Theologin Monika Schmid zur Aufarbeitung der Missbräuche in der katholischen Kirche
«Ich nehme den Bischöfen nicht ab, dass sie es ernst meinen»

Eine Studie hat über 1000 Missbrauchsfälle aufgedeckt. Die Theologin und Kirchenkritikerin Monika Schmid findet, die Bischöfe müssten nun in Rom Reformen fordern. Sonst bleibe alles beim Alten.
Publiziert: 27.09.2023 um 11:36 Uhr
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Aktualisiert: 27.09.2023 um 11:40 Uhr
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Thomas Angeli
Beobachter

Sie haben 2008 im «Wort zum Sonntag» auf SRF kritisiert, dass Priester, die eine erwachsene Beziehung offen leben, in der katholischen Kirche schlechtergestellt sind als pädophile Priester. Damit gerieten Sie in einen Sturm der Entrüstung.
Monika Schmid: Ich habe mir dieses «Wort zum Sonntag» kürzlich noch einmal angehört und fand es wahnsinnig brav. Unglaublich, dass es damals einen solchen Medienhype gab und dass ich dafür sogar den Publikumspreis des Prix Courage bekam!

Sie galten als Nestbeschmutzerin. Nun hat die Pilotstudie der Universität Zürich über 1000 Missbrauchsfälle im Umfeld der katholischen Kirche ans Licht gebracht.
Ja, das hat mir der Bischof vorgeworfen, und er wollte mich aus meinem Amt entfernen. Ich habe ihm schon damals gesagt, wenn die Bischöfe jetzt reagieren würden, so könnten sie ganz viel Leid verhindern. Aber das hat leider gar nichts genützt. Dieser kirchliche Apparat ist wie eine Teflonpfanne, da bleibt nichts haften. Eigentlich hätten sich die Bischöfe ja bei mir bedanken oder sich zumindest entschuldigen müssen. Das ist aber bisher nicht geschehen. 

Was ist Ihre Vermutung, warum man Ihre Warnung damals ignoriert und Sie abgestraft hat?
Ich glaube, die Bischöfe wollten alles nicht wahrhaben und rechneten damals einfach nicht damit, dass so viel zum Vorschein kommt. Man wollte so lange wie möglich alles unter dem Teppich behalten. Da straft man lieber die Überbringerin der Wahrheit ab.

Die Theologin Monika Schmid sagt: «Die Bischöfe reagieren nur auf Druck».
Foto: Linda Käsbohrer
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Artikel aus dem «Beobachter»

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Sie haben sich den Mund nicht verbieten lassen und weiter Kritik geübt. Wie haben Sie das all die Jahre durchgehalten?
Ja, das frage ich mich manchmal auch. Ich habe einfach gemerkt, dass ich von da an für viele Katholikinnen und Katholiken eine Art Hoffnungsträgerin war. An diesem Punkt einfach aufzugeben und mich stillzuhalten zu Ungerechtigkeiten, wäre feige gewesen. 

Verschiedene Bischöfe haben nach der Präsentation der Pilotstudie Medienkonferenzen abgehalten und beteuert, alles für die Aufklärung der Fälle getan zu haben respektive zu tun. Wie sind diese Ankündigungen bei Ihnen angekommen?
Ich nehme den Bischöfen einfach nicht ab, dass sie es ernst meinen. Jetzt ist der Druck von aussen gerade gross, und deshalb reagieren sie. Das war schon immer so. Was ist, wenn der Druck wieder abnimmt?

Wie müsste denn eine Reaktion der Bischöfe Ihrer Ansicht nach aussehen?
Im «Club» auf SRF hat ja Bischof Bonnemain ziemlich herumgeschwurbelt und sich nicht festlegen wollen, was jetzt geschieht. Ich erwarte von den Bischöfen, dass sie jetzt gemeinsam nach Rom gehen und sagen, was sie in der katholischen Kirche in der Schweiz ändern wollen: die Rolle der Frauen in der Kirche neu definieren, Homosexuelle und queere Menschen behandeln wie alle andern, das Zwangszölibat abschaffen und die Machtstrukturen von Grund auf reformieren. 

Und Sie denken, die Schweizer Bischöfe würden im Vatikan gehört?
Ich glaube schon. Wenn ich denke, was vor einem Jahr abgegangen ist, als wir einen Gottesdienst feierten, der nicht exakt den Regeln entsprach … Da hat der Vatikan ja auch reagiert. 

Sie sprechen Ihren Abschiedsgottesdienst als Gemeindeleiterin der katholischen Kirche in Illnau-Effretikon an. Sie sollen damals das kirchliche Recht verletzt haben, weil Sie eine Messe mitzelebriert haben. Es gab danach eine kircheninterne Voruntersuchung gegen Sie und die vier Mitzelebrierenden – wegen «liturgischen Missbrauchs».
Als ich den Ausdruck drei Tage nach unserem Gottesdienst auf der Website des Bistums las, hat mir der Atem gestockt. Die Kirche hat jahrelang sexuelle Missbräuche vertuscht und verdrängt, und dann nennt man es tatsächlich einen «Missbrauch», wenn eine Messe so gefeiert wird, wie sie längst gefeiert werden müsste – gemeinschaftlich mit allen beteiligten Frauen und Männern. Ich habe geglaubt, ich lese nicht richtig. 

Sie haben erst vor einigen Wochen von Bischof Bonnemain einen Verweis bekommen deswegen. Wurde dieser nach Rom gemeldet?
Selbstverständlich. Wir mussten zuerst einzeln beim Offizial antraben, und dort hiess es, die Angelegenheit gehe dann zum Bischof, und dieser werde entscheiden. Dann aber ging die Sache trotzdem nach Rom, weil seit 2001 alle Missbräuche nach Rom gemeldet werden müssen, also auch die liturgischen. Für uns war das ein Verstoss gegen Treu und Glauben. 

Wie gross ist denn Ihre Hoffnung, dass sich mit der Pilotstudie und der nun anschliessenden Untersuchung etwas ändert?
Ich habe wenig Hoffnung. Das ist jetzt ein Hype, und es gibt grosse Versprechen, aber bewegen wird sich da nicht viel.

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