Trotz Medikamentenmangel
Tabletten landen tonnenweise im Müll

Für viele Leiden reichen wenige Tabletten – der Rest wird weggeworfen. Ein Einzelverkauf würde helfen. Doch der Bund lässt sich Zeit.
Publiziert: 07.02.2024 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2024 um 18:27 Uhr
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Chantal Hebeisen
Beobachter

Die Liste an nicht lieferbaren Medikamenten ist seit Monaten lang: Dazu gehören unzählige Antibiotika, Blutverdünner und diverse Anti-Pilzmittel. Einzelabgaben wären eine Lösung. Doch der Bundesrat zögert.

Mitverantwortlich für die Knappheit ist Medikamentenverschwendung. Laut den jüngsten Zahlen des Bundesamts für Umwelt Bafu landeten 2022 4440 Tonnen Medikamente im Abfall – das sind Schätzungen zufolge 30 Prozent der verkauften Arzneimittel. Es ist der höchste Wert in den letzten fünf Jahren. Nicht eingerechnet sind Medikamente zur Krebsbehandlung. 

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Medikamentenverschwendung mit kleinen Packungen stoppen

Das Bundesamt für Gesundheit schrieb in einem im gleichen Jahr erschienenen Bericht, wo die drei Ursachen für den riesigen Müllhaufen liegen: bei den Ärztinnen und Ärzten, die zu grosse Mengen verordnen, bei den Herstellern, die zu grosse Packungen produzieren und bei den Patientinnen und Patienten, die sich dem ärztlichen Rat widersetzen und die Medikamente wegwerfen, statt sie einzunehmen.

In der Schweiz fehlen viele Medikamente.
Foto: IMAGO/Lobeca
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Ein Rezept gegen Medikamentenverschwendung: möglichst kleine Packungen oder gar einzelne Pillen kaufen, wenn von Anfang an klar ist, dass man ein Medikament nur kurz braucht. Gewisse Apotheken bieten die Dienstleistung der Tagesdosierung – im Fachjargon Verblisterung genannt – an. Sie ist eigentlich dazu da, um die Medikamentensicherheit zu erhöhen, wenn ein Patient mehrere Arzneimittel einnehmen muss.

Einzelne Tabletten verkaufen ist nicht so einfach

Aus Sicht von Jürg Wüthrich, Geschäftsführer der Firma Mydose, wäre es theoretisch möglich, auf diese Weise fünf einzeln verpackte Schmerzmittel zu bestellen. Der Verblisterungsanbieter beliefert laut eigenen Angaben etwa 70 Apotheken und 200 Heime mit einzeln verpackten Medi-Mixen. In der Praxis sind solche Einzelkäufe aber nicht einfach. Einerseits zahlen die Krankenkassen die Verblisterung erst ab drei verschiedenen einzunehmenden Medikamenten. Wer nur ein Medikament bestellt, würde beim Anbieter Mydose über 20 Franken aus der eigenen Tasche zahlen.

Andererseits dürfen Teilmengen gemäss dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung nur abgegeben werden, wenn bei dem Arzneimittel ein Versorgungsengpass besteht und es trotz Einzelabgabe steril verpackt bleibt. Flüssigkeiten oder Kapseln aus Dosen können daher nicht in Einzeldosen vertrieben werden.

Test von Einzelverkauf bei Antibiotika

Im Parlament gab es in den letzten Jahren immer wieder Vorstösse, um die Medikamentenverschwendung zu bekämpfen. Zuletzt im März durch die Zuger Grünen-Politikerin Manuela Weichelt. In einer Interpellation fragte sie den Bundesrat, wie die Versuche zur Einzelabgabe von Antibiotika angelaufen sind und ob diese Abgabeform für weitere Medikamente infrage kommt.

Bei der Antibiotika-Einzelabgabe rechnet der Bund damit, dass Ende dieses Jahres erste Ergebnisse zu Vorabklärungen vorliegen, für weitere Medikamente sei ein ähnlicher Versuch nicht geplant. Bis auf Weiteres werden also wohl weiter Tausende Tonnen Pillen auf dem Müll landen – trotz teils akuter Mangellage.

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