Trotz Applaus für «Helden in Weiss»
Pflege-Initiative hat bei Bürgerlichen keine Chance

Der Pflegeverband hofft darauf, dass die Corona-Krise Tauwetter für ihre Pflegeinitiative verursacht. Für die Bürgerlichen sind die Meinungen – Corona hin oder her – aber gemacht.
Publiziert: 22.04.2020 um 19:11 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2020 um 20:53 Uhr

Zu wenig Masken, zu wenig Schutz im Arbeitsalltag, und zu wenige Mitarbeiter: Das Pflegepersonal hat die Nase voll. «Wir sind mit der Geduld am Ende», verschafft der Berufsverband der Pflegefachkräfte (SBK) in einem Brief an alle National- und Ständeräte seinem Ärger Luft.

Für den SBK gehen die Schwierigkeiten über die aktuelle Krise hinaus. Sie seien die Folge von «politischen und behördlichen Fehleinschätzungen». Die Corona-Pandemie habe diese nur aufgedeckt. Der Verband will grundsätzliche Verbesserungen: etwa eine Ausbildungsoffensive, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung.

Pflegeinitiative hängig

Diese Forderungen stellt der SBK nicht erst seit Corona. Sie sind Teil der 2017 eingereichten Pflege-Initiative. Sowohl Bundesrat als auch Nationalrat haben diese aber abgelehnt. Der Nationalrat immerhin wollte die Anliegen mit einem indirekten Gegenvorschlag aufnehmen. Dieser nimmt allerdings nur eine Kernforderung der Initiative auf: eine Ausbildungsoffensive, die den Nachwuchs in der Pflege sicherstellen und die Abhängigkeit von Arbeitskräften aus dem Ausland verringern soll.

Klatschen für die «Helden in Weiss»: Die Schweiz bejubelt das Gesundheitspersonal.
Foto: Keystone
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Dem hat sich im Prinzip auch die ständerätliche Gesundheitskommission angeschlossen – allerdings will sie deutlich weniger Geld in die Hand nehmen. Statt 469 Millionen Franken sollen es nur noch 268 Millionen über eine Dauer von acht Jahren sein.

Alles anders wegen Corona

Weiter ist der Ständerat noch nicht gekommen - denn die Corona-Pandemie hat der Diskussion einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gleichzeitig hat die Pandemie dem Gesundheitswesen zu viel Sympathie verholfen. Hunderttausende Schweizer haben am 20. März schliesslich ihren «Helden in Weiss» applaudiert. Und etwa die CVP hat mehr gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung des Pflegeberufs gefordert.

Der SBK macht sich nun Hoffnungen, dass das Lob für die Pflegenden auch ihren politischen Forderungen einen Schub verleiht. «Ich gehe davon aus, dass die Anliegen der Pflege grössere Dringlichkeit erhalten», sagt auch Paul Rechsteiner (67), SP-Ständerat und Präsident der zuständigen Gesundheitskommission. Persönlich stehe er hinter den Forderungen des SBK und hoffe auf einen «Tatbeweis für die Bedeutung der Pflege».

Kein bürgerliches Tauwetter

Nur: Seine bürgerlichen Amtskollegen sehen das anders. «Für mich hat die Corona-Krise nichts an meiner Meinung zur Pflegeinitiative geändert», sagt FDP-Ständerat Damian Müller (35). Der Ständerat werde - mit Fokus auf die Ausbildung - den Gegenvorschlag noch justieren.

«Es wäre falsch, nun überhastet Reformen zu beschliessen», sagt auch FDP-Ständerätin Johanna Gapany (31). «Die Pflegeinitiative ist nicht die richtige Antwort auf die Krise.» Sie ist überzeugt, dass die Alternative des Nationalrats «den Bedürfnissen des Pflegepersonals Rechnung trägt und die Schwierigkeiten anerkennt.»

«Nicht mehr erwarten»

«Mehr als die nationalrätliche Fassung können die Initianten nicht erwarten», ist CVP-Nationalrätin Ruth Humbel (62) überzeugt. Die Corona-Krise zeige, wie wichtig das Pflegepersonal sei, was auch die Initiative mehrheitsfähiger mache, so die Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission. Aber: Der Gegenvorschlag nehme die Forderungen «weitestgehend auf».

«Der Vorschlag des Nationalrates ist nach wie vor mangelhaft», findet dagegen SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi. Sie fordert unter anderem einen besseren Personalschlüssel für die Pflege sowie Massnahmen bei den Arbeitsbedingungen, um den Beruf auch längerfristig attraktiv zu machen. Beides hat der Nationalrat bislang nicht berücksichtigt.

Annahme wahrscheinlich

Ribi lässt offen, unter welchen Umständen der SBK die Initiative doch noch zurückziehen würde. «Die Wichtigkeit der Pflege ist durch die Pandemie in den Fokus gerückt», sagt sie. Sie rechne sich daher bei einer etwaigen Volksabstimmung gute Chancen aus.

Bei einer Abstimmung wird der Initiative gute Chancen auf eine Annahme ausgerechnet. Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel beeindruckt das weniger: «Auch dann wäre es am Parlament, die Umsetzung der Initiative auszuarbeiten - und es ist nun einmal nicht alles umsetzbar».

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