Waffenexporte in Bürgerkriegsländer
Jetzt kann das Parlament «Stopp!» sagen

Kommende Woche debattiert der Nationalrat über die Lockerung der Waffenexporte. Der Bundesrat wartet ab, wie das Parlament entscheidet. Er hofft, seinen eigenen Entscheid ohne Gesichtsverlust rückgängig machen zu können.
Publiziert: 18.09.2018 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2018 um 18:58 Uhr
BDP-Präsident Martin Landolt hat einen grossen Rückhalt bei seiner Fraktionsmotion und der angekündigten Volksinitiative, die letztlich beide die unkontrollierte Lockerung der Waffenexporte verhindern wollen.
Foto: Keystone
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Pascal Tischhauser

Bereitet die Landesregierung bei den Waffenexporten ihr Rückzugsgefecht vor? «Aus institutionellem Respekt» ist der Bundesrat bereit, den Entscheid des Parlaments zu einer Motion der BDP abzuwarten, bevor er entscheidet, ob Waffen künftig in Bürgerkriegsländer exportiert werden sollen, schreibt sie. Der BDP-Vorstoss will der Regierung das Waffenexport-Dossier aus der Hand nehmen und das Parlament über Änderungen der Exportregeln entscheiden lassen.

Der Bundesrat anerkennt in seiner Antwort auf die Motion, dass die Anpassung der Kriegsmaterialverordnung «kontrovers diskutiert» wird. Er stellt sich aber dennoch gegen seine eigene Entmachtung beim Waffenexport-Dossier. Der Nationalrat befindet kommende Woche über die Motion, der Ständerat entscheidet später.

Bundesrat lässt sich eine Brücke bauen

BDP-Chef Martin Landolt (50) findet, es gehöre sich, «dass der Bundesrat zuwartet, bis das Parlament unsere Motion behandelt hat». Aber die Landesregierung sendet mit ihrem Abwarten noch ein anderes Signal aus: Das Parlament soll dem Bundesrat eine Brücke bauen, damit er seinen Entscheid mit möglichst geringem Gesichtsverlust ungeschehen machen kann.

Denn der Druck auf die Landesregierung ist enorm: Die Korrektur-Initiative hat in Rekordzeit 43'000 Unterstützer gefunden, die je vier Unterschriften zusagen. Im Augenblick ihrer tatsächlichen Lancierung würde die Volksinitiative stehen. Sie will nicht nur die Ausweitung der Waffenexporte auf Bürgerkriegsländer verhindern, sondern auch die Lieferung in Staaten, die die Menschenrechte missachten, rückgängig machen.

Diesen drohenden Vertrauensentzug kann die Exekutive einfach nicht ignorieren. So ist die Antwort auf die BDP-Motion des Bundesrats eben auch eine Einladung ans Parlament, ihm einen Ausweg zu eröffnen.

Rheinmetall hätte besser geschwiegen

Zudem wächst der Druck auch mit tatkräftiger Unterstützung der Rüstungsindustrie: Am Montag hatte ein Sprecher der Rüstungsfirma Rheinmetall Air Defence in den Zeitungen der AZ-Medien gesagt, sie verlasse das Land, wenn die Schweiz ihre Waffenexportregeln nicht lockere. Diese Drohung der früheren Oerlikon Contraves kommt schlecht an – gerade auch bei bürgerlichen Politikern. Die Kommunikation sei unglücklich, sagt etwa die freisinnige Nationalrätin Corina Eichenberger (63). «Es wäre besser gewesen, das Unternehmen hätte geschwiegen.»

BDP-Chef Landolt findet, wenn ein Unternehmen nicht fähig sei, sich so aufzustellen, dass es nicht von Bürgerkriegen profitieren müsse, sei dessen Strategie fraglich. «Andere Rüstungsfirmen bauen Minensuchgeräte, die sogar noch gefördert werden können. Hier führend zu sein – das wäre zukunftsgerichtet.»

Für GLP und CVP betreibt Rheinmetall «Erpressung»

CVP-Sicherheitspolitiker Alois Gmür (63) geht gar noch weiter: «Das ist jenseits! Die Aussage von Rheinmetall ist reine Erpressung.» Ein Begriff, den auch GLP-Nationalrat Beat Flach (53) benutzt. Gmür sagt, er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Lockerung der Exporte den Ausschlag dafür geben würde, dass Rheinmetall bleibt oder eben die Schweiz verlässt. «Und falls doch, dann ist es halt so. Auf solche Firmen können wir verzichten.»

SVP-Nationalrat David Zuberbühler (39) doppelt nach. Eine starke heimische Rüstungsindustrie sei ihm aus Gründen der Unabhängigkeit zwar wichtig. Wenn das Unternehmen mit einem möglichen Wegzug aber Parlament und Bundesrat drohe, «gibt Rheinmetall den Waffenexportgegnern Auftrieb».

«Bundesrat soll für einmal Grösse zeigen»

Zu diesen Exportgegnern gehört SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (50). Sie sagt: «Mit Säbelrasseln erreicht man selten sein Ziel. Dass Rheinmetall der Schweiz gedroht hat, ist sehr schlecht angekommen.»

Sie nimmt aber auch den Bundesrat ins Gebet: «Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundesrat die breite Ablehnung und das riesige Unverständnis für die Ausweitung der Waffenexporte nicht einfach nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch einmal Chuzpe, ja sogar Grösse zeigt, seinen eigenen Fehler einzugestehen. So würde die Regierung an Ansehen gewinnen.»

Noch hat die Landesregierung diesen Schritt nicht gewagt. Bis der Ständerat frühestens in den Wintersession über die BDP-Motion befindet, bleibt noch Zeit.

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