Streit um Lex Corona
Neues Epidemiengesetz reisst alte Gräben auf

Der Bundesrat will die Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen und das Epidemiengesetz anpassen. In der Vernehmlassung gehen die Meinungen zur Vorlage auseinander.
Publiziert: 25.03.2024 um 15:07 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2024 um 15:48 Uhr

Diskriminierung von Ungeimpften und Unterwerfung unter die Weltgesundheitsorganisation oder willkommene Schärfung der Zuständigkeiten. Die Argumente der Gegner und Befürworter einer Teilrevision des Epidemiengesetzes gehen weit auseinander – von der SVP über die Mitte bis zu den Grünen.

Die Zuständigkeit für Massnahmen in der besonderen Lage solle grundsätzlich bei den Kantonen bleiben, fordert die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Gesundheitsdirektoren (GDK). Aus der Sicht der Kantone müsse der Bund in der besonderen Lage aber eine strategische Gesamtführung übernehmen, hiess es in einer Mitteilung zum Ende der Vernehmlassung.

Das Epidemiengesetz komme nicht nur im Fall einer gesundheitlichen Krise zur Anwendung, sondern müsse auch im Alltag funktionieren, so die GDK. Die frühzeitige Erkennung und die Prävention seien das wirksamste Mittel, um Gesundheitsgefährdungen und Folgemassnahmen von der Bevölkerung und der Wirtschaft abzuwenden.

Mehr Führung durch den Bundesrat fordern die einen – vor Bevormundung und einer Einschränkung der Grundrechte warnen die anderen. Mit der Teilrevision des Epidemiengesetzes will der Bundesrat eine Rechtsgrundlage für das Erstellen der umstrittenen Impf-Zertifikate schaffen.
Foto: Keystone
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Weiter begrüsst die GDK, dass die Regeln zur Finanzierung von Tests, Impfungen und Arzneimitteln vorgängig definiert und damit vereinfacht werden sollen. Die Covid-19-Pandemie habe gezeigt, dass die geltenden Finanzierungsmodelle in einer Gesundheitskrise an Grenzen stossen.

Rechtsgrundlage für Zertifikate

Während der Pandemie von Anfang 2020 bis Anfang 2023 wurde die Koordination zwischen Bund und Kantonen wiederholt kritisiert. Mit Anpassungen des Epidemiengesetzes – quasi einer Lex Corona – will der Bundesrat nun Gegensteuer geben.

Neu will die Landesregierung den Kantonen Vorbereitungen auf eine besondere Lage vorschreiben können. Auch eine Rechtsgrundlage für das Erstellen der umstrittenen Zertifikate, die eine Impfung oder Genesung nachweisen, soll ins Epidemiengesetz geschrieben werden.

Mitte begrüsst Revision

Die Mitte begrüsst grundsätzliche die Revision des Epidemiengesetzes, wie sie mitteilte. Die Partei betont, wie wichtig ihr die Klärung von Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen, die Förderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen, die Verbesserung der Datengrundlage und Verbesserungen bei der Versorgungssicherheit seien.

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Nach Ansicht der Mitte muss der Aufwand für die Dateneingabe möglichst klein und die Datengrundlage des Bundes möglichst breit sein. Dadurch könnten Daten aus den Kantonen einfacher verarbeitet und zusammengeführt werden, was die Analyse stark vereinfache.

Die Mitte befürwortet, dass die Datengrundlage des Bundes in anonymisierter Form der Öffentlichkeit zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt wird. Damit werde private Forschungstätigkeit ermöglicht – und das Wissen über einen Krankheitserreger könne vertieft werden.

Grüne wollen Anpassung

Auch die Grünen begrüssen grundsätzlich die vorgeschlagene Teilrevision des Epidemiengesetzes, wie sie auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilten. Die Partei nennt vor allem verschiedene neue Kompetenzen des Bundes zur Erkennung, Überwachung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten.

Weiter nennen die Grünen die programmatische Verankerung des One Health Ansatzes, der die Wechselbeziehungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt in den Blick nimmt, die Stärkung des globalen Gesundheitsschutzes sowie die verschiedenen Massnahmen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen. Der Gesundheitsschutz werde damit insgesamt gestärkt.

Die Grünen fordern aber auch eine Anpassung der bundesrätlichen Gesetzesvorschläge: Dabei geht es um eine Stärkung der Grundrechte wie auch der wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen für Unternehmen und Bevölkerung.

SVP lehnt Vorlage ab

Die SVP lehnt die Teilrevision des Epidemiengesetzes in dieser Form derweil «kategorisch» ab, wie sie mitteilte. Die Partei fordert den Bundesrat auf, «zunächst die Massnahmen und Prozesse, die während der Corona-Pandemie ergriffen wurden, gründlich und kritisch aufzuarbeiten».

Es sei grundsätzlich richtig, das Epidemiengesetz einer Revision zu unterziehen. Der vorliegende Entwurf mache aber nichts anderes, als jene Massnahmen ins ordentliche Recht zu überführen und zu verstetigen. Die Vorlage binde die Schweiz auch einseitig an die Weltgesundheitsorganisation WHO an, was für die SVP «inakzeptabel» sei.

Die Partei lehnt auch «das Fehlen von Schutzmassnahmen gegen die Diskriminierung von ungeimpften Personen oder Personen ohne Impfausweis» ab, hiess es weiter. Zudem will sie das heute schon bestehende Impf-Obligatorium gleich ganz aus dem neuen Gesetz verbannen. «Wir fordern, dass die Parameter für ein Impf-Obligatorium, die in der vorliegenden Teilrevision nicht angetastet wurden, aus dem Epidemiengesetz gestrichen werden», schreibt die Partei in ihrer Vernehmlassungsantwort. «Es darf keinen Impfzwang geben.»

SP und FDP haben sich nicht zum bundesrätlichen Vorschlag einer Teilrevision des Epidemiengesetzes geäussert.

Mass-Voll plant Referendum

Klar ist bereits, dass gegen das neue Epidemiengesetz dereinst das Referendum ergriffen werden dürfte. Die massnahmenkritische Organisation Mass-Voll lehnt die Vorlage «in Gänze» ab und hat das Referendum bereits angekündigt.

«Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass das Epidemiengesetz als reines Machtinstrument unter Aushöhlung der Gewaltentrennung zum Schaden von Volk und Staat missbraucht wird», schreibt die Organisation auf ihrer Homepage. (SDA/rus)

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