Wegen Rassendiskriminierung
Staatsanwaltschaft will gegen SVP-Schwergewichte ermitteln

Vergangenes Jahr sorgte eine SVP-Kampagne für Aufruhr. Mehrere Strafanzeigen wegen Rassendiskriminierung gingen ein. Jetzt will die Berner Staatsanwaltschaft gegen zwei SVP-Exponenten ermitteln.
Publiziert: 30.08.2024 um 18:14 Uhr
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Aktualisiert: 31.08.2024 um 09:42 Uhr
Die Berner Staatsanwaltschaft will wegen Verdacht auf Rassendiskriminierung gegen SVP-Ständerat Marco Chiesa ermitteln und dessen Immunität aufheben.
Foto: keystone-sda.ch
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Céline ZahnoPraktikantin Politik

Zwei SVP-Grössen sind ins Visier der Staatsanwaltschaft Bern geraten. Der Vorwurf: Sie sollen gegen die Anti-Rassismusstrafnorm verstossen haben.

Vergangenes Jahr sind bei den Behörden mehrere Strafanzeigen wegen Rassendiskriminierung rund um die Kampagne «Neue Normalität?» eingegangen, mit der die SVP Wahlkampf machte. Die SVP prangerte darin Asylkriminalität und -migration an. Auf dem Bild sind etwa dunkelhäutige Flüchtlinge zu sehen, mit einem grossen, roten «X» durchgestrichen.

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus hatte die SVP damals aufgefordert, die Kampagne vom Netz zu nehmen. Sie sei hetzerisch und verzerre die Realität. Die SVP hielt an den Sujets fest.

Kommissionen müssen über Immunität entscheiden

Die Staatsanwaltschaft Bern hat ein Verfahren eingeleitet, wie «CH Media» zuerst berichtete. Ermitteln will sie gegen den SVP-Ständerat Marco Chiesa und alt Nationalrat Peter Keller. Die Staatsanwaltschaft beantragt dem Parlament, die Immunität der beiden aufzuheben. Die beiden Parlamentarier waren verantwortlich für die Kampagne: Chiesa war zu diesem Zeitpunkt Präsident, Keller Generalsekretär der SVP Schweiz.

Die Rechtskommission des Ständerats und die Immunitätskommission des Nationalrats müssen nun entscheiden, ob die Immunität aufgehoben wird. Nur wenn sie diesem Antrag folgen, kann gegen Chiesa und Keller ermittelt werden. Dies, weil die mutmassliche Straftat im Zusammenhang mit ihrem damaligen Amt steht. Die Kommissionen werden abwägen, ob die Vorwürfe strafrechtlich gravierender sind als die ungehinderte Ausübung des politischen Mandats.

SVP-Präsident Marcel Dettling kritisiert die Eröffnung des Strafverfahrens scharf. «Dies ist ein skandalöser Angriff auf die Demokratie und die Meinungsäusserungsfreiheit», lässt er sich zitieren.

Strafverfahren werden wohl scheitern

Eine Verurteilung dürften Chiesa und Keller nicht zu befürchten haben: «Die Strafverfahren werden scheitern», sagt Marcel Niggli, Strafrechtsprofessor an der Universität Freiburg, zu «CH Media». Er hat sich in mehreren Publikationen mit der Anti-Rassismusstrafnorm auseinandergesetzt. Man möge die Kampagne doof oder unanständig finden, aber die SVP behaupte keine Minderwertigkeit oder Minderberechtigung bestimmter Ausländergruppen, sagt Niggli. Das sei die Voraussetzung für eine Rassendiskriminierung im strafrechtlichen Sinn.

Bis es zur Strafverfolgung kommen würde, müssten die Parlamentsmitglieder aber erst noch die Immunität von Chiesa und Keller aufheben. Und das passiert äusserst selten.

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