SP-Streit um Kostenbremse
Mitte-Initiative sorgt für Zoff unter den Genossen

Am 9. Juni entscheidet das Stimmvolk über die Kostenbremse-Initiative der Mitte. Am Samstag entscheidet die SP, ob sie das Volksbegehren unterstützen will.
Publiziert: 24.02.2024 um 00:55 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2024 um 07:30 Uhr
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Am 9. Juni kommt es zum Showdown um die Gesundheitspolitik: Gleich zwei Volksbegehren stehen zur Abstimmung an. Die Prämienentlastungs-Initiative der SP sowie die Kostenbremse-Initiative der Mitte.

Letztere sorgt nun für Zoff unter den Genossinnen und Genossen. Im Parlament hatte sich die SP-Fraktion noch grossmehrheitlich der Stimme enthalten, doch jetzt empfiehlt der Parteirat die Ja-Parole. «Nach einer ausführlichen Diskussion mit einer knappen Entscheidung», wie SP-Co-Chefin Mattea Meyer (36) gegenüber Blick sagt.

Das Resultat passt einer Gruppe um die SP-Nationalrätinnen Barbara Gysi (59, SG) und Sarah Wyss (35, BS) sowie Neo-Nationalrat Islam Alijaj (37, ZH) nicht in den Kram. Sie empfehlen der SP-Basis die Nein-Parole. Der Entscheid fällt am Samstag am Parteitag in Genf.

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«Gegen Verschwendung und Geschäftemacherei»

Die Kostenbremse-Initiative fordert, dass die Kosten im Gesundheitswesen sich analog zur Gesamtwirtschaft wie auch zu den Löhnen entwickeln sollen. Wenn nicht, sollen Bund und Kantone Massnahmen ergreifen, um den Kostenanstieg zu bremsen und die Prämienexplosion zu stoppen. In der Grundversicherung könnten ohne jeglichen Qualitätsverlust 6 Milliarden Franken jährlich eingespart werden, wirbt die Mitte. So etwa durch tiefere Medikamentenpreise, mehr ambulante statt stationäre Eingriffe oder durch ein elektronisches Patientendossier.

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Rezepte also, hinter denen auch die SP stehen kann. Aus Sicht der Parteispitze fordert die Initiative, dass die von den Versicherten bezahlten Kosten nicht stärker steigen als die Lohnentwicklung, heisst es in den Parteitagsunterlagen. Das sei auch eine SP-Forderung, um die Kaufkraft der breiten Bevölkerung zu schützen.

«Unser Fokus liegt auf einer solidarischen Finanzierung der Krankenkassenprämien», sagt Co-Präsidentin Meyer zu Blick. «Trotzdem besteht auch Handlungsbedarf, um gegen Verschwendung und Geschäftemacherei im Gesundheitswesen vorzugehen.»

Taktische Überlegungen

Doch auch taktische Überlegungen spielen eine Rolle: Sollte die SP als einzige Partei neben der Mitte die Ja-Parole beschliessen, hätte sie deutlich mehr Einfluss bei der Umsetzungsdebatte. Und könnte stärker auf die eigenen Ideen pochen, etwa im Bereich der Prävention oder gegen den «Pseudo-Wettbewerb» bei den Krankenkassen. Zudem wolle sie sicherstellen, dass Pharmakonzerne in der Schweiz nicht länger viel zu hohe Medikamentenpreise abkassieren würden. «Eine Ja-Parole erlaubt es, aufzuzeigen, was die SP kostenseitig vorschlägt», argumentiert die Parteispitze.

Vielleicht steckt auch noch mehr dahinter: So dürfte die SP-Parteispitze im Gegenzug für ein Ja zur Kostenbremse-Initiative auf Unterstützung aus der Mitte für die linke Prämienentlastungs-Initiative hoffen. Einen offiziellen Deal gibt es aber nicht – und die Mitte dürfte an ihrer ebenfalls am Samstag stattfindenden Delegiertenversammlung deutlich die Nein-Parole beschliessen.

Gysi warnt vor Gefahren

SP-Nationalrätin Gysi wird jedenfalls vehement für ein Nein zur Mitte-Initiative kämpfen: Die SP habe sich in verschiedenen Bereichen immer deutlich gegen Kostenbremsen und Automatismen gestellt, schreibt sie in ihrem Antrag.

Als Negativbeispiel hebt sie die Schuldenbremse im Bundeshaushalt hervor: Diese sei seit Anbeginn ein Ärgernis. «Sie zeigt, wie Druck aufgebaut wird und dass Abbau- und Sparpläne sicher nicht dort umgesetzt werden, wo wir ansetzen würden», moniert Gysi. Die SP versuche seit Jahren vergeblich, die Schuldenbremse verträglicher auszugestalten und finanzpolitisch mehr Spielraum zu verschaffen.

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Die Initiative fokussiere einseitig auf die Wirtschaftsentwicklung und blende demografische und medizinisch-technische Entwicklungen aus, warnt die Gesundheitspolitikerin. «Das birgt grosse Gefahren und führt zu einseitigen Sparübungen am falschen Ort.» So befürchtet Gysi etwa höhere Franchisen und Kostenbeteiligungen für die Patienten, Einschränkungen beim Leistungskatalog oder Sparmassnahmen beim Personal.

Showdown in Genf

In Genf entscheidet sich, welches Lager sich durchsetzt. Die SP-Basis ist jedenfalls immer wieder mal für Überraschungen gut und wirft auch Empfehlungen der Parteispitze über den Haufen. So drückte die Basis den SP-Oberen etwa 2018 das Referendum gegen die Sozialdetektive aufs Auge. Im Jahr davor verweigerte sie sich dem Ansinnen, die Abschaffung der Armee oder die Überwindung des Kapitalismus aus dem Parteiprogramm zu streichen.

Auf welche Seite das Pendel schlägt, wagen weder Gysi noch Meyer zu prognostizieren. «Meines Erachtens ist alles offen», so Gysi. Und Meyer: «Es wird bestimmt spannend.»

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