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Streit um Verhüllungs-Verbot verschärft sich
Enthüllte Hitzköpfe

Nervenkrieg vor der Abstimmung: FDP-Ständerat Andrea Caroni erhält Klagedrohungen, seine Kollegin wird mit Post bombardiert – und SVP-Veteran Hans Fehr leitet versehentlich interne Mails weiter.
Publiziert: 14.02.2021 um 09:39 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2021 um 11:48 Uhr
Reza Rafi

Eigentlich können die Initianten ihre Füsse hochlegen. Drei Wochen vor dem Urnengang versprechen die Umfragen eine komfortable Mehrheit für ein Verhüllungsverbot. Wen wunderts, das Anliegen ist ja durchaus sympathisch. Ein Ja auf dem Stimmzettel als risikoloses Statement gegen Islamismus und Frauenunterdrückung – wer kann da schon dagegen sein? Symbol­politik zum Nulltarif.

Und doch scheint keineswegs Entspannung zu herrschen. SVP-Nationalrat Walter Wobmann (63) und seine Mitstreiter betreiben emsig weiter Abstimmungspropaganda. Mehr noch: Seine Sympathisanten gehen direkt auf die Gegner los und behelligen sie mit koordinierten Aktionen. Das geht aus E-Mails hervor, die SonntagsBlick vorliegen.

Mit Klagedrohung gegen Nein-Komitee-Mitglieder

So erhielt FDP-Ständerat Andrea Caroni (40), Co-Präsident des Nein-Komitees, am 9. Februar sogar eine Klagedrohung: Er solle aufhören, öffentlich von einem Kleidungsstück zu reden, weil es nicht um ein Kleidungsverbot gehe. «Sonst werde ich gerichtlich gegen Sie vorgehen», droht der Absender unverhohlen. Im weiteren Mailverlauf gibt er fälschlicherweise an, Mitglied des Initiativkomitees zu sein.

2016 warben die Initianten mit SVP-Nationalrat Walter Wobmann (r.) auf dem Bundesplatz für ihr Anliegen.
Foto: KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE
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Als Caroni dem Mann entgegnet, dass der Bundesrat ebenfalls vom Verbot eines «Kleidungsstücks» rede und er darum bitte schön doch auch die Landesregierung ver­klagen solle, stellt der Burkagegner ein Ultimatum: «Wenn Sie nicht binnen 48 Stunden ihre Aussage widerrufen, dass eine Kleidervorschrift in die Verfassung geschrieben wird, dann haben Sie die Klage am Hals.»

Noch lieber Frauen im Visier

Nicht nur Caroni erhält solche Feedbacks aus dem gegnerischen Lager. Die Urheber des ­Ansinnens, die sich im Dienst der Gleichberechtigung sehen, nehmen noch lieber Frauen ins Visier. Zum Beispiel Caronis Parteikollegin, Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (54). Sie hält nichts davon, den politischen Islam mittels Verhüllungsverbot in der Verfassung zu bekämpfen.

Nach ihrem «Arena»-Auftritt am 29. Januar erhielt die St. Gallerin rund vierzig Mails – auch aus dem Umfeld der Initianten. Am 31. Januar schickte ihr ein pen­sionierter Schuldirektor per Post Unterlagen über die Gefahr durch den Islam und via Mail ­einen ­flammenden Appell: «Die Isla­misierung Europas erfolgt schleichend!» Der Autor bleibt freundlich im Ton. Auch er aber legt seine Verbindung zum Komitee nicht offen.

Später schaltet sich ein empörter Ex-SVP-Na­tionalrat Hans Fehr (74) in die Korrespondenz unter den Burkagegnern ein. Er könne über Vincenz-Stauffachers Haltung nur den Kopf schütteln: «Dümmer gehts nimmer!»

Dumm nur, dass der alte Haudegen versehentlich die Gescholtene als Empfängerin einkopiert hat. So landet der interne Mailverkehr auch bei ihr. Daraus ergibt sich, dass der «Schuldirektor a. D.» an Wobmann rapportiert. «Sie ist tatsächlich unbelehrbar!», schrieb er dem Präsidenten des Egerkinger Komitees über Vincenz-Stauffacher.

Wobmann: «Kämpfe mit offenem Visier»

Weist Walter Wobmann seine ­Getreuen an, auf Exponenten der Gegenseite loszugehen? Der erwähnte Mailverkehr lässt zumindest diesen Eindruck entstehen.

Davon könne keine Rede sein, betont er auf An­frage – im Gegenteil. Besagter Herr schreibe ihm regelmässig. Wobmann: «Ich kämpfe mit offenem Visier und habe schon ­et­liche Abstimmungskämpfe hinter mir. Bei Frau Vincenz ist das ­offensichtlich nicht der Fall.» Die FDP habe viel eher ein Problem, weil die Mehrheit ihrer Basis für ein Verhüllungsverbot sei. Und Hans Fehr sagt auf Anfrage, er stehe zu seinen Worten.

Caroni betont, das Gros der Rückmeldungen sei sehr gesittet. «Die Debatte mit der Bevölkerung ist erfreulich sachlich. Schade nur, vergreifen sich die Initianten im Ton.»

Pro und Contra zum Burkaverbot
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