Schweiz unterzeichnet Freihandelsabkommen
Das bringt der Deal mit Indien

Nach 16 Jahren Verhandlungen hat die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit Indien unterschrieben. Blick erklärt, was die Schweiz bekommen hat, was sie dafür hergeben musste und was der Deal mit Indien wert ist.
Publiziert: 10.03.2024 um 18:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2024 um 09:48 Uhr

Was steht im Freihandelsabkommen mit Indien?

Das Abkommen soll den Handel zwischen den Efta-Staaten (das sind neben der Schweiz Island, Liechtenstein und Norwegen) erleichtern. So enthält es konkrete Pläne, Zölle zu senken und den Handel über andere Massnahmen wie Produktvorschriften zu vereinfachen. Ausserdem enthält es Regeln zum Patentschutz und ein Kapitel zur Investitionsförderung.

Was hat die Schweiz bekommen?

Indien wird die Zölle für 84,6 Prozent der Schweizer Exporte entweder sofort nach Inkrafttreten oder in den folgenden zehn Jahren abschaffen. Für weitere 10 Prozent der Exporte werden die Zölle halbiert. Das allein verbilligt die Schweizer Exporte um rund 167 Millionen Franken pro Jahr, vor allem für die Maschinen-, Pharma-, Chemieindustrie und Uhrenindustrie. Auch die Nahrungsmittelindustrie kann sich freuen: Nach zehn Jahren fallen auch auf Kaffeekapseln, Schokolade, Energy Drinks und bestimmte landwirtschaftliche Produkte keine Zölle mehr an. Und Schweizer Banken und Versicherungen sollen einfacher an Lizenzen für Indien kommen und auch einfacher Beteiligungen erwerben können.

Bundesrat Guy Parmelin hat in Delhi das Freihandelsabkommen mit Indien unterzeichnet.
Foto: zVg
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Für die Industrie kommt das Abkommen gerade recht, denn im Moment durchläuft die Schweizer-Tech-Industrie eine schwierige Phase: In wichtigen Absatzmärkten stockt die Nachfrage, der starke Franken fällt bei der Kaufentscheidung der Kunden wieder ins Gewicht. «Solche Abkommen bringen Jobs aus dem benachbarten Ausland zurück in die Schweiz», glaubt Yannick Berner (31). Er ist Vorstandsmitglied von Swissmem und sitzt in der Geschäftsleitung des Familienunternehmens Urma. Dieses produziert in Rupperswil AG Präzisionswerkzeuge für die Industrie. «Wenn plötzlich Zölle in der Höhe von 22 Prozent wegfallen, fällt der starke Franken bei der Standortwahl weniger ins Gewicht.»

Was musste die Schweiz geben?

Die Schweiz erhebt schon keine Zölle mehr für Industrieprodukte. Für ausgewählte landwirtschaftliche Produkte gewährt sie gewisse Erleichterungen. Der Schutz der Schweizer Bauern in den Bereichen Fleisch- und Milchwirtschaft sowie saisonales Gemüse bleibe aber bestehen. Bauernpräsident Markus Ritter sagt, man müsse das Abkommen noch im Detail prüfen. Gemäss Bundesrat ist die Landwirtschaft aber kaum betroffen.

Warum haben die Verhandlungen 16 Jahre gedauert?

Das lag insbesondere am Patentschutz. In Indien ist die Generikaindustrie sehr bedeutsam, und der Staat tut viel, um sie zu unterstützen. 2013 etwa hatte ein indisches Gericht Novartis das Patent für ein Leukämie-Medikament abgesprochen. Pharmakonzerne und bürgerliche Parteien machten daraufhin Druck auf den Bundesrat: Sie würden das Freihandelsabkommen bekämpfen, wenn es keinen substanziellen Patentschutz enthalte. Gemäss Bundesrat sind hier Verbesserungen erreicht worden. Pharmakonzerne könnten sich künftig darauf verlassen, dass Indien ihre Patente anerkennt und diese auch nicht so einfach angefochten werden können. Die Branche reagiert verhalten: Eine abschliessende Beurteilung des Freihandelsabkommens sei erst nach Vorliegen des definitiven Textentwurfes möglich, so der Dachverband der Pharma- und Chemieindustrie.

Wo liegen die Chancen?

Indien ist nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Welt – 50 Prozent seiner Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt. Ein interessanter Markt also, für Produkte, Dienstleistungen und Investitionen. «Das Land will zu einem wichtigen Industriestandort werden. Und es hat mit der Landung der Mondsonde ‹Chandrayaan 3› im vergangenen August gezeigt, dass es im Bereich High-Tech vorn mitspielen könnte», erklärt Jan Atteslander, Chef Aussenwirtschaft beim Verband Economiesuisse. «Doch dazu braucht Indien Direktinvestitionen.» Im Abkommen verpflichten sich die Efta-Staaten dazu. Als Zielgrösse gelten 100 Milliarden US-Dollar zusätzlicher Investitionen aus der Efta sowie die damit verbundene Schaffung von einer Million Arbeitsplätzen in Indien über die nächsten 15 Jahre. Das biete auch für Schweizer Unternehmen Vorteile, so Atteslander. Indien habe enormen Aufholbedarf, insbesondere in Industrie und Infrastruktur. «Gleichzeitig prognostizieren Weltbank und Währungsfonds auf mittlere Frist Wachstumsraten von 6 bis 9 Prozent pro Jahr. Dass die Schweiz und die anderen Efta-Staaten jetzt vor der EU und auch Grossbritannien privilegierten Zugang zum Markt bekommen, ist eine wirklich gute Nachricht.»

Wie geht es weiter?

Das Parlament muss das Freihandelsabkommen noch absegnen. Der Bundesrat will, dass es schnell geht und das Abkommen mindestens in einer Parlamentskammer behandelt wird. Dann könnte das Abkommen mit Indien im Herbst 2025 in Kraft treten – sollte dagegen nicht das Referendum ergriffen werden. Und das ist durchaus möglich: Hilfswerke und NGOs fürchten, dass der gestärkte Patentschutz dazu führen wird, dass sich die armen Bevölkerungsschichten Indiens wichtige Medikamente nicht mehr leisten können. Dass solche Organisationen nicht unterschätzt werden dürfen, zeigt das Freihandelsabkommen mit Indonesien. Dieses wurde im März 2021 nur knapp mit 51,6 Prozent angenommen.

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