Vermittlung von Kindern
Auch Hilfswerke waren in zweifelhafte Adoptionen verwickelt

Adoptionen aus dem Ausland: Hilfswerke wie Terre des Hommes und private Vereine brachten Kinder unter fragwürdigen Umständen in die Schweiz.
Publiziert: 28.12.2023 um 13:15 Uhr
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Aktualisiert: 28.12.2023 um 13:44 Uhr
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Otto Hostettler
Beobachter

Die Ostschweizerin Alice Honegger war fast 50 Jahre lang als Adoptionsvermittlerin tätig. In den 1950er- und 1960er-Jahren vermittelte sie vor allem Babys aus der Schweiz in alle Welt. Später brachte sie fast 1000 Babys aus Sri Lanka in die Schweiz.

Doch Honegger war nicht die Einzige, die eine fragwürdige Adoptionsvermittlung betrieb. Gemäss einem Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Auftrag des Bundesrats kamen auch Kinder aus Bangladesch, Brasilien, Chile, Guatemala, Indien, Kolumbien, Korea, dem Libanon, Peru und Rumänien illegal in die Schweiz. Der Bundesrat geht inzwischen davon aus, dass zwischen 1970 und 2000 «mehrere Tausend Adoptivkinder von Unregelmässigkeiten betroffen sein könnten». Ein zentraler Akteur war das Hilfswerk Terre des Hommes.

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Ein neuer Bericht wirft ein schlechtes Licht auf vergangene Adoptionen in der Schweiz.
Foto: Keystone
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Laut ZHAW-Bericht vermittelte Terre des Hommes vor allem Babys aus Bangladesch, Brasilien, Indien, Kolumbien und Peru. Während der gesamten Tätigkeit von 1960 bis 2016 habe man «sorgfältig lokale Institutionen und Waisenhäuser für Partnerschaften ausgewählt, die sowohl den lokalen als auch den schweizerischen Standards entsprachen», betont Sprecherin Anna Bertschy. «Terre des Hommes distanziert sich von allen irregulären und illegalen Aktivitäten krimineller Gruppen, die unseren Namen missbrauchten.» Heute sehe es das Hilfswerk als seine Pflicht, «alle von Terre des Hommes zur Adoption vermittelten Personen bei der Suche nach ihrer Herkunft zu unterstützen».

Die Ordensgemeinschaft von Mutter Teresa vermittelte ebenfalls

Die Tessiner Sektion von Caritas bestätigt, zwischen den 1970er-Jahren und 2010 in Adoptionen aus Kolumbien involviert gewesen zu sein. Dabei habe Caritas vor allem potenzielle Adoptiveltern auf ihre Eignung hin geprüft und Unterlagen über die Herkunft der Kinder «validiert». Über Adoptionen entschieden habe schliesslich die kantonale Behörde.

In der Adoptionsvermittlung aktiv war auch Pro Kind Adopt Inform (in Brasilien und Chile). Aus dieser Organisation ging später der Verein Bras Kind hervor, der sich auf Brasilien konzentrierte. Die Ordensgemeinschaft von Mutter Teresa («Missionarinnen der Nächstenliebe») war in Indien involviert, ebenso der Verein Social Activities Association (Zürich) sowie die Westschweizer Organisation Divali Adoption Service. Das Mütter- und Pflegekinderhilfswerk Bern (Stiftung MPB) war in Kolumbien tätig, das Bureau Genevois d’Adoption (BGA) vermittelte Kinder aus Kolumbien und Peru; der Service d’Adoption du Mouvement Enfance et Foyer Kinder aus dem Libanon.

Die meisten dieser Organisationen existieren heute nicht mehr oder haben sich neu ausgerichtet. Der Verein Bras Kind wurde im Handelsregister bereits 2009 gelöscht, «Zämeläbe» (Nachfolgeorganisation der Stiftung MPB) im Jahr 2011. Das «Bureau Genevois d’Adoption» betont auf Anfrage, man begrüsse die Bemühungen, Unregelmässigkeiten bei Adoptionsverfahren aufzudecken. Für das Genfer Vermittlungsbüro sei «das Wohl des Kinds immer ein zentraler Punkt». Ein Adoptionsverfahren müsse «korrekt, gesetzeskonform und transparent» ablaufen. Die Stiftung «Zämeläbe» und die «Social Activities Association» liessen eine Anfrage des Beobachters unbeantwortet.

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