Streit, Schockstarre, Unmut – Buchauszug enthüllt spannende Details
Die letzten 96 Stunden der Credit Suisse

Finanzministerin Karin Keller-Sutter und CS-Lenker Axel Lehmann gingen aufeinander los, die UBS triumphierte: Auszug aus dem Buch zum Ende der Credit Suisse.
Publiziert: 19.10.2023 um 12:40 Uhr
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Aktualisiert: 16.01.2024 um 14:03 Uhr
Dirk Schütz
Bilanz

Karin Keller-Sutter hatte schon bei ihrem Antritt im Bundesrat auf das mächtige Finanzdepartement spekuliert. Als langjährige Regierungsrätin in St. Gallen verfügte sie über ausgeprägte Exekutiverfahrung. Sie hatte sich in jungen Jahren an der Dolmetscherschule Zürich zur Konferenzdolmetscherin ausbilden lassen und kurz in London und Montreal gelebt.

Auch über etwas Erfahrung in einer Finanzfirma verfügte sie: Sie hatte sechs Jahre im Verwaltungsrat der Baloise gesessen. Der Versicherer war zwar in der Schweiz nur die Nummer fünf und hatte mit Wall Street und Londoner City eher wenig Berührungspunkte. Aber immerhin – im Vergleich zu den anderen Bundesratsmitgliedern kannte sie die Abläufe in einer börsenkotierten Finanzfirma.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

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Ihr Aufstieg in Bern war gradlinig. 2011 war sie im ersten Wahlgang für ihren Kanton in den Ständerat gewählt worden, 2017 übernahm sie das Präsidium der zweiten Kammer. Die Wahl in den Bundesrat als Nachfolgerin des Wirtschaftsministers Johann Schneider-Ammann gelang ihr im Dezember 2018. Doch als Novizin blieb ihr nur das Justizministerium. Als das Finanzdepartement frei wurde, griff die 58-Jährige zu und übernahm den Bernerhof. Ihr Ruf: diszipliniert, akribisch, proaktiv.

UBS-Präsident Colm Kelleher und Finanzministerin Karin Keller-Sutter an der Medienkonferenz vom 19. März.
Foto: keystone-sda.ch
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KKS bekam nicht mal ein Dossier von Maurer

Als sie nach der Weihnachtspause ihren neuen Posten antrat, war das Erstaunen gross: Eine formale Übergabe war ohnehin ausgeblieben, aber ihr Vorgänger hatte ihr nicht einmal ein Dossier zur Krisenbank hinterlassen. Eine FDP-Magistratin unterstützen? Bloss nicht. Da wurde Maurer zum Abschluss seiner in den letzten Jahren durchaus staatsmännischen Amtszeit wieder zum harten SVP-Wahlkämpfer, der er in seinen zwölf Jahren als Parteichef gewesen war. Er konnte aber auch darauf vertrauen, dass seine beflissene Staatssekretärin Daniela Stoffel seine Nachfolgerin briefen würde.

Ein Sparschwein bekam sie, aber kein CS-Dossier: Karin Keller Sutter und Ueli-Maurer bei der Amtsübergabe.
Foto: keystone-sda.ch

Es war der 11. Januar, an dem die neue Finanzministerin mit voller Wucht in das CS-Dossier einstieg. Das Lenkungsgremium Finanzkrisen traf sich zum ersten Mal unter ihrer Leitung. Jordan, Amstad, dazu die vier Mitglieder des Ausschusses. Die Weihnachtspause hatte gutgetan, selbst den CS-Aktionären.

Der Kurs war zu Jahresbeginn zurück über die Drei-Franken-Marke gesprungen. Es sah so aus, als könnte der Plan A – wir machen nichts – funktionieren. Keller-Sutter liess sich aufdatieren, drängte aber sofort auf eine Bestandesaufnahme: Das Gremium sollte ein Papier über den aktuellen Stand ausarbeiten, das sie dem Gesamtbundesrat vorlegen wollte. Als Justizministerin hatte Keller-Sutter das Finanzdepartement als Abschottungsbehörde wahrgenommen. Das sollte sich ändern. Am Nachmittag desselben Tages nahm sie zum ersten Mal als Finanzministerin an der Bundesratssitzung teil und kündigte dort die Standortanalyse an. Die Präsentation wurde auf den 1. Februar terminiert.

UBS war nicht bereit

An jenem 11. Januar fand noch ein anderer wichtiger Termin an ihrem neuen Amtssitz statt. Zweimal im Jahr traf sich der Departementsvorsteher mit den Spitzen der Schweizer Finanzindustrie zu einem Austausch, und dieser Termin war schon länger auf diesen zweiten Mittwoch im Januar festgelegt. Zum ersten Mal traf Keller-Sutter auf die geballte Macht der heimischen Finanzwirtschaft: die Präsidenten von UBS, Credit Suisse, Zürich-Versicherung, Swiss Re und einigen mehr.

Auch die drei Männer, die das Schicksal gut zwei Monate später eng zusammenführen sollte, waren in den Bernerhof gekommen: Sergio Ermotti, Colm Kelleher und Axel Lehmann. Heikle Themen wurden dort nicht in grossem Kreis besprochen, es ging um Konjunktureinschätzungen zum Jahresbeginn und das bevorstehende WEF in Davos. Ermotti wusste von dem Interesse der Lenker seiner Ex-Bank an seiner Rückkehr im Fall der Zwangshochzeit, der Draht war eng. Es blieb auch Zeit für ein kurzes Gespräch zwischen Keller-Sutter und Lehmann. Doch mehr als Floskeln tauschte man nicht aus. Aber im Umfeld der Ministerin war zu spüren: Wirklich überzeugt war sie von Lehmann als Krisenmanager nicht.

UBS-Präsident Kelleher hatte im Januar einen Termin für einen separaten Antrittsbesuch vereinbart, und so kam er zusammen mit seinem Vizepräsidenten Lukas Gähwiler zum zweiten Mal in kurzem Abstand in den Bernerhof. Jetzt war die CS sehr wohl ein Thema. Die UBS-Lenker teilten der Finanzministerin den Beschluss ihres Verwaltungsrats vom Dezember mit: Sie hätten kein Interesse an einer Übernahme. Aber natürlich, im Notfall stünde man bereit. Man müsste aber gebeten werden.

Schockstarre auf allen Seiten

Doch hinter den Kulissen lief die von Kelleher angeworfene Maschinerie bereits auf Hochtouren. Sein einstiger Morgan-Stanley-Mitstreiter Colm Donlon, für Schweizer Rechtsfragen unterstützt vom Bär-&-Karrer-Schwergewicht Rolf Watter, bereitete ein Papier vor, das die Forderungen der UBS für den Fall einer Zwangsheirat detailliert auflistete.

Lehmann fand jedoch keine Zeit für einen separaten Antrittsbesuch, obwohl das Finanzdepartement offenbar mehrfach nachfragte. Bei der Finanzministerin stieg der Unmut. Auch die Finma war zunehmend enerviert über das Verhalten des Präsidenten, den sie als wenig kooperativ empfand – er weigerte sich weiterhin, einen Plan B zu liefern. Lehmann vertraute offenbar auf die ungeschriebene Abmachung, die er mit Maurer und Jordan getroffen hatte. Hoffen, dass die Sanierung funktionierte – und wenn nicht: ein Notwochenende.

Gefordert: Karin Keller-Sutter.
Foto: keystone-sda.ch

Am 1. Februar präsentierte Keller-Sutter im Bundesrat ihr Papier, das im Lenkungsgremium erstellt worden war. Sie nannte die vier möglichen Lösungen: Sanierung, Verstaatlichung, Liquidation, Zwangsverkauf. Eine Präferenz vermied sie zu diesem Zeitpunkt noch.

Verstaatlichung ein No-Go

Aber mit dem Wechsel im Finanzdepartement hatte doch eine Gewichtsverschiebung stattgefunden: Eine Verstaatlichung war für die FDP-Magistratin Keller-Sutter ein absolutes No-Go. Maurer hatte noch die Notwendigkeit von zwei Banken betont, was de facto im Krisenfall eine Übernahme durch den Staat bedeutet hätte. Und auch Jordan war gegenüber dieser Lösung offener – sie hätte das Nationalbank-Exposure minimiert. Keller-Sutter dagegen bewegte sich eher auf der Linie, die Ermotti schon im September in der «NZZ am Sonntag» formuliert hatte: «Nein», hatte der Tessiner auf die Frage geantwortet, ob die Schweiz zwei Grossbanken für ihre Volkswirtschaft brauche – eine klare Absage an die Nostalgikerfraktion.

Für die liberale FDP waren Staatseingriffe ein noch grösseres Übel als für die SVP, die sich zwar gern als Anti-Staats-Partei positionierte, in der Praxis aber, vor allem in der Agrarpolitik, durchaus wendig agierte. Zudem: An der Urne wäre eine Verstaatlichung für die FDP verheerend gewesen. Und die Schweiz befand sich einem Wahljahr: Die Parlamentswahlen waren auf den 22. Oktober terminiert.

Keller-Sutter informierte den Bundesrat auch, dass sie die von Jordan in Aussicht gestellten 50 Milliarden Franken Liquiditätshilfe als deutlich zu tief erachte. In einem anderen Punkt informierte sie den Bundesrat dagegen gemäss Jordans Linie: Eine Rettung müsse an einem Wochenende geschehen. Und es würde auf jeden Fall Notrecht brauchen.

Unmut über Lehmann stieg

Mit der Ruhe war es vorbei am 9. Februar, dem Tag der Ergebnispräsentation durch die CS, seit Wochen im Kalender vermerkt. Nicht nur waren die Zahlen deutlich schlechter als erwartet, auch flog die Schönrednerei von Lehmann und Maurer auf: Die Abflüsse hatten sich im ganzen Dezember fortgesetzt, die Rückzüge der mehr als 130 Milliarden Franken im vierten Quartal waren in absoluten Zahlen die grösste Kapitalflucht der Schweizer Bankengeschichte.

Der Kurs fiel wieder auf 2.75 Franken, die CDS-Spreads schossen in die Höhe. Jetzt musste allen Beteiligten endgültig klar sein: Die Bank war nicht mehr zu retten. Wieder stand die Nationalbank kurz vor der Aktivierung der Liquiditätshilfe. Doch sie drückte nicht auf den Knopf. Die Passivität auf allen Seiten hielt an. Es war fast eine Art Schockstarre.

Besonders bei den Berner Behördenlenkerinnen Keller-Sutter und Amstad stieg der Unmut über Lehmann. Im Finanzdepartement wurde der Präsident als renitent wahrgenommen. Man nannte ihn schon den «Brian der Finanzindustrie» – Brian war der bekannteste Wiederholungsstraftäter der Schweiz, der dutzendfach wegen Gewaltdelikten verurteilt worden war und den Behörden fast schon lustvoll auf der Nase herumtanzte. Die Finma hatte in der letzten Dekade die Rekordzahl von zehn Enforcement-Verfahren gegen die CS eingeleitet, wovon allerdings nur sechs öffentlich geworden waren. Genutzt hatte es nichts. Die wildeste Grossbank der Welt hatte die Regulatoren heillos überfordert.

Doppeltes Warnsignal

Nur aufseiten der Nationalbank war die Stimmung etwas milder. Lehmann hielt einzig zu Jordan, den er als die starke Person auf der Troika-Seite ausgemacht hatte, den direkten regelmässigen Kontakt. Aber wirklich einsetzen für die CS wollte sich auch die Nationalbank nicht mehr – die ewigen Störfälle hatten auch sie zermürbt. Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Jordan die CS zu einer überfälligen Kapitalerhöhung verdonnert, er hatte sich bei den US-Behörden mit seiner ganzen Autorität gegen den Lizenzentzug nach dem Kriminelle-Organisation-Schuldgeständnis eingesetzt. Irgendwann reichte es.

Wie geladen die Stimmung gegenüber dem CS-Präsidenten war, zeigte sich am 21. Februar. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete, dass die Finma eine Untersuchung gegen Lehmann wegen dessen zu positiven Aussagen zu den Geldabflüssen im Dezember gestartet hatte.

Es war ein doppeltes Warnsignal: Dass die Aufseher mehr als zwei Monate nach den Aussagen die Untersuchung lostraten, signalisierte ein stark gestiegenes Unwohlsein. Und vor allem: Die Behörde legte auf Diskretion höchsten Wert, nur einen kleinen Teil ihrer zahlreichen Verfahren legte sie offen.

Dass da auf wundersame Weise die Information über die Untersuchung gegen Lehmann – wohlgemerkt kein formales Verfahren – an die Öffentlichkeit gelangte, war sehr ungewöhnlich. Die Bank kämpfte ums Überleben. Und weil sich der Präsident weigerte, einen Plan B vorzulegen, ging der Regulator öffentlich auf ihn los.

Doch Lehmann beharrte auf seinem Punkt, er hatte die Rückendeckung von Jordan, und hier lag er mit seiner Einschätzung wohl auch richtig: Für eine geordnete Fusion mit der UBS war es längst zu spät. Er hatte wie abgesprochen den virtuellen Dataroom für eine Notübernahme hochgefahren.

AT-1-Anleihen wurden plötzlich zentral

Später sollte noch ein anderes interessantes Faktum bekannt werden. Die AT-1-Anleihen, die Nachfolger der Cocos, die die CS unter Dougan und Rohner einst als Wundermittel der aktienschonenden Kapitalaufnahme so stark gepusht hatte, spielten zu diesem Zeitpunkt bereits eine bedeutende Rolle – und das sollte für die folgende Klagewelle zentral werden.

Es war die Finma, die seit Ausbruch der Krise im Oktober die Abschreibung dieser Anleihen im Falle des CS-Untergangs stets als probates Instrument angezeigt hatte. In den Diskussionen mit Finanzdepartement und Nationalbank waren die AT-1-Anleihen zwar nie ein grosses Thema. Ihre Abschreibung war für die Finma aber über all die Monate stets Teil der Planung. Wenigstens ein kleiner Teil der «Too big to fail»-Gesetzgebung sollte zur Anwendung gelangen.

Die CS hatte ihren Mitarbeitern diese spezielle Anleihenform als Boni gezahlt, sie nannte sie nur anders: nicht AT-1-Anleihen, sondern Contingent Capital Awards (CCAs). Es ging um grosse Beträge: Insgesamt waren bis Ende 2022 gegen 360 Millionen Franken ausstehend, vor allem für Mitarbeiter ab der zweiten Führungsstufe. Am 12. Januar benachrichtige die CS die Finma per Mail, dass sie die Awards nicht mehr als AT-1-Anleihen klassieren würde. Sie wären deshalb aus ihrer Sicht von einer Abschreibung im Notfall nicht betroffen.

Das Konkursszenario war also reell: Körner und Lehmann wussten genau, dass im Notfall eine Abschreibung der AT-1-Anleihen drohte. Ihr scharfer Hausjurist Markus Diethelm hatte das Gegendispositiv hochgefahren. Das war ihre Form der Vorbereitung auf den Crash: die eigenen Boni sichern.

Doch das Manöver schlug fehl: Nach dem Ende der CS sollte die Finma die Boni für wertlos erklären.

Wenn die Finma Lehmann ein weiteres Mal nach einem Plan B fragte, antwortete der belagerte CS-Präsident nur: Kelleher habe sich nicht bei ihm gemeldet. Doch warum hätte der UBS-Präsident das tun sollen? Die CS wurde mit jedem Tag billiger.

Er musste nur warten.

Durchhalteparolen am 8. März

Es brauchte den Schock von aussen, der das Kartell der im Prinzip Hoffnung Vereinigten zusammenbrechen liess. Am 8. März hatten Körner und Lehmann mehr als 100 Führungskräfte zu einem Strategiemeeting im noblen CS-Tagungszentrum Bocken in Horgen mit atemberaubendem Blick über den Zürichsee zusammengezogen. Die Botschaft lautete: Alles gut, durchhalten, wir schaffen das.

Doch es passte zur Unglückssträhne, dass just an diesem Tag eine neue Hiobsbotschaft die Bank erreichte: Die US-Börsenaufsicht SEC hatte am Vorabend der geplanten Veröffentlichung des Geschäftsberichts noch spezielle Daten zu Cashflow-Angaben aus den Jahren 2019 und 2020 angefordert. Die Bank hatte daraufhin die Veröffentlichung des Berichts verschoben.

Es war ein weiteres Misstrauenssignal, das die CS weltweit weiter in die Ecke drängte. Selbst die Revisoren von PwC verweigerten die Zustimmung. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Finanzchef David Mathers auch hier seit längerer Zeit auf Verschleppung gesetzt hatte. Dass die SEC just am Vorabend der geplanten Veröffentlichung mit dieser Anfrage kam, liess sich durchaus auch als eine Revanche interpretieren.

Doch auch hier gab sich die Führung gegen aussen sportlich. Wer etwa Konzernchef Körner am Tag der Verschiebung fragte, ob es nicht längst einen Plan B brauche, bekam die schöne Erwiderung: Auf diese Frage gebe es eine kurze und eine lange Antwort. Die kurze: nein. Und die lange: Es brauche keinen.

Das Unvermeidliche geschah

Am nächsten Tag passierte dann das, was bei einer so abrupten Zinswende eigentlich unvermeidlich war: Die erste Bank brach zusammen. Es traf die Silicon Valley Bank im fernen Kalifornien. Vorher hatte sie kaum jemand gekannt. Jetzt wurde sie für die CS zum Boten des Untergangs.

Der Kollaps geschah am Freitag, dem 10. März, und sendete Schockwellen durch das globale Finanzsystem. Der Zufall wollte es, dass sich der mächtigste Bund der Weltwirtschaft am Abend zu seinem hochgeheimen Treffen einfand – wie üblich in der Schweiz. In der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dem Treffpunkt aller Notenbankchefs, trafen die Währungslenker zu ihrem zweimonatlichen Rendez-vous ein. Von Fed-Chef Jerome Powell über EZB-Lenkerin Christine Lagarde bis Andrew Bailey von der britischen Notenbank – sie alle waren geladen. Und natürlich auch Thomas Jordan.

Die Nervosität war gross. Leitwolf Powell, dem als weltmächtigstem Notenbanker der Vorsitz zukam, wirkte so besorgt wie noch nie bei seinen Basel-Besuchen. Durch die Pleite der Silicon Valley Bank drohe eine neue Finanzkrise, so seine Befürchtung. Denn auch die Silicon Valley Bank verfügte über satte Kapital- und Liquiditätsquoten – wie die CS. Die Angst war gross: Wenn das Virus auf eine der 30 systemrelevanten Banken überspringt, taumelt das gesamte Finanzsystem. Und alle wussten: Der kranke Mann des globalen Bankings sass in Zürich – ihn würden die Börsenhyänen zuerst anfallen. Entspannt konnte Jordan die Heimreise aus Basel nicht antreten.

Notsitzung des Lenkungsgremiums

Am nächsten Tag nahmen die Abflüsse stark zu. Doch das hinderte Körner nicht daran, am Dienstag bei der grossen Morgan-Stanley-Finanzkonferenz in London, einem renommierten Branchentreffen, die Lage schönzureden – er setzte einfach das Verhalten fort, das bei seinem Präsidenten zur Finma-Untersuchung geführt hatte.

Am Montag habe die CS einen guten Zufluss an Kundengeldern verzeichnet («Material Good Inflows»). Körner fügte hinzu, die Liquiditätssituation habe sich seit Ende Jahr verbessert, die entsprechende Kennzahl, die «Liquidity Coverage Ratio», sei von 144 auf 150 gestiegen. Diese Aussagen führten an diesem Dienstag dazu, dass der Kurs der arg gebeutelten CS-Aktie stieg. Die Finma-Verantwortlichen wunderten sich einmal mehr. Sie erhielten jetzt fast stündlich die Abflusszahlen, und die waren beträchtlich. Es herrschte höchste Alarmstufe.

Es brannte, und Finanzstaatssekretärin Daniela Stoffel schlug Alarm. Auf ihr Geheiss hin berief Amtschefin Keller-Sutter auf den nächsten Tag eine Notsitzung des Lenkungsgremiums im Bernerhof ein. Jordan und Schlegel mussten wieder in die Hauptstadt kommen. Fünfeinhalb Monate lang, nach dem Tweet des Australiers David Taylor, wollten alle Beteiligten diesen Moment unbedingt vermeiden. Jetzt war er da.

Es begannen die wildesten 96 Stunden der Schweizer Bankengeschichte, eingeläutet am 15. März, dem neuen schwarzen Mittwoch des Swiss Bankings.

Ein Nein aus Riad

Lehmann war an eine Konferenz des saudischen Finanzministeriums nach Riad geflogen, auch als Ehrerbietung für den neuen Grossaktionär Ammar al-Khudairy von der Saudi National Bank. Mit ihm hatte er sich zum Lunch verabredet. Morgens hatte er noch auf einem Panel betont, dass seine Bank keinesfalls Staatshilfe benötige, was zu diesem Zeitpunkt formal noch korrekt war. Als er anschliessend durch das Konferenzzentrum schlenderte, sah er auf den grossen TV-Schirmen, wie sein Grossaktionär bei Bloomberg ein Interview gab.

Auf die Frage, ob die Bank für weitere Geldspritzen offen sei, sagte al-Khudairy: «Die Antwort lautet: absolut nicht, und zwar aus vielen Gründen, abgesehen vom einfachsten Grund, nämlich dem regulatorischen und gesetzlichen.» Nichts Neues eigentlich, aber für die hypernervösen Finanzmärkte eben schon: Der CS-Kurs brach ein. Dass viele Investoren in den hastig verbreiteten Meldungen den Satz «SNB does not stand behind Credit Suisse» in der Panik auf die Nationalbank bezogen, war wenig hilfreich – der saudische Investor und die Schweizer Nationalbank haben das gleiche Kürzel.

Das Ende war schon besiegelt

Den Lunchtermin mit seinem Investor nahm Lehmann noch wahr. Es gab lokale Spezialitäten, doch Lehmann war nicht im Genussmodus – in der Heimat war die Hölle losgebrochen, Riad hatte zwei Stunden Zeitvorsprung auf Zürich. Al-Khudairy entschuldigte sich mehrere Male, nur wenige Tage später sollte ihn der Fauxpas den Job kosten. Doch Lehmann hörte nicht wirklich zu. Er verbrachte den Grossteil des Lunchs am Telefon mit der Zentrale in Zürich. Die Abflüsse waren gigantisch. Der neuerliche Bank Run, drei Tage zuvor von Fed-Chef Powell in Basel noch als Horrorszenario skizziert, war Realität geworden. Dieses Mal war es sogar schlimmer als im Oktober.

Doch was Lehmann nicht wusste: Zu dieser Zeit war das Ende seiner Bank schon besiegelt. Denn im Bernerhof hatte das staatliche Rettungskommando entschieden: Jetzt aktivieren wir unseren Plan B – den Notverkauf an die UBS. Beobachter sahen Keller-Sutter aus dem Bernerhof laufen. Es ging nach Zürich – zur dortigen Dependance der Finma an der Wasserwerkstrasse. Die Finma besetzte in dem architektonisch eher herausgeforderten Zweckbau in Bahnhofsnähe sechs Etagen. Die Sitzungszimmer lagen im Parterre und waren nach Zürcher Wahrzeichen benannt: Paradeplatz, Grossmünster, Primetower.

Um 14 Uhr erreichte Kelleher der Anruf von Thomas Hirschi, dem Finma-Leiter für die Bankenregulierung. Das Telefonat, das so lange in der Luft gelegen hatte, war für den Präsidenten kaum mehr eine Überraschung. Aber dennoch, so sollte er es später schildern, konnte er nach Beendigung des Anrufs zwei Minuten nicht sprechen. Er fühlte sich wie benommen: Die Grenzerfahrungen aus der Finanzkrise stiegen wieder in ihm hoch. Es waren die zehrendsten Tage seines Berufslebens, die er 15 Jahre zuvor erlebt hatte. Jetzt ging es wieder los.

Ein weiterer Terminzufall: Kelleher hatte ohnehin für diesen Mittwoch ein Treffen am Zürcher Finma-Sitz mit Hirschi vereinbart. Der neue Termin, jetzt allerdings mit historischer Dimension, wurde auf 16 Uhr gelegt. Kelleher rief umgehend seinen CEO Ralph Hamers an, der ebenfalls an der Morgan-Stanley-Konferenz in London teilgenommen und dort betont hatte, dass die UBS an der CS kein Interesse habe.

Hamers wollte sich per Video zuschalten, doch das akzeptierte Kelleher nicht – bei einer derart wichtigen Sitzung sei die virtuelle Präsenz unpassend. Der Präsident bot andere Mitstreiter auf für das wohl wichtigste Meeting der UBS-Geschichte seit der Fusion mit dem Bankverein 25 Jahre zuvor: seinen Vizepräsidenten Lukas Gähwiler, Rechtschefin Barbara Levi und Markus Baumann, den Sekretär des Verwaltungsrats. Dass Hamers nicht per Video dabei sein durfte, zeigte die nicht mehr ganz so feinen Risse zwischen den UBS-Lenkern. Das sollte auch die Gegenseite am Verhandlungstisch registrieren.

UBS hatte den Plan im Gepäck

Es hätte ein netter Spaziergang an diesem frühlingshaften Märztag werden können, der Wetterbericht verhiess «sonnige Abschnitte». Vom UBS-Hauptsitz waren es knapp 1500 Meter zur Finma-Dependance. Der Fussweg führte durch einen Park und vorbei am Platzspitz, dem einst berüchtigten Drogenumschlagplatz der Stadt, dann über eine kleine Brücke über die Limmat. Doch für Musse blieb keine Zeit. Die vier UBS-Oberen fuhren mit zwei Firmenlimousinen bei der Finma vor – und sie hatten ihren längst detailliert ausgearbeiteten Plan im Gepäck.

Keller-Sutter, Jordan, Amstad und die vier Ausschussmitglieder Schlegel, Angehrn, Stoffel und D'Amelio-Favez erwarteten sie. Die Botschaft war unmissverständlich: Ihr müsst die Credit Suisse übernehmen. Das nötige Pathos fehlte nicht: Es gehe um nichts weniger als die Rettung des Finanzsystems. Als Alternativen nannten die Behördenvertreter nur die Liquidation – und die war eigentlich keine. Dass es eine weitere Möglichkeit gab – die Verstaatlichung –, wurde mit keinem Wort erwähnt. Das stärkte wiederum die Position der UBS.

Eine Seite mit elf Forderungen

Die UBS-Oberen legten einen Einseiter auf den Tisch, der genau elf Forderungen detailliert auflistete. Die wichtigste: keinerlei Auflagen für die Integration des Schweiz-Geschäfts. Dass die UBS bei einer regulären Übernahme heftige Gegenwehr von den Wettbewerbsbehörden zu erwarten hätte, hatte in den internen Analysen immer als grösste Hürde des Deals gegolten. Jetzt müsse sie fallen, so das unmissverständliche Postulat. Zwei Forderungen betrafen die Finanzseite: Staatsgarantien vom Bund und Liquiditätshilfen von der SNB müssten zugesichert werden. Über die Höhe gab es schon erste Diskussionen. Doch es ging noch nicht in die Details.

Dazu kamen acht weitere Forderungen: kein Aufpreis auf den aktuellen CS-Marktwert, Kontrolle über die Rechtsstruktur, Anerkennung des Badwills bei der Übernahme des CS-Eigenkapitals, keine Restriktionen für Aktienrückkäufe, volle Offenlegung der Finma-Informationen zur CS, sofortiger Zugang zur ersten CS-Führungsstufe, Kontrolle über die CS-Kommunikation und ein Statement, dass die UBS von den staatlichen Behörden um diese Übernahme gebeten wurde.

Und schon wieder AT-1

Was im Nachhinein besonders wichtig werden sollte: Die Abschreibung der AT-1-Anleihen stand nicht auf der Liste. Denn wenn die Bank diesen Schritt gefordert hätte, wäre sie zum Ziel der absehbaren heftigen Rechtsklagen geworden. Das war dem Rechtsteam um Barbara Levi und Rolf Watter offenbar bewusst. Das Duo achtete penibel darauf, dass in der ganzen Dokumentation über die Übernahme nirgends die Forderung nach der Abschreibung dieser Anlageinstrumente auftauchte. Offenbar hatte es bereits Signale erhalten, dass die Finma die Abschreibung der AT-1-Anleihen ohnehin plane.

Die UBS hatte selbst mehrere AT-1-Anleihen ausstehend und kannte die Mechanismen deshalb genau. Debattiert wurde an dieser ersten Sitzung nicht über die Abschreibung. Für die UBS gehörten sie in das Paket der Staatsgarantien, über deren konkrete Ausgestaltung an diesem Mittwoch noch nicht gesprochen wurde. Aber natürlich wussten die UBS-Oberen, dass keine Bank der Welt so viele AT-Anleihen ausstehend hatte wie die CS: 17,1 Milliarden Franken.

Und die Haltung war intern auch klar definiert: Wenn wir das AT-1-Kapital nicht bekommen, muss der Bund eben mehr zahlen. Nach gut einer Stunde setzten sich die vier UBS-Granden wieder in ihre Limousinen und fuhren davon. Die Sitzungsteilnehmer wirkten gefasst, aber fast schon eingeschüchtert. «Das sind keine Pestalozzis», sollte Keller-Sutter später berichten. Am Ende erfüllten die Behörden alle elf Forderungen.

Der Ton wurde schärfer

Anschliessend wurde der Ton schärfer. Überrascht von der dramatischen Wendung konnte auch die CS-Führung nicht gewesen sein – Lehmann wusste ja von den Plänen zur UBS-Notübernahme. Weil der Präsident in Riad war, kam es zu einem Videocall, aus London war auch Körner zugeschaltet. Der hatte am Morgen noch ein Interview für die Sendung «Asia Tonight» des Börsensenders CNBC gegeben und dort die Solidität der Bank und die Übererfüllung des Umbauplans betont. Und ja, er freue sich auf die alljährliche CS-Investmentkonferenz in Hongkong von nächster Woche.

Jetzt sank die Freude rapide. Die unmissverständliche Botschaft: Ihr werdet von der UBS übernommen – oder ihr geht in Konkurs. Das Gespräch war kurz, Diskussionen gab es keine, auch wenn die CS-Oberen versuchten, Gegenargumente anzubringen: Es handle sich um eine Delle, man benötige lediglich etwas Liquidität, dann würde man auch diesen Ansturm überstehen. Doch dieses Mal funktionierte das ewige Vertrösten nicht mehr. Das Spiel war vorbei. Das Geld lief weiter aus der Bank, die CDS-Werte schossen in die Höhe, der Kurs taumelte.

Direkt nach dem Gespräch rief Lehmann in seinem Hotelzimmer in Riad seinen Verwaltungsrat per Videokonferenz zusammen und überbrachte die triste Nachricht. Dann organisierte er einen Nachtflug nach Zürich.

Der Bankspitze blieb nichts anderes übrig, als den Notfall auszurufen und gemäss vorher festgelegtem Szenario bei der Nationalbank Liquidität anzufordern. Das Communiqué dazu verschickten Finma und Nationalbank aber erst später, um 20.10 Uhr. Es sollte beruhigend wirken: Die CS erfülle die «Anforderungen an Kapital und Liquidität». Doch das stimmte schlicht nicht.

Schwächstes Glied Finma

Die Behörden griffen jetzt zu einem Mittel, das sie der CS immer vorgeworfen hatten: Schönrederei. Das Statement war börsenrelevant, und jeder private Player hätte dafür wegen Marktmanipulation belangt werden können: Besitzer von AT-1-Anleihen und auch Aktionäre kauften aufgrund des Statements sogar noch zu – die Regulatoren hatten etwas kreiert, was sie sonst selbst mit einem Verfahren ahndeten: einen sogenannten «False Market» im Börsenjargon. Bei der Nationalbank hielt man dann intern auch fest, dass die Finma auf dieses Statement gedrängt habe und unbedingt die Nationalbank als Stabilitätspfeiler im Boot haben wollte. Es zeigten sich feine Risse zwischen den Behörden. Die Finma war während der gesamten Rettungsaktion das schwächste Glied in der Kette.

Hamers kam am Mittwochabend zurück nach Zürich und kontaktierte am Donnerstagmorgen Körner, um Zugang zu den Daten zu bekommen – eine Speed Due Diligence. Den virtuellen Dataroom hatten Lehmann und Körner ja auf Geheiss von Jordan längst vorbereitet. Das UBS-Team hatte nur 48 Stunden Zeit: Am Samstag sollte Hamers seinem Verwaltungsrat eine Einschätzung inklusive Kaufpreis vorlegen.

Die CS schickte die Entschlüsselungscodes für ihre Kerndaten, noch immer widerwillig, mehrere Dutzend Spezialisten aus den verschiedenen Bankbereichen analysierten erstmals intensiv die Zahlen des Rivalen. Alles lief digital, Treffen gab es keine. Derweil lief das Geld nur so aus der Bank. Jetzt, als der Ernstfall da war, sah sich Jordan in seiner in den letzten Monaten mehrfach geäusserten Befürchtung bestätigt: Liquiditätshilfe ohne einen Sanierungsplan war kontraproduktiv.

«Are you crazy?»

Die Nervosität stieg – weltweit. Das bekam auch Keller-Sutter zu spüren. Plötzlich stand die einstige Dolmetscherin im Zentrum der Hochfinanz und musste einen Telefonmarathon absolvieren. Janet Yellen, als Ex-Fed-Chefin und aktuelle US-Finanzministerin die mächtigste Frau der globalen Finanzszene, liess sich zu ihr durchstellen. Keller-Sutter berichtete von den beiden Lösungen – UBS-Rettung oder Abwicklung –, und die zierliche Frau soll auf die zweite Variante ungewohnt gereizt reagiert haben: «Resolution? Are you crazy?»

Der englische Kollege Jeremy Hunt sagte Unterstützung zu, der Franzose Bruno Le Maire drängte auf eine schnelle Lösung. Und der deutsche Kollege Christian Lindner, als FDP-Politiker Bruder im Geiste, bestärkte die Ministerin in ihrer Aversion gegen eine Verstaatlichung – das Beispiel der Commerzbank, an welcher der deutsche Staat auch 15 Jahre nach der Finanzkrise noch immer beteiligt war, taugte als Abschreckung.

Panik erfasst den Heimmarkt

Die Finanzministerin hatte nur ein Ziel: ohne Absturz ins Wochenende zu kommen. Am Donnerstag hatte die Nationalbank im Rahmen ihrer Emergency Liquidity Assistance (ELA) das angeforderte Geld eingeschossen. Eigentlich sollten 50 Milliarden Franken fliessen, doch die CS konnte nur Sicherheiten von 39 Milliarden liefern. Die Abflüsse gingen unvermindert weiter: 14 Milliarden Franken allein am Donnerstag, davon die Hälfte in der Schweiz. Die Panik hatte den Heimmarkt erfasst.

Der Nationalbank blieb nichts anderes übrig, auch auf Druck der Finanzministerin und des Gesamtbundesrats, der am Donnerstag notfallmässig tagte, als erstmals in ihrer Geschichte gegen das eigene Gesetz zu verstossen und am Freitag weitere 20 Milliarden Franken in die CS einzuschiessen – ohne Sicherheiten: ELA-Plus-Fazilität nennt sich das Instrument. Jordan aktivierte es nur sehr widerwillig.

Aber es war alternativlos: Der neue CS-Finanzchef Dixit Joshi hatte am Freitagmittag gemeldet, dass es die CS ohne Hilfen kaum bis ins Wochenende schaffen würde. Es gelang noch geradeso, doch allen Beteiligten war bewusst: Die Börsenöffnung am Montag würde die Bank nicht überstehen.

Schweiz verprellt Europäer

Die EZB hatte ihre Banken bereits angewiesen, die Linien mit der Credit Suisse zu kappen. Auch hier lief hinter den Kulissen ein Machtspiel. Finma-Chef Angehrn hielt direkten Kontakt mit den Aufsichtskollegen an den beiden wichtigsten ausländischen Standorten: Sam Woods bei der britischen Prudential Regulation Authority in London, angehängt an die Bank of England, und Michael Barr bei der Fed in Washington. Beide waren auch über die geplante Abschreibung der AT-1-Anleihen informiert.

Nicht dabei: Andrea Enria, Chef der europäischen Bankenaufsicht, die an die EZB angehängt war. Der Italiener kochte – die europäischen Banken betrieben mit einem Volumen von mehr als 130 Milliarden Euro den grössten AT-1-Markt der Welt, die Amerikaner hatten von diesem Instrument weitgehend die Finger gelassen. Jetzt wurde dieser Markt durch die Schweizer Abschreibungen brutal beschädigt, und er erfuhr davon nicht einmal aus erster Hand. Einmal mehr machte sich die Schweiz in Europa keine Freunde.

Lehmanns Aktivismus

Am Samstag wechselte die Stimmung zwischen Hektik und Panik. Während die UBS-Spezialisten unter Hochdruck die CS-Daten durchleuchteten, suchte Lehmann mit seinem Team nach einem Ausweg. Doch das war kaum mehr als eine verzweifelte Alibiübung, auch zum Abweisen späterer Aktionärsklagen. Das musste er selbst nur zu gut wissen. Er selber hatte sich schon in den noch ruhigeren Herbstmonaten einem Deal verweigert, weil eine reguläre Übernahme aus seiner Sicht nicht möglich war.

Jetzt war sie es erst recht nicht: Die rechtlichen Hürden für einen ausländischen Käufer wären in zwei Tagen gar nicht zu bewältigen gewesen – allein die Anwendung des Notrechts, von dessen geplantem Einsatz alle Player früh wussten, machte eine ausländische Alternative unmöglich. Kein ausländischer Staat würde allein wegen einer Bankübernahme ebenfalls Notrecht aktivieren. Und ausserdem hätte die Finma die Gewähr für einen Käufer geben müssen – und wenn die CS schon nicht überleben konnte, so sollte sie doch zumindest in heimischen Händen bleiben: So viel Patriotismus war da denn schon. An diesem Wochenende war nur ein Deal möglich, das hatte die Troika unmissverständlich allen Beteiligten mitgeteilt: die Zwangshochzeit mit der UBS. Und dieser Deal musste bis Sonntagabend wasserdicht stehen.

Doch Lehmann versprühte Aktivismus. Angeblich wollten die Saudis zwölf Milliarden Franken bieten, und auch Blackrock kam ins Spiel. Der US-Vermögensverwalter hatte schon früher einmal sein Interesse am CS-Wealth-Management-Arm signalisiert, das wusste Lehmann auch. Der Blackrock-Gründer Larry Fink war in den 1980er-Jahren eher unehrenhaft bei der CS entlassen worden: Er musste nach einem 100-Millionen-Dollar-Verlust gehen und hatte dann Blackrock gegründet. Da wäre ein Deal jetzt zu einem Spottpreis eine kleine Genugtuung gewesen.

Notlösung Verstaatlichung

Der Ex-Nationalbank-Chef Philipp Hildebrand, seit mehr als zehn Jahren im Sold der Amerikaner, intensivierte von London aus seine alten Kontakte nach Bern. Doch eben: Allein schon wegen des Zeitdrucks war der Deal chancenlos. Alle Genehmigungen für einen wasserdichten Deal an einem Wochenende zu erhalten, inklusive der Zustimmung der Aktionäre, war unmöglich. Am Samstagmittag erhielt Thomas Jordan von Larry Fink persönlich einen Anruf: Der Deal sei abgeblasen.

Und auch ein anderer Schlüsselspieler erhielt an diesem Samstagmittag einen interessanten Anruf: Sergio Ermotti.

Offensichtlich war es der Troika doch unwohl, so ganz ohne Plan B in die Verhandlungen zu gehen. Denn die beiden Banken mitgeteilte Alternative zur UBS-Übernahme, die Liquidation der CS, war de facto keine: Dieses Risiko wollte niemand eingehen. Und noch immer konnte vieles schiefgehen. Es brauchte bis Sonntagabend zwingend die Zustimmung beider Verwaltungsräte. Ein Restrisiko blieb.

Also wurde der langjährige UBS-Chef gefragt, ob er im Falle einer Verstaatlichung die CS als Präsident übernehmen würde. Er zögerte schon, aber angesichts der Notsituation signalisierte er seine grundsätzliche Bereitschaft – unter der Bedingung, dass er das Swiss-Re-Präsidium nicht sofort aufgeben müsse. Allerdings: Es war nur ein absoluter Notplan. Weder Kelleher noch Lehmann wussten davon.

Auch Zürich-Chef Greco wurde angefragt

Interessant war auch, von wem der Anruf kam: nicht von Keller-Sutter, die als Leiterin des Lenkungsgremiums eigentlich zuständig gewesen wäre. Doch sie war strikt gegen die Staatslösung. So war es Finma-Chefin Amstad, formal als Aufseherin auch für die Versicherungsindustrie verantwortlich, die den Anruf tätigte. Und Ermotti war nicht der Einzige: Auch der angesehene Zürich-Chef Mario Greco wurde angefragt.

Am Samstagnachmittag lieferte das Team von Hamers seine Einschätzung an Kelleher. Während es für das Heimgeschäft schnell grünes Licht gab, leuchteten vor allem bei manchen CS-Investmentbank-Transaktionen tiefrote Lichter – sie lagen deutlich über dem Risikoappetit der UBS. «Wir sind auf koreanische Finanzprodukte mit Laufzeiten bis ins Jahr 2072 gestossen», sollte Vizepräsident Gähwiler später berichten. Die Zeit für eine erste Offerte war gekommen. Kelleher liess sich von seinem Verwaltungsrat die Erlaubnis geben, die Preisverhandlungen allein zu führen. Am frühen Abend gab es eine Videositzung, die von Jordan und nicht von Keller-Sutter geleitet wurde.

Drei Milliarden Franken, so die Botschaft des UBS-Präsidenten, würde seine Bank für die CS bieten, weniger als die Hälfte des letzten Marktpreises von acht Milliarden Franken. Doch dann geschah Erstaunliches: Jordan teilte ihm mit, dass dieser Betrag zu hoch sei – aus seiner Sicht würde eine Milliarde als Kaufpreis genügen. Später sollte die UBS-Spitze wegen des angeblich zu tiefen Angebots von einer Milliarde als Krisenprofiteur kritisiert werden. Was niemand wusste: Der Vorschlag war von Jordan im Namen der Troika gekommen.

Lehmann erst nicht erreichbar, dann konsterniert

Bei der UBS spekulierte man: Wollte Jordan etwa mit dem tiefen Gebot den CS-Verwaltungsrat so verärgern, dass dieser Nein sagen würde – und dann doch die Variante Verstaatlichung umsetzen? Ermotti stand ja für diese Lösung als VR-Präsident zur Verfügung, und eine Staatslösung hätte die Nationalbank weniger involviert als die Zwangsheirat. Oder, wahrscheinlicher: Wollte er mit dem niedrigen Kaufpreis die Ausgaben der UBS tief halten, damit sie bei den bevorstehenden Verhandlungen um die Staatsgarantien weniger fordern und damit der Steuerzahler weniger belastet würde?

«Zu viel ist zu viel»: Ex-CS-Chef Axel Lehmann
Foto: keystone-sda.ch

Kelleher beriet sich mit dem Engländer Jeremy Anderson, als Lead Director neben Gähwiler seine zweite zentrale Stütze im Verwaltungsrat. Umso besser, so das Fazit: Dann bieten wir eben nur eine Milliarde. Erstmals in dem gesamten Prozess versuchte Kelleher seinen Gegenpart Lehmann telefonisch zu erreichen. Doch der CS-Präsident war nicht erreichbar.

Kelleher und Anderson gingen in das Restaurant Cantinetta Antinori, 30 Meter entfernt vom UBS-Hauptsitz an der Bahnhofstrasse 45 – und mit der wohl besten toskanischen Küche der Stadt. Das wusste Kelleher besonders zu schätzen: Seit vielen Jahren verbrachte er mit seiner schottisch-italienischen Ehefrau viel Zeit auf seinem Anwesen in der Nähe von Siena. Während des Essens rief Lehmann zurück. Kelleher ging auf die Strasse. Eine Milliarde Franken, so teilte er seinem Gegenüber mit, würde die UBS bieten. Lehmann war konsterniert.

Im CS-Hauptsitz, gerade 200 Meter von Kellehers Restaurant entfernt, rüstete er zur Gegenwehr. Zusammen mit Körner protestierte er bei der Troika schriftlich gegen den aus seiner Sicht zu tiefen Kaufpreis. Mit dabei als Rechtsbeistand: Markus Diethelm, der einstige Rechtschef der UBS.

Bei seinem alten Arbeitgeber gewann er mit seiner harten Haltung keine Pluspunkte: Er schoss gegen seine Ex-Bank. Dass er später auch noch scharf gegen die Abschreibung der AT-1-Anleihen protestierte, war seinem Ansehen bei der UBS ebenfalls nicht zuträglich. Als es einige Wochen später darum ging, den General Counsel für den Fusionskonzern zu bestimmen, war Diethelm chancenlos.

Deal bis Sonntagabend

Am nächsten Morgen fuhren beide Bankdelegationen erstmals nach Bern. Beide hatten an diesem Sonntag der Entscheidung getrennte Sitzungen mit dem Bundesrat und den Verantwortlichen von Nationalbank und Finma vereinbart: Lehmann und Körner sollten von 9 bis 10 Uhr vorsprechen, für die UBS-Spitze war der Termin auf 10 Uhr angesetzt.

Doch die UBS-Delegation um Kelleher und Hamers musste warten. Die Sitzung mit den CS-Verantwortlichen dauerte deutlich länger und wurde hitzig: Bis zum Schluss klammerte sich das Führungsduo daran, dass es nur etwas mehr Überbrückungshilfe benötige, dann liesse sich ihr Plan weiter umsetzen.

Der Unmut gegenüber den halsstarrigen Managern schwoll an. Zumindest eine Konzession erhielten die CS-Chefs: Der Bund zeigte sich offen für einen Kaufpreis von drei Milliarden Franken statt der bisher gebotenen einen Milliarde. Denn noch hatten die CS-Oberen eine entscheidende Trumpfkarte. Selbst wenn wie geplant auf die Zustimmung der Aktionäre verzichtet wurde, brauchte es die Zustimmung des Verwaltungsrats.

Würde sich das Kontrollgremium querstellen, wäre der Deal nicht bis Sonntagabend rechtlich wasserdicht abschliessbar – und dieses Ziel stand über allem. Dass der vom Typus her eher gleichmütige Lehmann bei der ebenfalls eher gleichmütigen Keller-Sutter heftige Gefühlsregungen negativer Art hervorbrachte, belegte die Anspannung auf beiden Seiten. Später sollte die Finanzministerin die Boni für die CS-Mitarbeiter streichen. Sie hatte genug.

Erst um 10.40 Uhr betrat die UBS-Delegation den Raum. Die Gesichter der Bundesräte, so sollten sich die UBS-Verantwortlichen hinterher zuraunen, wirkten gut durchblutet. Die Atmosphäre war nüchterner, aber ebenfalls durchaus angespannt. Ihre elf Forderungen hatte die Bank schon vier Tage vorher postuliert, und sie waren allesamt akzeptiert worden. Jetzt ging es vor allem um die Ausgestaltung der Finanzhilfe.

Bund und SNB mussten Opfer bringen

Kelleher und Hamers gaben sich grosszügig: Man könne schon mehr bezahlen als die gebotene eine Milliarde Franken, die ja ohnehin von staatlicher Seite vorgeschlagen worden war. Die ursprünglich genannten drei Milliarden etwa wären auch o.k., wenn es dafür mehr Staatsgelder gäbe. Und so ging das Geschacher los: Die UBS erklärte sich bereit, die ersten fünf Milliarden an allfälligen Verlusten selbst zu tragen, anschliessend brauche es aber ordentliche Staatsgarantien. Der Bund bot erst fünf Milliarden, dann sieben, doch das war der UBS noch immer zu wenig angesichts der Erhöhung des Kaufpreises. Am Ende wurden es neun Milliarden.

Es war eine Umverteilung der Schweizer Steuerzahler an die CS-Aktionäre – wäre der Kaufpreis bei einer Milliarde geblieben, hätte der Bund nur sieben Milliarden Franken an Garantien leisten müssen. Für Keller-Sutter war jede zusätzliche Milliarde ein Stich in ihr liberales Herz – und Wählergift für ihre Partei im Wahljahr. Bei neun Milliarden habe sie schon fast beatmet werden müssen, sollte sie hinterher im kleinen Kreis sagen.

Auch Jordan musste Opfer bringen: Die Nationalbank stellte insgesamt 200 Milliarden Franken an Liquidität zur Verfügung, erhielt vom Bund aber nur eine Ausfallgarantie von 100 Milliarden über den per Notrecht eingeführten Public Liquidity Backstop. Am Ende musste Jordan doch mehr ins Risiko gehen, als ihm lieb war.

«Zu viel ist zu viel»

Um 16 Uhr tagte der CS-Verwaltungsrat, Keller-Sutter, Jordan und Amstad waren zugeschaltet und appellierten an die Verantwortung der Organträger. Schliesslich stimmte das Gremium, das seit Jahren vollkommen überfordert war, dem Ende der Bank zu. Und auch der UBS-Verwaltungsrat gab grünes Licht. Um 19.30 Uhr begann die historische Pressekonferenz im Berner Medienzentrum, die der geschlagene Lehmann mit dem Satz befruchtete: «Zu viel ist zu viel.» Er hatte alles versucht. Doch die Schieflage durch Archegos und Greensill, ausgelöst durch Thiams Kontrollchaos unter Rohners mangelnder Aufsicht, war in der Tat zu viel gewesen.

Kelleher blieb ruhig bei der Sitzung: klare Ansagen, kein Wort zu viel, perfektes Pokerface. Er kenne sich mit Krisensituation aus, liess er in seinem Eingangsstatement nur verlauten, schliesslich sei er Finanzchef schon «während der Finanzkrise gewesen» – und das, so die Implikation, bei der später erfolgreichsten Investmentbank der Welt. Das Motto: Kompetenz markieren, aber bloss keine Triumphgefühle.

Er hatte sich mit allen Forderungen durchgesetzt. Seine Strategie des Abwartens hatte der UBS den bestmöglichen Deal beschert: 35 Milliarden Franken CS-Eigenkapital, Aushebelung von Wettbewerbskommission und Aktionärsrechten, üppige Staatsgarantien zusätzlich zum AT-1-Kapital, volle Beinfreiheit beim Personal. Bei einem regulären Zusammenschluss wäre es zwangsläufig zu einem Gezerre um die Spitzenposten gekommen, jede Bank hätte einen Vertreter des Führungsduos eingebracht. Jetzt war vollkommen unbestritten: Die UBS stellte den Präsidenten und den CEO.

Treffen in Langnau am Albis

Die Frage für Kelleher war nur: welchen CEO? Und da hatte er sich längst entschieden. Schon bei der VR-Sitzung am Sonntag vor der offiziellen Deal-Bekanntgabe hatte Kelleher seinen Mitstreitern mitgeteilt, dass er gern Ermotti für den CEO-Posten kontaktieren würde. Doch einen formalen Beschluss für den Chefwechsel gab es noch nicht. Am Sonntagabend veranstaltete Hamers mit seiner Finanzchefin Sarah Youngwood einen einstündigen Investoren-Call zur Übernahme. Der Vollprofi Kelleher war nicht wirklich überzeugt. Am Montag rief er Ermotti an. Es war diese Ruchlosigkeit in Schlüsselmomenten, die einen starken Präsidenten auszeichnete.

Das Telefonat war kurz. Ob man sich nicht am Dienstag zum Abendessen treffen könne? Der Tessiner, ebenfalls krisengestählt, fragte nicht nach, ob es um den CEO-Job gehe. Er konnte es sich denken, schliesslich waren die Signale in den Monaten zuvor eindeutig. Er sagte für das Abendessen zu.

Chef über die Super-Bank: Sergio Ermotti
Foto: keystone-sda.ch

Es fand an einem speziellen Ort statt: im Haus von Vizepräsident Lukas Gähwiler in Langnau am Albis. Kelleher verzichtete sogar auf die Firmenlimousine und nahm ein Uber-Taxi, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Der Ire war erstaunt über die Qualität des Weinkellers des eher als asketisch geltenden Gähwiler.

Und so bekam Ermotti, der einst aus Altersgründen den CEO-Posten verlassen hatte, mit knapp 63 Jahren an einem sehr geselligen Abend das Comeback-Angebot zur Umsetzung der ersten Fusion zwischen zwei global systemrelevanten Banken. Er erbat sich zwei Tage Bedenkzeit.

Die Rückkehr von Sergio Ermotti

Am Donnerstag sagte er zu: Für den eingefleischten Banker war es eine zu grosse Verlockung, diesen Deal, den er so lange geplant hatte, auch selbst umzusetzen. Er fühlte sich auch der Schweiz und dem Finanzplatz verpflichtet. Und er war sich sicher, dass dieser Zusammenschluss erfolgreich zu bewerkstelligen war. Über Geld redete er nicht, es galten die Konditionen, die ja auch Hamers von ihm übernommen hatte. Die Dauer war ein Thema: Ermotti nannte drei Jahre, Kelleher sah bis zu fünf bis zum Absschluss der Integration. Doch entscheidend war das nicht, es war ohnehin ein Abenteuer mit offenem Ausgang. Ermotti war zurück.

Am Ende seiner ersten Amtszeit hatte es noch leichte Spannungen mit dem Verwaltungsrat gegeben. Ermotti wäre gern nach einem Cooling-off VR-Präsident geworden, doch das wollten ihm die Aufseher um den damaligen Präsidenten Axel Weber nicht zusichern. Jetzt hatte er einen Präsidenten, der wie er im internationalen Kapitalmarktgeschäft gross geworden und ihm vom Typus her näher war als der Ex-Notenbanker Weber. Das erhöhte die Attraktivität.

Hamers reagiert geschockt

Kelleher informierte den Verwaltungsrat, dass Ermotti zugesagt habe, wollte den Mitgliedern aber noch ein Wochenende zur Reflexion geben. Am Montag stellte er dann formal den Antrag für die Ernennung Ermottis zum neuen CEO. Der Verwaltungsrat stimmte zu.

Hamers erhielt am Dienstagvormittag die Nachricht und war geschockt. Er hatte sein UBS-Regnum auf einen deutlich längeren Zeitraum ausgelegt. Doch ganz überraschend konnte die Ablösung für ihn nicht kommen. Den Mitarbeitern war aufgefallen, dass er in den Tagen nach der Übernahmeverkündung seine Erfahrungen bei Firmenkäufen aus der ING-Zeit demonstrativ betont hatte. Wenn er diese Eigenwerbung brauchte, so der Eindruck, musste die Verunsicherung gross sein.

Irischer Whiskey zum Abschluss

Am Ende agierte aber auch er hochprofessionell. Als die drei Männer am Mittwoch, zehn Tage nach dem Übernahme-Wochenende, das UBS-Konferenzzentrum im Grünenhof betraten, signalisierten sie Eintracht. Auch seine letzte Generalversammlung eine Woche später absolvierte der Niederländer fachmännisch und posierte mit Mitarbeitenden für Selfies. Die schätzten seine zugängliche Art, und er hatte zweifellos frische Impulse gebracht. Aber jetzt begann ein anderes Spiel. Kelleher schickte ihm noch einen 21 Jahre alten irischen Whiskey. Doch Freunde würden sie nicht mehr werden.

Karin Keller-Sutter war am Vortag der Verkündung des Ermotti-Comebacks zum ersten Mal in ihrer neuen Funktion an das Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds nach Washington geflogen. Da traf sie all die Kollegen physisch, mit denen sie bislang nur im Krisenmodus telefoniert hatte. Sie gratulierten ihr zu der Lösung und zu nicht weniger als der Rettung des Finanzsystems. Sie hatte ihre erste grosse Bewährungsprobe gemeistert.

Thomas Jordan liess im kleinen Kreis verlauten, dass die Lösung aus Sicht der Finanzstabilität gelungen sei: Das System habe gehalten, das Geld sei stets sicher gewesen. Nur die Staatsgarantien von neun Milliarden seien ein Schönheitsfehler. Auf sie sollte die UBS aber bereits am 11. August verzichten, gerade zwei Monate nach der formalen Übernahme.

Doch die Schweiz, politisch ein Kleinstaat, aber Weltmacht in der Vermögensverwaltung, hatte eine globale Bank weniger.

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