Verstoss gegen SNB-Richtlinien
Nationalbank investiert in Umweltsünderin

Vollmundig hatte SNB-Chef Thomas Jordan den Ausstieg aus dem Kohleabbau verkündet. Dabei investiert die Nationalbank in eine Minenbetreiberin, die die Flüsse verschmutzt. Jetzt fordert eine Expertin Verbesserungen bei der Aufsicht – und es droht eine Volksinitiative.
Publiziert: 22.05.2021 um 19:31 Uhr
Pascal Tischhauser

Schlimm genug, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) verspricht, nicht mehr in Unternehmen zu investieren, die primär Kohle fördern, und es dann bei Warrior Met Coal doch tut – wie Blick aufdeckte. Doch die Verfehlungen sind noch weitreichender. Just diese Kohlefirma steht im US-Bundesstaat Alabama wegen eines Umweltskandals am Pranger. Und das lässt sich nur schwer mit den eigenen Anlageregeln der SNB vereinbaren. Der Bankrat, der die SNB beaufsichtigt, sieht dennoch kein Problem – was Fragen nach seiner Unabhängigkeit aufwirft.

Doch Schritt für Schritt. Im Dezember gab SNB-Präsident Thomas Jordan (58) bekannt, dass die Nationalbank nicht mehr in Kohleförderer investieren werde. Dass sie dennoch Aktien der Kohleminenfirma Warrior Met Coal investiert, erklärt die Nationalbank damit, dass sie sich auf die Branchenklassifizierung eines grossen Indexanbieters stütze. Und der reihe Warrior nicht in die Kategorie «Kohle» ein – da die US-Firma nicht Kohle fürs Heizen gewinne, sondern zur Stahlherstellung.

Flüsse verschmutzt

Allerdings ist Warrior in Brockwood im US-Bundesstaat Alabama für die Verschmutzung zweier Flüsse verantwortlich. Diese hatten sich wegen des Kohleabbaus schwarz gefärbt – weil die Minenbesitzerin es unterlassen hatte, ein Sedimentbecken zu unterhalten. Nun finden sich Rückstände im Wasser, die über dem erlaubten Grenzwert liegen. Zudem kommt es wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in dieser Mine von Warrior zu Streiks.

Nationalbankpräsident Thomas Jordan hatte versprochen, die SNB steige aus Kohleförderern aus.
Foto: Keystone
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In der Vergangenheit hat die SNB Negativschlagzeilen gemacht, weil sie in Firmen investierte, die international geächtete Streubomben herstellen. Das lässt sich ebenso wenig mit den Anlagerichtlinien der Nationalbank vereinbaren wie Engagements bei Umweltsündern. Denn in den Richtlinien heisst es: Auf Investitionen in Unternehmen, die international geächtete Waffen produzieren, grundlegende Menschenrechte massiv verletzen oder systematisch gravierende Umweltschäden verursachen, verzichte sie.

Keine Kurskorrektur

Oder auch nicht. Auf nochmalige Nachfrage, ob sich die SNB nun von ihren Investitionen in Warrior verabschiede, bleibt sie vage. Die Nationalbank verweist auf ihre ursprüngliche Antwort und sagt, man überprüfe die Ausschlusskriterien laufend und schaue, ob man sich bei der Klassifizierung auf mehrere Indexanbieter abstützen solle.

Selbst der Bankrat, eine Art Aufsichtsrat der SNB, sieht keine Notwendigkeit zur Kurskorrektur. In einem zweiseitigen Antwortschreiben an Blick weist Bankratspräsidentin Barbara Janom Steiner (58) sämtliche Kritik an der Anlage- und Informationstätigkeit der SNB zurück. Die Nationalbank verfolge eine Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes, indem sie ihr Mandat erfülle, die Preisstabilität unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung zu gewährleisten, findet sie.

Und weiter: Die Verantwortlichkeiten innerhalb der Nationalbank («Governance») hätten sich bewährt, so die frühere Bündner Regierungsrätin Janom Steiner. Diese Governance stelle auch sicher, dass der elfköpfige Bankrat seine Aufsichts- und Kontrollfunktion über die SNB-Geschäftsführung «wirkungsvoll und unabhängig» wahrnehmen könne.

Handlungsbedarf beim Bankrat

Die Grande Dame in diesen Fragen, die emeritierte Rechtsprofessorin Monika Roth (70), sieht es ganz anders. Dass dem Bankrat drei amtierende Regierungsräte und eine ehemalige Regierungsrätin angehören, also ein Drittel von den Kantonen kommt, die die grossen Nutzniesser der SNB-Ausschüttungen sind, kritisiert sie: «Es ist klar, dass nicht vier von elf Bankratsmitgliedern ehemalige oder amtierende Regierungsräte sein sollten.»

Für Roth ist eindeutig: «Die Regeln für die Zusammensetzung des Bankrats der SNB müssen überarbeitet werden. Sie tragen der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Nationalbank und der Komplexität des Geschäfts nur ungenügend Rechnung.»

Jeder Bankrat müsse sich mit Governance-Fragen auskennen, betont die frühere Rechtsprofessorin, die heute Partnerin in einer Kanzlei ist. Roth stört auch die Übereinkunft zwischen dem Finanzdepartement und der Nationalbank zur Zusammensetzung des Bankrats. In diesem Memorandum of Understandig heisst es, «die Vertreter der Politik tragen Verantwortung auf kantonaler Ebene oder verfügen über ausgewiesene und vertiefte Kenntnisse und Erfahrungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik». Doch laut Roth braucht es eben beides, kantonale Verantwortung und Fachkenntnisse, nicht entweder oder.

Zudem reiche es doch nicht, wie die Übereinkunft verlangt, bloss «hohes Interesse» an den Anliegen der SNB zu haben. «Es geht hier nicht um einen Wohltätigkeitsverein. Das ist nicht stufengerecht und eher peinlich.» Es brauche Fachkenntnisse, Widerstandskraft und Durchsetzungswillen. Für Roth ist klar: «Der Bund muss über die Bücher. Das ist so nicht mehr zeitgemäss.»

Volksinitiative droht

Derweil wächst der Druck, die Nationalbank zum Klimaschutz zu bringen. Wie Blick berichtete, wird das Parlament Thomas Jordan antanzen lassen. Er soll die umstrittenen Investitionen erklären und darlegen, weshalb sein Institut gegen die Klimaziele der Schweiz agiert.

Die SP will den Nationalbank-Präsidenten gar zum Klimaschutz verpflichten. Dabei erhält sie Schützenhilfe von der Klima-Allianz. Deren Geschäftsführer Christian Lüthi droht mit einer Volksinitiative: Offenbar brauche die SNB einen Wink mit dem Zaunpfahl, damit sie einsehe, dass «der Schutz des Klimas im Landesinteresse ist». «Und», fügt Lüthi an, «offenbar braucht es den Druck der Strasse oder vielleicht eine Volksinitiative für einen klimafreundlichen Finanzplatz.»

Das alles hätte sich Jordan ersparen können, hätte die SNB sich selbst beim Wort genommen.

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