Sie soll zum Rücktritt gezwungen werden
Humbel wirft ihrer Partei Mobbing vor

Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel wirft ihrer Kantonalpartei Mobbing vor. Über gezielte Medienberichte werde versucht, Druck auf sie zu machen, sich aus dem Bundeshaus zurückzuziehen.
Publiziert: 22.07.2022 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2022 um 11:42 Uhr
Sermîn Faki

Intrigantenstadel in der Aargauer Mitte-Partei? In den letzten Wochen geschah Seltsames: Zuerst wurden Gerüchte laut, die langjährige Nationalrätin Ruth Humbel (64) – wichtigste Gesundheitspolitikerin der Partei – werde noch dieses Jahr zurücktreten. Humbel schwieg.

Dann bestätigte die Parteileitung der Mitte Aargau dies offiziell und Kantonspolitiker Andreas Meier trat aus dem Aargauer Grossen Rat zurück – um Humbels Sitz im Nationalrat zu erben. «Andreas Meier wechselt vom Grossen Rat ins Bundeshaus», titelte die «Aargauer Zeitung». Humbel schwieg.

Humbel redet Klartext

Jetzt redet die Aargauerin. Und zwar Klartext. «Wenn Andreas Meier entscheidet, im Sommer aus dem Grossen Rat zurückzutreten, ist das seine Sache. Aber er kann damit nicht Druck ausüben auf mich», sagt sie in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung». Sie sei für vier Jahre und damit bis in den Herbst 2023 gewählt. «Wenn ich früher zurücktrete, ist das ein Entscheid, den ich selber bestimme.»

Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel redet Klartext: Ihre Partei versuche, sie aus dem Amt zu mobben.
Foto: Severin Bigler
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Humbel bestätigt zwar, dass es parteiinterne Gespräche über einen früheren Rücktritt gegeben habe. Doch diese sollten vertraulich bleiben und nicht in der Öffentlichkeit breitgeschlagen werden. Dass in den Medien quasi Fakten geschaffen werden sollten, habe sie irritiert. «Damit wollte man offenbar den Druck erhöhen und Tatsachen schaffen», sagt sie und doppelt nach: «Es ist schon ein Druck, den man als Mobbing bezeichnen kann.»

Seit 19 Jahren im Parlament

Sie habe nie versprochen, schon im Sommer zurückzutreten – auch wenn dies Meiers Wunsch gewesen sei. Allerdings hatte Humbel schon 2017 im Blick gesagt, dass sie wohl 2022 zurücktreten werde. «Wenn alles rund läuft, könnte ich Ende 2019 für zwei Jahre das Präsidium der Sozial- und Gesundheitskommission übernehmen. Danach würde ich den Platz freimachen für jüngere Kräfte», sagte sie damals.

Vorzeitige Rücktritte sind nicht selten. Damit geben die Abtretenden ihren Nachfolgern die Möglichkeit, bei den Wahlen als «Bisherige» anzutreten, was die Wahl erleichtert und der Partei helfen kann, den Sitz zu sichern. Argumente, die Humbel durchaus sieht. «Dem verschliesse ich mich nicht», sagt sie. «Aber ich lasse mich nicht unter Druck setzen.»

Kantonalpräsidentin nimmt Zepter in die Hand

Humbel, die in den kommenden Tagen 65 wird, sitzt seit knapp 19 Jahren im Nationalrat – eine sehr lange Zeit, wie sie selbst zugibt. Darum trete sie nächstes Jahr auch nicht mehr an. Aber: Sie habe bei den Wahlen 2019 mit 34'000 Stimmen das mit Abstand beste Ergebnis der Mitte-Kandidierenden gemacht – Meier kam nur auf 12'000. «Zudem bin ich in der Bundeshausfraktion nach wie vor Dossier-Leaderin in der Sozial- und Gesundheitspolitik.» Bevor sie über einen Rücktritt nachdenke, wolle sie die AHV-Abstimmung gewinnen. Die Abstimmung findet am 25. September statt.

Kantonalpräsidentin Marianne Binder (64) will nun das Zepter in die Hand nehmen. Sie sagt gegenüber Blick, sie habe Humbel und Meier zu einem Gespräch eingeladen. «Es gibt offensichtlich Missverständnisse. Aber ich bin zuversichtlich, dass diese ausgeräumt werden können.»

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