Teuer, langsam, kompliziert
Darum ist die CO2-Kompensation im Ausland ein Problem

Das Parlament streitet darüber, wiev viel von ihrem CO2-Ausstoss die Schweiz im Ausland kompensieren soll. Doch bislang gibt es zu wenig Projekte. Damit sich das ändert, braucht es mehr Geld, das auch niemand hat. Und bringt das überhaupt genug Nutzen?
Publiziert: 29.02.2024 um 15:30 Uhr
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Wie viel muss die Schweiz das Klima selbst retten, wie viel darf sie ans Ausland abschieben? Das ist die Gretchenfrage beim neuen CO2-Gesetz, das das Parlament gerade diskutiert. Die Schweiz kann Klimaschutzprojekte im Ausland finanzieren – zum Beispiel, indem sie in Peru Kochöfen installieren lässt – und sich die CO2-Ersparnis für ihre Klimaziele anrechnen lassen. Die Zeit drängt: Bis 2030 will die Schweiz ihren Ausstoss im Vergleich zu 1990 halbieren.

Geht es nach dem Ständerat, ist der Anteil der Auslandskompensation grösser, geht es nach dem Nationalrat kleiner. Doch egal, wie das Seilziehen ausgeht: Es gibt viele Hürden zu überwinden.

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Die Zeit

Schon heute dürfen die Treibstoffimporteure einen Teil ihres CO2-Ausstosses im Ausland kompensieren. Dafür haben sie die Stiftung KliK gegründet, die Projekte sucht. Gemäss Leiter Marco Berg sei es schwierig, bis 2030 ausreichend Projekte aufzugleisen, um wie geplant einen Teil des Schweizer CO2 zu kompensieren. «Die Zeit ist unglaublich kurz.»

Statt auf den Ferienflug zu verzichten ...
Foto: IMAGO/Andreas Haas
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Aktuell kann die Schweiz laut Berg überhaupt nur in 13 Ländern, mit denen sie einen Vertrag abgeschlossen hat, Klimaprojekte finanzieren. Will die Schweiz mehr im Ausland kompensieren, braucht es mehr Abkommen. «Die Verhandlung der 13 Abkommen hat etwa fünf Jahre in Anspruch genommen», sagt Berg. Dazu brauchen die Projekte Zeit, bis sie den erwünschten Effekt zu erzielen. Seine Einschätzung: «Die Situation würde sich deutlich entschärfen, wenn der Zeithorizont bis 2035 ausgedehnt würde.»

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Das Geld

Prinzipiell gäbe es weltweit genügend Klimaprojekte, um die Schweizer CO2-Emissionen zu kompensieren. Aber nicht genügend Geld in der Schweiz: Je nachdem wie teuer eine Tonne CO2-Kompensation im Ausland ist, könnten Kosten von über eine Milliarde Franken fällig werden.

Bislang dürfen maximal fünf Rappen auf einen Liter Treibstoff aufgeschlagen werden, um Klimaprojekte im Ausland zu finanzieren. Von diesem Geld seien noch mehr Klimaschutzaktivitäten «nicht finanzierbar», sagt Berg. Doch eine Erhöhung des Treibstoffzuschlags ist aktuell nicht geplant – weil das Volk zuletzt höhere Abgaben abgelehnt hat.

Also braucht es andere Geldtöpfe. Schwierig in Zeiten, in denen der Bund sparen muss. Auch Klimaminister Albert Rösti (56) betonte im Ständerat die Kostenfolgen: «Es wird eine auch nicht ganz einfache Debatte geben, wenn es darum gehen wird, diese Kompensationen und auch die dafür nötigen Finanzen zu kriegen.» Allerdings: Klimaschutz in der Schweiz ist noch teurer – oder unbequemer.

Umstrittene E-Auto-Ladestationen

Über das revidierte CO2-Gesetz für die Zeit ab 2025 sind sich die Räte noch nicht einig. Der Ständerat beharrt in mehreren Punkten auf einer gegenüber dem Nationalrat abgeschwächten Version, etwa bei der Verminderung der Treibhausgas-Emissionen im Inland.

Der Ständerat will für die Verminderung des Treibhausgases im Inland keine fixe Quote vorschreiben. Das bekräftigte er am Donnerstag mit 31 zu 12 Stimmen. Demnach sollen die Treibhausgasemissionen «in erster Linie» im Inland reduziert werden. Den genauen Anteil hat der Bundesrat festzulegen.

Eine rot-grüne Minderheit hätte sich den ambitionierteren Weg des Nationalrates gewünscht. Dieser will den Treibhausgas-Ausstoss zu 75 Prozent mit Massnahmen im Inland reduzieren.

Umstrittene Lade-Infrastruktur

Umstritten ist die finanzielle Förderung von Lade-Infrastruktur für E-Autos in Mehrparteiengebäuden. Der Ständerat hielt mit 24 zu 20 Stimmen daran fest, kein Geld dafür zu sprechen. Der Kauf eines E-Autos sei individuell und solle nicht mit öffentlichen Geldern finanziert werden, sagte Damian Müller (FDP/LU).

Der Nationalrat hingegen will Basisinstallationen für Ladestationen mit bis zu 20 Millionen Franken im Jahr fördern. Eine rot-grüne Minderheit im Ständerat hielt die Unterstützung für nötig für die Energiewende. Es komme vor, dass mangels Ladestellen auf den Kauf eines E-Autos verzichtet werde, sagte Céline Vara (Grüne/NE).

Uneinigkeit herrscht auch bei der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) für alternative Antriebe. Auf Antrag einer starken Minderheit bekräftigte der Ständerat, beim geltenden Recht zu bleiben, bis die revidierte LSVA kommt. Demnach entscheidet der Bundesrat, welche Fahrzeuge in welchem Umfang von der LSVA befreit werden sollen.

Es gelte, einen Milliarden-Ausfall an Einnahmen zu vermeiden, argumentierte die Minderheit. Der Nationalrat will eine befristete und differenzierte Reduktion der LSVA für elektrische Lastwagen und mit erneuerbaren Treibstoffen betriebene Lastwagen.

Kompromiss bei der Mineralölsteuer

Den von der Mehrheit beantragten Kompromiss bei der Mineralölsteuer für konzessionierte Bus- und Schiffsunternehmen hiess der Ständerat gut: Für Ortsbusse soll diese Steuer ab 2026 fällig werden, auf dem Land und für Schiffe erst ab 2030. Dabei soll es Ausnahmen geben können, wenn topografische Gründe sie rechtfertigen.

Das revidierte CO2-Gesetz für den Zeitraum 2025 bis 2030 soll dem Schweizer Netto-Null-Ziel 2050 und der sicheren Energieversorgung zum Durchbruch verhelfen. Dazu hat sich die Schweiz unter dem Klimaübereinkommen von Paris verpflichtet. Bis 2030 sollen die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 halbiert werden. (SDA)

Über das revidierte CO2-Gesetz für die Zeit ab 2025 sind sich die Räte noch nicht einig. Der Ständerat beharrt in mehreren Punkten auf einer gegenüber dem Nationalrat abgeschwächten Version, etwa bei der Verminderung der Treibhausgas-Emissionen im Inland.

Der Ständerat will für die Verminderung des Treibhausgases im Inland keine fixe Quote vorschreiben. Das bekräftigte er am Donnerstag mit 31 zu 12 Stimmen. Demnach sollen die Treibhausgasemissionen «in erster Linie» im Inland reduziert werden. Den genauen Anteil hat der Bundesrat festzulegen.

Eine rot-grüne Minderheit hätte sich den ambitionierteren Weg des Nationalrates gewünscht. Dieser will den Treibhausgas-Ausstoss zu 75 Prozent mit Massnahmen im Inland reduzieren.

Umstrittene Lade-Infrastruktur

Umstritten ist die finanzielle Förderung von Lade-Infrastruktur für E-Autos in Mehrparteiengebäuden. Der Ständerat hielt mit 24 zu 20 Stimmen daran fest, kein Geld dafür zu sprechen. Der Kauf eines E-Autos sei individuell und solle nicht mit öffentlichen Geldern finanziert werden, sagte Damian Müller (FDP/LU).

Der Nationalrat hingegen will Basisinstallationen für Ladestationen mit bis zu 20 Millionen Franken im Jahr fördern. Eine rot-grüne Minderheit im Ständerat hielt die Unterstützung für nötig für die Energiewende. Es komme vor, dass mangels Ladestellen auf den Kauf eines E-Autos verzichtet werde, sagte Céline Vara (Grüne/NE).

Uneinigkeit herrscht auch bei der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) für alternative Antriebe. Auf Antrag einer starken Minderheit bekräftigte der Ständerat, beim geltenden Recht zu bleiben, bis die revidierte LSVA kommt. Demnach entscheidet der Bundesrat, welche Fahrzeuge in welchem Umfang von der LSVA befreit werden sollen.

Es gelte, einen Milliarden-Ausfall an Einnahmen zu vermeiden, argumentierte die Minderheit. Der Nationalrat will eine befristete und differenzierte Reduktion der LSVA für elektrische Lastwagen und mit erneuerbaren Treibstoffen betriebene Lastwagen.

Kompromiss bei der Mineralölsteuer

Den von der Mehrheit beantragten Kompromiss bei der Mineralölsteuer für konzessionierte Bus- und Schiffsunternehmen hiess der Ständerat gut: Für Ortsbusse soll diese Steuer ab 2026 fällig werden, auf dem Land und für Schiffe erst ab 2030. Dabei soll es Ausnahmen geben können, wenn topografische Gründe sie rechtfertigen.

Das revidierte CO2-Gesetz für den Zeitraum 2025 bis 2030 soll dem Schweizer Netto-Null-Ziel 2050 und der sicheren Energieversorgung zum Durchbruch verhelfen. Dazu hat sich die Schweiz unter dem Klimaübereinkommen von Paris verpflichtet. Bis 2030 sollen die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 halbiert werden. (SDA)

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Der Nutzen

Ob neue Kochöfen in Peru dem Klima helfen, ist fraglich: Zwar kochen dort 1,8 Millionen Haushalte mit Holz und Biomasse – das ist wenig energieeffizient und oft sogar lebensgefährlich. Die Schweiz hilft also tatsächlich.

Doch solche Projekte würden auch von anderen Akteuren umgesetzt, schreibt die Caritas, die dazu eine Untersuchung durchgeführt hat. «Der zusätzliche Klimanutzen ist fraglich», so Angela Lindt, Leiterin der Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik. Gleichzeitig werde die Reduktion der Emissionen in der Schweiz auf die lange Bank geschoben.

Berg weist die Kritik zurück. Dass beide betroffenen Länder die Projekte jeweils begutachten und gutheissen müssen, garantiere die Zusätzlichkeit. Ausserdem sei den Leuten bewusst, dass Auslandskompensationen nur ein Teil sei. «Niemand in der Schweiz fährt einen Kilometer mehr Auto, weil die Schweiz im Ausland eine landwirtschaftliche Biogasanlage fördert.» 

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