. «Das Prinzip mag uns passen oder nicht. Doch wir müssen uns daran halten», sagt Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller (64). Auch, wenn man einen Kriminellen vor der Ausschaffung schützen müsse.

«Aber zumindest sind wir informiert über die schweren Straftaten des Mannes», so Binder-Keller weiter. Die Schweiz könne nun geeignete Massnahmen ergreifen, damit er überwacht werde. «Frei herumlaufen lassen kann man so jemanden ja nicht. Wir müssen unsere Kinder schützen.»

Lösung nur mit Nachbarländern möglich

Binder-Keller bricht eine Lanze für das Schengen-Dublin-Abkommen. «Die Schweiz kann die Asylpolitik nicht allein lösen und ein Sonderzüglein fahren.» Die Flüchtlingsproblematik können die Länder in Europa nur gemeinsam lösen, ist sie überzeugt: «Insgesamt profitieren wir von dem System. Länder wie Italien haben eine deutlich höhere Zahl von Asylsuchenden.» Ohne Schengen-Dublin könnte die Schweiz schliesslich auch keine Personen mehr in andere Länder abschieben.

Die grüne Nationalrätin Natalie Imboden (52) verweist auf das geltende Gesetz. «Daran müssen wir uns halten. Dabei wird es immer schwierige Einzelfälle geben. Aber wenn die Person vorher in der Schweiz war, hat das seine Richtigkeit» In anderen Fällen schiebe die Schweiz auch Personen nach Deutschland ab.

«System ist nicht perfekt»

«Sicher ist das System nicht perfekt. Aber eine Kontrolle der gesamten Grenze wäre viel zu aufwendig», so Imboden. Für eine Verschärfung sieht sie derzeit keinen Bedarf. Viele Asylsuchende würden von Chiasso TI aus per Transit weiter in nördlichere Länder reisen. Diese sind bei Rückführungen oft weniger hart als die Schweiz.

Von der SP ist für Blick am Samstag niemand für ein Statement zu erreichen. Fraktionschef Roger Nordmann verweist darauf, den Fall nicht zu kennen. Und will sich auch generell nicht zur Asylpolitik äussern. Es gehe dabei nur um das Schüren von Fremdenfeindlichkeit.

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