Tierpark-Direktor Bernd Schildger will in die Berner Stadtregierung
Der linkste SVP-Politiker der Schweiz

Bernd Schildger fällt im Wahlkampf bisher fast nur mit linken Positionen auf – kandidiert aber für die SVP.
Publiziert: 22.10.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2018 um 11:31 Uhr
Tierparkdirektor Bernd Schildger versucht als SVP-Kandidat mit linken Positionen einen Sitz in der Stadtberner Regierung zu ergattern.
Foto: Peter Gerber
Joël Widmer und Nico Menzato

Die nationale SVP-Prominenz stänkert oft und gern über die rot-grün regierte Bundesstadt. Über den «Schandfleck Reitschule», die vielen Velowege und den «Raubzug am Steuerzahler». Doch ausgerechnet in Bern kämpft der wohl linkste SVP-Politiker der Schweiz um den Einzug in die Stadtregierung am 27. November: Tierparkdirektor Bernd Schildger.

Der gebürtige Deutsche fällt im Wahlkampf fast nur mit linken Positionen auf. Vier seiner bislang fünf Wahlkampfvideos sind inhaltlich meilenweit von seiner Partei entfernt. In Verkehrsfragen überholt er gar die Grünen links. Schildger fordert eine komplett verkehrsfreie Altstadt.

Monstertrams

«Für Touristen aus Japan ist es völlig unverständlich, dass sie in der Altstadt von Monstertrams am Flanieren gehindert werden», erklärt er. Als Hauptverkehrsmittel für die Berner will er stattdessen eine U-Bahn bauen. In einem anderen Wahlkampfvideo nervt sich der SVP-Kandidat, dass die Berner Strassen für Velofahrer sehr gefährlich seien.

Im Chor mit den Linksparteien fordert Schildger mehr Freiräume für Jugendliche in städtischen Gebäuden. Auch beim Wohnungsbau will er staatlich eingreifen und Generationenhäuser oder integrierte Kindertagesplätze fördern.

«Ich bin für klare Regeln für die Reitschule, aber gegen eine Schliessung»

Alles Rezepte aus linker Küche! Ihm sei egal, aus welcher Richtung gute Ideen kämen, sagt der Paradiesvogel dazu. In der Tat scheint der SVP-Mann vom SVP-Programm wenig zu halten. Denn sogar beim wichtigsten Thema der Stadtberner SVP, der Schliessung des alternativen Kulturz entrums Reitschule, schert er aus: «Ich bin für klare Regeln für die Reitschule, aber gegen eine Schliessung.»

Man könne den Jugendlichen nicht das letzte Refugium wegnehmen. Er fühle sich bei der SVP dennoch «am richtigen Platz», sagt der 60-Jährige. Denn Rot-Grün werde immer dogmatischer.

Der Vizepräsident der Berner SVP, Thomas Fuchs, hält trotz der linken Positionen an Schildger fest. «Wenn wir in Bern einen Sitz holen wollen, brauchen wir auch Kandidaten, die Mitte-links Stimmen holen.»

Riskante SVP-Taktik

Man habe mit Erich Hess und anderen auf der Liste genügend Auswahl. Diese SVP-Taktik ist riskant. Wenn der Tierpark-direktor viele Stimmen aus anderen Lagern holt, könnte er am Ende vor Hardliner Hess gewählt werden – und den FDP-Mann verdrängen. Dann stünde die Stadtregierung inhaltlich noch weiter links als heute.

Selbst eine ultralinke Regierung ist möglich – wegen fehlender Listenverbindung von SVP und FDP. Politologe Georg Lutz hat die Wahl mit Modellrechnungen durchgespielt. Die Mehrheit von Rot-Grün-Mitte sei unbestritten, sagt er. Sehr knapp werde der Kampf um den fünften Sitz: «Bei stabilen Wähleranteilen im Vergleich zu 2012 hat das Rot-Grün-Mitte-Bündnis sogar Aussichten auf den fünften Sitz.»

Dann sässen in Berns Stadtregierung Ursula Wyss und Michael Aebersold (beide SP), Franziska Teuscher und Alec von Graffenried (beide Grüne) sowie CVP-Mann Reto Nause, der für die Atomausstiegs-Ini­tiative der Grünen kämpft.

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