US-Tarnkappenbomber soll nur noch 80 Millionen Dollar kosten
«F-35 ist günstiger als der Eurofighter»

Kürzlich ist in Japan eine F-35A abgestürzt. Das gleiche Modell, das die Amerikaner der Schweiz als neuen Kampfjet anbieten. Mike Kelley (54), Geschäftsleiter von Lockheed Martin Schweiz, kontert Sicherheitsbedenken. Zudem sei die F-35A nicht der teuerste Jet.
Publiziert: 22.04.2019 um 01:06 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2019 um 10:44 Uhr
Andrea Willimann
Andrea WillimannBundeshaus-Redaktorin

Stolz drückt Mike Kelley (54) Besuchern seine Visitenkarte in die Hand. Lockheed Martin hat jetzt eine Niederlassung in Bern, und der frühere Flugzeugingenieur Kelley ist neuer Schweizer Geschäftsführer. Für den Anbieter des Kampfjets F-35A gilt es ernst: Das Rennen um die rund sechs Milliarden Franken, die die Schweiz für neue Kampfflugzeuge ausgeben will, kommt in den nächsten Monaten in die heisse Phase.

BLICK: Vergangene Woche ist eine in Japan produzierte F-35 abgestürzt. Ist es das gleiche Modell, das Ihre Firma Lockheed Martin der Schweiz verkaufen will? 
Mike Kelley: Es war tatsächlich ein Vorfall mit einer F-35A, produziert in Japan. Man muss aber die Gesamtsituation und die Statistiken berücksichtigen. Der Einsatz von Kampfflugzeugen ist nun mal ein gefährliches Business, und es ist leider üblich, dass in den ersten Betriebsjahren eines neuen Jet-Typs mehr Unfälle passieren. Es klingt vielleicht hart, aber eine Quote von zwei Unfällen auf 175'000 Flugstunden, die bisher mit den über 2000 Flugzeugen des Typs F-35 geflogen wurden, ist ein sehr guter Sicherheitsstandard. Statistisch ist ein Absturz pro 100'000 Flugstunden üblich.

Die F-35 haben nur ein Triebwerk im Gegensatz zum zweimotorigen Kampfjet Rafale der Franzosen oder dem Eurofighter der Deutschen. Bieten zwei Triebwerke nicht mehr Sicherheit?
Unsere Erfahrung mit der F-16 zeigt, dass einmotorige Kampfflugzeuge genauso sicher sind. Diese bewährte Sicherheit eines Düsenjägers mit nur einem Triebwerk war ausschlaggebend dafür, warum sich die US-Regierung für die F-35 entschied. Zwei Triebwerke würden dem System des Jets Gewicht, Kosten und Komplexität verleihen. Ganz zu schweigen von einem erhöhten Kraftstoffverbrauch. 

Die US-Kampfjetherstellerin Lockheed Martin möchte ihren Tarnkappenbomber F-35A der Schweiz verkaufen.
Foto: Keystone
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Erhielte die Schweiz das allerneuste Modell der F-35A oder bliebe dieses den US-Streitkräften vorbehalten?
Über die Details der Offerte sagen wir nichts. Aber es ist klar: Entscheidet sich die Schweiz für unsere Jets des Typs F-35A, dann werden diese auf dem aktuellen Produktionsstandard sein. 

Anfang Juni wird der F-35A von Schweizern bei Luft- und Bodentests unter die Lupe genommen. Mit vielen Jets kommt Lockheed?
Wir schicken vier Flugzeuge des Typs F-35A Lightning II in die Schweiz, die wir von den amerikanischen Streitkräften leasen. Sie werden von Lockheed-Piloten erst von der US-Westküste an die Ostküste geflogen und dann in Begleitung eines Betankungsflugzeugs nach Europa, auf eine US-Luftwaffen-Basis. Von dort bringen wir sie nach Payerne, wo sie während zweier Wochen stationiert bleiben. 

Was ist der aktuelle Listenpreis des F-35A, des teuersten Kampfjets Welt?
Der angeblich hohe Preis der F-35A ist ein Gerücht! Je mehr F-35A wir produzieren können, desto preiswerter werden sie, und umso konkurrenzfähiger. 2020 wird ein Jet rund 80 Millionen US-Dollar kosten.

Was ist denn in diesen 80 Millionen Dollar enthalten?
Sie stellen die entscheidende Frage. Das Flugzeug kostet für alle unsere Kunden gleich viel. Aber die Zusatzleistungen wie die Kompensationsgeschäfte oder die Partnerschaft mit der U. S. Air Force unterscheiden sich. So wird der Endpreis für die Schweiz höher sein als 80 Millionen Dollar, aber er ist immer noch konkurrenzfähig mit den Angeboten der anderen Hersteller. Das haben wir bei den Wettbewerben in anderen Ländern bewiesen, jüngst in Dänemark oder Belgien.

Konkurrenzfähig vielleicht schon, aber immer noch teuer. 
Dann werde ich deutlicher: Der Preis für unser Flugzeug wird tiefer sein als derjenige für den Eurofighter von Airbus oder den Rafale von Dassault. Beim Gripen E von Saab kennt den Preis noch niemand: Es fliegen ja erst drei Gripen E, und eine grosse Produktion gibt es auch noch nicht.

Der F-35A ist ein Hightech-Tarnkappenbomber, fliegt also unter dem Radar und ist gemäss Ihrer Werbung das «tödlichste» Flugzeug überhaupt. Die Schweiz braucht aber primär Jets für den Luftpolizeidienst. Ist da eine F-35 nicht übertrieben?
Entscheidet sich die Schweiz für den F-35, erhält sie den modernsten Kampfjet mit dem grössten Potenzial für die nächsten 40 Jahre. Jetzt braucht die Schweiz ihre F/A-18-Jets vor allem für den Luftpolizeidienst, aber was ist in 20 Jahren?

Die Schweiz ist ein neutraler Staat!
Das wird die Schweizer Armee nicht davon abhalten, technologische Entwicklungen mitzumachen. Kauft die Schweiz nun einen Jet der neusten fünften Generation, wird sie auf die Dauer viel Geld sparen.

Die mögliche Schweizer Bestellmenge von 30 bis 40 Flugzeugen ist klein. Weshalb bemühen Sie sich überhaupt um diese Vergabe?
30 bis 40 ist keine kleine Zahl.

Jetzt kokettieren Sie. Die Türkei möchte 100, Japan bestellte rund 150.
Eine grosse Produktion profitiert auch von vielen kleineren Stückzahlen. Eine stetige volle Produktionslinie garantiert sinkende Herstellungskosten, wovon alle Beteiligten – auch die USA – profitieren. Die Schweizer Bestellung würde über ein, zwei Jahre in eine Produktion von 100 oder 150 F-35A eingereiht. Andere Hersteller würden dafür mehrere Jahre brauchen.

An der Ernsthaftigkeit Ihrer Bewerbung wurde oft gezweifelt. Erst recht, als eine Lockheed-Webseite der Schweiz den Jet für den Einsatz über dem Meer anpries – ein grober Schnitzer.
Uns ist es sehr ernst mit der Bewerbung. Ich bin mit meiner Familie von den USA nach Bern gezogen. Wir beschäftigen auch Schweizer Angestellte. Aber sehen Sie: Unser Flugzeug besitzt ganz viele Fähigkeiten, so kann es über Wasser Daten sammeln und übermitteln. Nun, die Schweiz hat kein Meer – aber sollten die Deutschen die Schweiz über den Bodensee angreifen ... (lacht) Ernsthaft: Wir mussten für die Schweiz erst eine Webseite erstellen und diesen Teil davon hatten wir noch nicht angepasst. Da kam uns ein aufmerksamer Journalist zuvor.

Wäre die Schweizer Infrastruktur ausreichend für einen Jet der neusten Generation?
Absolut, die US-Airforce hat sich die Militärflugplätze in Payerne und Meiringen angesehen. Zudem ist ja Teil der Schweizer Evaluation, dass zusammen mit den Herstellern geschaut wird, welche Investitionen nötig wären, um die Fähigkeiten der Jets voll zu nutzen.

Können Sie schon etwas zu den Gegengeschäften sagen, die Sie mit der Schweizer Industrie planen?
Nein, dazu ist es zu früh. Zentral aber ist, dass wir der Schweiz möglichst viel Autonomie beim Unterhalt der F-35 gewährleisten möchten.

Die F-35A sammelt auch Daten. Wie garantieren Sie den Datenschutz?
Wir kennen die Gerüchte, die Amerikaner wollten die Schweiz ausspionieren! Aber wir versprechen: Die Schweizer Daten gehören der Schweizer Regierung. Natürlich würden technische Daten ausgetauscht. Doch die Schweiz würde bestimmen, was sie herausgibt. Und was sie mit Lockheed Martin teilt, würden wir nie an Dritte geben. Uns ist klar, dass die Schweiz eine möglichst grosse Unabhängigkeit und Autonomie verlangt.

Und haben Sie auch die notwendige Geduld für unsere demokratischen Prozesse?
Schauen Sie, ich war schon in Indien tätig. Dort sagt man: Entweder du kommst mit Geduld nach Indien, und du verlierst sie. Oder du kommst ohne Geduld nach Indien, und du gewinnst sie. Für Lockheed gehören lange demokratische Prozesse zum Geschäft.

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