Wegen des Ukraine-Kriegs
Erstmals sind über 100 Millionen Menschen auf der Flucht

Im letzten Jahrzehnt hat sich die Anzahl Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, mehr als verdoppelt, zeigt ein neuer Bericht des UNHCR. Durch den Krieg in der Ukraine wurde zum ersten Mal die Schwelle von 100 Millionen Vertriebenen weltweit überschritten.
Publiziert: 16.06.2022 um 06:59 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2022 um 07:00 Uhr
Laura Montani

Ende 2021 hatte die Zahl der Menschen, die durch Krieg, Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen vertrieben wurden, bereits einen historischen Höchststand von 89,3 Millionen erreicht.

Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und andere Konflikte hat sich die Situation nochmals verschärft. Weltweit ist die Zahl der vertriebenen Menschen im Mai auf über 100 Millionen angestiegen. Dies zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen, teilt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in seinem Jahresbericht mit.

Die Zahl der Vertriebenen steige damit schneller, als Lösungen gefunden werden können, warnt das UNHCR.

Zum ersten Mal sind weltweit über 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Das zeigt ein Bericht des UNHCR.
Foto: imago images/Markus Heine
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Zahl der Flüchtlinge nimmt jedes Jahr zu

Laut Weltbank sind 23 Länder in Konflikte mittlerer oder hoher Intensität verwickelt. Die anhaltenden Bürgerkriege in Jemen und Syrien, die Kämpfe in der äthiopischen Region Tigray und die Eskalation in Afghanistan zwangen Millionen von Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen.

«In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Vertriebenen stetig gestiegen», so Flüchtlingskommissar Filippo Grandi (65). Nur wenn die internationale Gesellschaft gemeinsam gegen diese «menschliche Tragödie» vorgehe, könne man diesen Trend brechen.

Die meisten Flüchtlinge sind Syrer

Mehr als zwei Drittel der Flüchtlinge kamen Ende 2021 aus nur fünf Ländern. Die meisten von ihnen, etwa 6,8 Millionen, aus Syrien, wo seit mehr als einem Jahrzehnt ein Bürgerkrieg wütet. Dieses Jahr dürfte die Ukraine wohl auf dem traurigen Spitzenplatz landen: Das UNHCR schätzt, dass über sieben Millionen Menschen das Land verlassen haben. Auf Platz 2 lag im Jahr 2021 Venezuela, gefolgt von Afghanistan, Südsudan und Myanmar.

Die wenigsten von ihnen kommen zu uns: 83 Prozent der Flüchtlinge finden Zuflucht in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, wobei mehr als ein Viertel von ihnen sogar in den am wenigsten entwickelten Ländern untergebracht ist. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die meisten Flüchtlinge in ein unmittelbares Nachbarland fliehen.

3,8 Millionen Flüchtlinge in der Türkei

Dementsprechend ist die Türkei das Land, das am stärksten von der Flüchtlingskrise betroffen ist: Ende 2022 werden rund 3,8 Millionen Flüchtlinge in der Türkei leben – die meisten von ihnen aus Syrien. Kein anderes Land hat so viele Flüchtlinge aufgenommen.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Gut 5,7 Millionen konnten 2021 in ihre Heimat zurückkehren – damit wurde das Niveau von vor der Corona-Pandemie wieder erreicht. Ferner gebe es immer wieder Beispiele dafür, dass Länder und Gemeinschaften zusammenarbeiten, um Lösungen für vertriebene Menschen zu finden, so Grandi. «Aber diese wichtigen Entscheidungen müssen anderswo wiederholt oder ausgeweitet werden.»

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