Das haben zwei Monate Krieg in der Ukraine angerichtet
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Erschütternde Bilanz:Das haben zwei Monate Krieg in der Ukraine angerichtet

Trotz Neutralität
Mitte-Präsident Pfister will Ukraine Waffen liefern

Die Schweiz lehnt den Export von Munition über Deutschland in die Ukraine ab. Das sorgt bei unseren Nachbarn für Ärger. Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister kritisiert den Bundesrat.
Publiziert: 24.04.2022 um 10:42 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2022 um 15:25 Uhr

Für Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59) ist der Fall klar: Der Bundesrat hat die Kompetenz, Waffenlieferungen in die Ukraine zu erlauben – und das, obwohl das Land derzeit Kriegspartei ist. Ja, für Pfister steht die Landesregierung sogar in der Pflicht: «Der Bundesrat ist verantwortlich für diese unterlassene Hilfe an die Ukraine.»

Die Schweizer Behörden dagegen halten sich streng an die Vorschriften. So hat nicht nur das Bundesamt für Rüstung Armasuisse von Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) seit Kriegsbeginn in der Ukraine Dutzende Anfragen für den Export von Schutz- und Kriegsmaterial in die Ukraine abgelehnt.

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Nun hat auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (62) Deutschland eine Absage erteilt, was bei unseren Nachbarn für Irritation sorgen soll.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Zelenski hofft auf mehr Unterstützung durch den Westen – gerade auch über Waffenlieferungen.
Foto: IMAGO
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«Beim Seco sind zwei Anfragen von Deutschland zur Weitergabe von zuvor aus der Schweiz erhaltener Munition an die Ukraine eingegangen», bestätigt Seco-Sprecher Fabian Maienfisch gegenüber der «Sonntagszeitung».

Schon länger ringt Deutschland mit sich, schwere Waffen in die Ukraine zu liefern. Gescheitert sein soll das auch an nicht ausreichender Munition für den Schützenpanzer vom Typ Marder, den sich die Ukraine wünsche. Hersteller ist der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall, der in der Schweiz auch Munition produzieren lässt.

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In Deutschland werden Vorwürfe laut

Das Seco aber hat die Weitergabe der Munition über Deutschland an die Kriegspartei Ukraine verboten. Die Anfragen Deutschlands seien mit Verweis auf die Schweizer Neutralität und die zwingenden Ablehnungskriterien der Kriegsmaterialgesetzgebung abschlägig beantwortet worden.

In Deutschland sorgt das für Ärger. In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz (53) machte die grüne Politikerin Marieluise Beck (69) aus ihrer Enttäuschung kein Geheimnis. Angesichts der Kriegsverbrechen Russlands sowie Diskussionen hierzulande über eine engere Anbindung an die Nato müssten die Schweizer «mitliefern». Der Schweiz wird vorgeworfen, sie sei mitverantwortlich, dass Deutschland der Ukraine so keine schweren Waffen liefern könne.

Gesetz verbietet Lieferungen an Kriegsparteien

Dem Seco sieht hier allerdings seine Hände gebunden. Die Schweiz bewilligt gemäss Gesetz die Ausfuhr von Kriegsmaterial nicht, wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist. Das ist bei der Ukraine der Fall. Kriegsmaterialexporte seien daher «zwingend abzulehnen».

Mitte-Präsident Pfister hingegen kommt zu einem anderen Schluss. Er verweist auf das Embargo-Gesetz. Nach seiner Lesart erlaubt dieses Waffenlieferungen in die Ukraine, wenn damit «die Interessen des Landes» gewahrt werden. «Letzteres scheint mir hier gegeben, wenn die Schweiz einer europäischen Demokratie hilft, sich zu verteidigen», begründet Pfister.

Thema ist hart umkämpft

Das Thema ist allerdings heftig umstritten. Für FDP-Ständerat Josef Dittli (65) ist genauso klar: Das Neutralitätsrecht verunmögliche die Lieferung von Kriegsmaterial an Nationen, die im Krieg stehen. «Da gibt es keinen Spielraum.»

Das sieht SVP-Ständerat Werner Salzmann (59) genauso. «Wenn nun einige die Regeln für die Ukraine aufweichen wollen, würden wir damit unsere Neutralität verletzten. Und dagegen wehre ich mich vehement!», stellt der Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats klar. «Wenn wir uns nicht an die klaren Regeln halten, brauchen wir keine Gesetze und Verordnungen mehr.»

Andere Staaten dürfen nicht einfach aus der Schweiz bezogenes Kriegsmaterial exportieren. Mit einer sogenannten Nichtwiederausfuhr-Erklärung verpflichten sie sich, das erhaltene Kriegsmaterial nicht ohne vorheriges Einverständnis der Schweiz weiterzugeben.

Nicht alle aber scheinen sich daran zu halten. So soll etwa Grossbritannien Panzerabwehrwaffen mit Schweizer Gefechtsköpfen in die Ukraine geschickt haben. Die Briten sollen dabei ein gesetzliches Schlupfloch ausgenutzt haben: Für Einzelteile oder Baugruppen einer Waffe sei für den Export keine Extra-Einwilligung des Bundes nötig.

Auch Bevölkerung stellt strenge Regeln infrage

Auch in der Schweiz werden die strengen Bestimmungen seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs infrage gestellt. Das zeigte eine repräsentative Umfrage des SonntagsBlick. Sogar 48 Prozent der grünen Wähler wollen demnach Waffen in die Ukraine schicken. Bei der SP sollen es immerhin 37 Prozent sein.

Auch verlangten 62 Prozent der Bevölkerung, dass der Bund Helme und Schutzwesten für die Ukrainer an die Front schickt – für eine Lockerung des rigiden Ausfuhrverbots bestünde also politisches Potenzial. (dba)

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