Schwule und Lesben leiden unter Gewalt
Zwei Hassverbrechen pro Woche!

LGBT-Organisationen haben ein Jahr lang alle gemeldeten Übergriffe gezählt, die auf die Sexualität der Opfer gezielt hat. Die Ergebnisse schockieren.
Publiziert: 05.05.2018 um 16:02 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2018 um 13:42 Uhr
Florian Wicki

Die LGBT-Helpline – die Beratungs- und Meldestelle für Gewalt gegen Homosexuelle und Trans-Menschen – hat ein gutes Jahr lang alle gemeldeten Hassverbrechen gesammelt. Den Bericht haben sie am Freitag Morgen in Bern präsentiert. Und der hats in sich:

Zwischen November 2016 und Dezember 2017 wurden ganze 95 Übergriffe gemeldet, also rund zwei pro Woche. Über ein Drittel der Vorfälle waren körperlicher Natur – von geschubst, geschlagen oder getreten werden bis hin zur Verwundung mit einer Waffe. Nur 18 der 95 Fälle wurden bei der Polizei angezeigt. Entsprechend hoch dürfte daher auch die Dunkelziffer sein, also die Anzahl der nicht einmal bei der Helpline gemeldeten Fälle.

Der Bund winkt ab

Die Zürcher BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti (60),
Foto: GAETAN BALLY

Die Zürcher BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti (60) mag dieser Entwicklung nicht länger zusehen. Schon im vergangenen September hat sie im Parlament gefordert, dass Hassverbrechen wegen der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, dem Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen statistisch separat erfasst werden sollen. Nur so könne man erkennen, ob die Angehörigen dieser Minderheiten besonderen Schutz benötigten. 

Haben genug von Hassverbrechen: René Schegg (Pink Cross), Max Krieg (Pink Cross), Anna Rosenwasser (LOS), Angelo Barrile (Nationalrat SP, Pink Cross), Alecs Recher (TGNS), Rosmarie Quadranti (Nationalrätin BDP), Roman Heggli (Pink Cross), Petrik Thomann (Pink Cop) von links.
Foto: zVg
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Die Ergebnisse der Befragung würden zeigen, dass weder bei der Erfassung noch bezüglich der Ergebnisse eine ausreichende Qualität gewährleistet werden könne. Auf gutdeutsch heisst das: zu teuer, und bringt nichts.

Unglaubwürdige Ausrede des Bundesrates

Die Resultate des Helpline-Berichts bestärken Quadranti nun: «Man sieht, dass der Vorstoss extrem berechtigt ist.» Die Begründung des Bundesrates, die Umsetzung sei teuer und mühsam, lässt sie nicht gelten: «Diese Ausrede ist weit weg von glaubwürdig.»

Bei der Erfassung auf dem Polizeiposten wäre das ja nicht mehr als ein Kreuz mehr im Fragebogen. «Wenn das im Zeitalter der Digitalisierung immer noch zu aufwendig ist, haben wir ganz andere Probleme», so Quadranti.

Das Thema müsse zur Normalität werden

Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (55)
Foto: GAETAN BALLY

Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann – der selber in einer eingetragenen Beziehung lebt – fordert ebenfalls genauere statistische Erfassungen von Gewalttaten: «Es macht allgemein Sinn, Übergriffe so aufzulisten, dass die Hintergründe erkennbar sind.»

Die Ergebnisse des Helpline-Berichts schockieren Portmann: «Die Rate ist überraschend hoch, dafür, dass es sich um eine Minderheit handelt.» Aber nicht nur der Bund, sondern auch die Gesellschaft müsse handeln: «Das zeigt, dass man schon Kindern beibringen muss, dass Minderheiten zu unserer Normalität gehören.»

LGBT-Organisationen wollen nicht mehr zusehen

Die Verfasser des Berichts – Organisationen wie die Schwulenorganisation Pink Cross, die Lesbenorganisation Schweiz LOS und Transgender Network Switzerland, die Schweizer Organisation für Transmenschen – fordern den Bund nun auf, entsprechende Massnahmen zur Prävention, zur Erfassung und zur Schulung in Sachen Hassverbrechen zu unternehmen und legen diese auch selber vor.

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