Umstrittene Versicherung
Hauseigentümer wehren sich gegen Erdbebenbeitrag

Die Argumente für oder gegen einen Beitrag der Gebäudeeigentümer zur Finanzierung der Schäden nach einem schweren Erdbeben gehen diametral auseinander: Die eine Seite bezeichnet ihn als willkürlich und ungerecht, die andere als innovativ und sozial.
Publiziert: 22.03.2024 um 12:55 Uhr
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Aktualisiert: 22.03.2024 um 14:05 Uhr
Schwerere Erdbeben wie hier am 17. Februar 1964 in Sarnen OW, sind zwar seltene Ereignisse in der Schweiz. Der Bundesrat möchte, dass sich Gebäudebesitzerinnen und -besitzer solidarisch an der Finanzierung der Schäden beteiligen müssen. (Archivbild)
Foto: GRUNDER

Für den Bundesrat ist klar: Nach einem schweren Erdbeben sollen alle Hauseigentümer einen Beitrag zur Schadendeckung leisten müssen. Dafür möchte er die Verfassung ändern. Die Änderung sieht vor, dass der Bund bis zu 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme erheben könnte. Das wären derzeit rund 22 Milliarden Franken. Die Vernehmlassungsfrist dazu ging am Freitag zu Ende.

Auf komplette Ablehnung stösst der Vorschlag bei der SVP, dem Hauseigentümerverband (HEV) und dem Schweizerischen Versicherungsverband (SVV). Überall aus ähnlichen Gründen: Das Modell sei ein Fass ohne Boden, schreibt die SVP in ihrer Stellungnahme. Denn die Einführung einer staatlich verordneten Solidarhaftung «würde Tür und Tor öffnen für analoge Regelungen» bei weiteren Risiken wie Pandemien oder Hochwasser.

«Willkürlich und ungerecht» auf der einen Seite

Wer die Risiken abdecken wolle, könne das bereits heute auf freiwilliger Basis tun. Ausserdem sei die Sonderpflicht willkürlich, denn sie treffe nur Gebäudeeigentümer. Der Eintrag einer öffentlich-rechtlichen Grundlast im Grundbuch hätte zudem Auswirkungen auf die Vergabekriterien für Hypotheken bei der Finanzierung.

Darüber hinaus erachtet der HEV die Bestimmung als «ungerecht», weil für Eigentümer mit einer Versicherungssumme von über 25 Millionen Franken keine Zahlungspflicht bestehe, obwohl sie ein besonders hohes Risiko trügen. Der SVV führt zusätzlich an, dass eine staatliche Zusatzabgabe im Moment einer Katastrophe die wirtschaftliche Situation nur noch weiter verschärfen würde.

Der Schweizerische Bauernverband seinerseits befürchtet, dass im Falle eines Grossschadens vor allem die urbanen Zentralen profitieren würden. Deshalb bräuchte es einen risikobasierten Ansatz. Und der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT) kritisiert, dass der Bund die Kompetenz erhielte, Gebäudevorschriften im Zusammenhang mit Erdbeben zu erlassen.

«Solidarisch und günstig» auf der anderen Seite

Ganz anders sehen es eine Mehrheit der Kantone, die Gebäudeversicherungen, die Grünen und die Berggebiete: Sie bezeichnen den bundesrätlichen Vorschlag als solidarisch und günstig.

Die Einführung einer Eventualversicherung stelle «eine innovative Lösung dar», die über 99,5 Prozent der Gebäude abdecke, schreibt die Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF). Damit könnte sich die öffentliche Hand nach einem schweren Erdbeben auf die Versorgung betroffener Personen und die Wiederherstellung der Infrastruktur konzentrieren.

Auch für die Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG) böte die bundesrätliche Lösung einen «guten Schutz, der auch ohne Versicherungsprämien» funktioniere. Dank der landesweiten Solidarität unter den Gebäudeeigentümern sei die Eventualverpflichtung ausserdem wesentlich günstiger als eine klassische Versicherungslösung.

«Wichtiger Schritt»

Für die Grünen ist es sinnvoll, dass die Finanzierung der Schäden kollektiv in der Verantwortung der Gebäudeeigentümer liegen soll. Und ein Betrag von 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme sei auch sozialpolitisch tragbar.

Die Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) schliesslich wäre gerne noch weiter gegangen. Da aber eine obligatorische Erdbebenversicherung im Parlament nicht mehrheitsfähig sei, stelle der vorliegende Vorschlag für ein solidarisches System nach dem Eintreten von Erdbebenschäden «einen wichtigen Schritt» dar. (SDA/oco)

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