Triage in Spitälern ist schon jetzt Realität
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Immer mehr Patienten auf IPS:Triage in Spitälern ist schon jetzt Realität

Triage in Schweizer Spitälern
So fällen Ärzte ihre schwerste Entscheidung

In manchen Spitälern müssen die Ärzte bereits eine Auswahl treffen, wen sie auf der Intensivstation behandeln wollen – und wen nicht. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zur Triage.
Publiziert: 06.12.2021 um 09:31 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2021 um 11:22 Uhr
Ladina Triaca

Soll man die krebskranke Seniorin behandeln? Oder doch eher den ungeimpften Studenten, der wegen Covid beatmet werden muss? Normalerweise stellen sich solche überlebenswichtigen Entscheidungen in Kriegsgebieten oder in Entwicklungsländern, wo die medizinischen Ressourcen zu knapp sind für die vielen Bedürftigen.

Heute stellen sich solche Fragen auch Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz. Zum Beispiel an der Klinik Hirslanden in Aarau. Dort kam es laut Recherchen des «SonntagsBlicks» vergangene Woche zur sogenannten Triage. So wurde etwa ein Krebskranker mit seinem Einverständnis nicht in die Intensivstation aufgenommen, sondern auf einer normalen Station beatmet. Der zuständige Intensivmediziner Christian Frey sagt: «Steigen die Fallzahlen weiter, werden auch die Triagen zunehmen.»

Blick beantwortet deshalb – auf der Basis der Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) – die wichtigsten Fragen.

Die Triage ist der wohl schwierigste Entscheid für Ärztinnen und Ärzte.
Foto: Keystone
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Wann spricht man von einer Triage?
Der Begriff «Triage» stammt vom französischen «trier», was so viel heisst wie «aussortieren». In der Medizin bedeutet es, dass Ärztinnen und Ärzte eine Auswahl treffen müssen, wen sie behandeln, weil nicht genügend Mittel für alle vorhanden sind.

Wer entscheidet, wann eine Triage stattfindet?
Dieser Entscheid liegt beim Spital und seiner Intensivstation. Eine Triage darf allerdings erst dann durchgeführt werden, wenn die Spitalüberlastung nicht durch andere Massnahmen, wie das Verschieben von Operationen oder das Verlegen von Patienten in andere Spitäler, behoben werden konnte.

Wer wird behandelt – und wer nicht?
Das wichtigste Kriterium für die Mediziner ist die kurzfristige Überlebensprognose. Das heisst, es werden jene Personen behandelt, die die grössten Chancen haben, zu überleben. Haben mehrere Patienten gute Überlebenschancen wird als zweites Kriterium der medizinische Aufwand berücksichtigt. Wer also, wie so viele Corona-Patienten, einen Monat lang auf der IPS liegt, hat schlechtere Karten als jemand der nur eine kurze Behandlung benötigt.

Müssen sich Ungeimpfte hintanstellen?
Nein, der Impfstatus ist kein Kriterium bei der Triage. In der Schweiz gilt, dass alle Patienten gleich behandelt werden müssen – unabhängig von ihrer Meinung und ihren Handlungen. Dasselbe gilt übrigens für Raucherinnen: Auch sie dürfen bei der Triage nicht benachteiligt werden, obwohl sie freiwillig zur ungesunden Zigarette greifen.

Werde ich eher behandelt, wenn ich eine Privatversicherung habe?
Nein. Weder Merkmale wie Alter, Geschlecht, Wohnort, Nationalität, Beruf noch Versicherungsstatus dürfen als Kriterien für die Triage herangezogen werden.

Was ist mit älteren Menschen – sie haben doch geringere Überlebenschancen?
Das Alter ist per se kein Kriterium, das zählt. Nur weil jemand alt ist, heisst es nicht automatisch, dass er oder sie kleine Überlebenschancen hat. Allerdings sind ältere Menschen in der Tendenz gebrechlicher, was natürlich einen Einfluss auf ihre Prognose hat.

Wer entscheidet, ob ich behandelt werde oder nicht?
Der Triage-Entscheid wird in der Regel im Team von erfahrenen Medizinern getroffen. Am Schluss trägt jedoch die ranghöchste Intensivmedizinerin vor Ort die Verantwortung.

Was passiert mit mir, wenn ich nicht auf der IPS behandelt werde?
Dann sollte das Spital andere Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen – wie etwa die palliative Pflege. Wichtig ist, dass die Patienten und die Angehörigen ehrlich über den Triage-Entscheid informiert werden. Idealerweise werden den Betroffenen auch Gespräche durch die Spitalseelsorge oder Psychologen angeboten.

Danny Schlumpf zur Situation in den Schweizer Spitälern
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«Es kam bereits zu Triagen»:Danny Schlumpf zur Situation in den Schweizer Spitälern
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