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Stephan Jakob (62), Chefarzt für Intensivmedizin am Berner Inselspital
«Masken können vor schweren Verläufen schützen»

Die Behandlung von Corona habe sich nur unwesentlich geändert, sagt Stephan Jakob (62), Chefarzt für Intensivmedizin am Inselspital in Bern. Einen Einfluss hätten die Masken: Denn je mehr Viren man aufliest, desto stärker erkrankt man.
Publiziert: 08.10.2020 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2020 um 23:00 Uhr

BLICK: Herr Jakob, während die Corona-Neuinfektionen ansteigen, sind die Hospitalisierungen relativ stabil. Wie erklären Sie sich das?
Stephan Jakob: Alles in allem sehen wir günstigere Krankheitsverläufe. Dafür gibt es aus meiner Sicht zwei Erklärungen. Einerseits stecken sich eher jüngere Menschen an, die meist weniger schwer erkranken. Andererseits gehen wir davon aus, dass das Tragen einer Maske einen Einfluss hat. Man kann sich zwar trotz häufigem Masketragen anstecken. Aber wenn, dann kann die Menge an Viren geringer sein und damit auch der Verlauf der Erkrankung weniger schwer.

Weniger Viren bedeuten, dass man weniger schwer erkrankt?
Ganz genau. Wobei die Maske allein nur ein Teil des Schutzes ist. Wer zum Beispiel Maske trägt, wird es vermutlich auch mit der Handhygiene genauer nehmen, respektive sich auch weniger mit den Händen ins Gesicht greifen. Damit wird die Virenlast reduziert.

Könnte sich nicht auch das Coronavirus abgeschwächt haben?
Das bezweifle ich. Man weiss zwar inzwischen, dass es Mutationen gibt, das ist für Viren auch normal. Aber es gibt keine Anhaltspunkte, dass diese weniger gefährlich sind.

Während die Fallzahlen steigen, ist die Anzahl der Menschen, die wegen Corona im Spital liegen, einigermassen stabil.
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Was hat sich bei der Behandlung im Vergleich zum Frühling verändert?
Die Unterschiede sind nicht so gross. 95 Prozent des Erfolges sind gute Intensivmedizin und professionelle Pflege. Medikamente machen den Rest aus, dort hat sich der Einsatz aber nur graduell geändert.

Was hat sich bei den Medikamenten verändert?
Es sind vor allem zwei Medikamente: das Steroid Dexamethason als Entzündungshemmer sowie Medikamente, die das Blut verdünnen. Die Steroide hat man am Anfang zwar auch eingesetzt, aber zurückhaltender, da sie etwa bei der normalen Grippe eher schaden.

Sind diese Medikamente denn matchentscheidend?
Das nicht – entscheidend ist wie gesagt eine gute Intensivmedizin. Aber man muss das im Kontext zum Anfang der Pandemie sehen. Bei einer Krankheit, die man nicht kennt, hat man die Tendenz, alles auszuprobieren, was helfen könnte – und das kann auch gefährlich sein. Wir in der Deutschschweiz konnten von den Erfahrungen jener profitieren, die schon früher mit Corona konfrontiert waren.

Man liest vieles über Remdesivir ...
Das kann zwar den Krankheitsverlauf verkürzen, aber auf die Sterblichkeit hat Remdesivir keinen Einfluss. Wenn jemand erst einmal auf der Intensivstation liegt, vermehrt sich das Virus häufig nicht mehr und es ist deshalb für Remdesivir zu spät.

Apropos Sterblichkeit: Auch diese ist gesunken. Wie passt das zusammen, wenn sich die Behandlung doch nur graduell verändert hat?
Bei älteren Patienten mit Vorerkrankungen ist das Sterberisiko kaum gesunken. Eine Erklärung kann die Lage im Frühling sein: Wenn ein Spital von Patienten überrannt wird, kann das ein Problem werden – wenn etwa geschultes Intensivpersonal fehlt. Im Inselspital war das zum Glück nie der Fall, wir hatten nie mehr als 15 Corona-Patienten gleichzeitig.

Erwarten Sie in den kommenden Wochen den grossen Anstieg?
Ich hoffe nicht! Gesamtschweizerisch nehmen zwar die Zahlen auch auf den Intensivstationen wieder zu. Es wird jetzt darauf ankommen, ob die Leute die Massnahmen einhalten.








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