Wegen Stromlücke droht temporäre Schliessung
Schwimmbäder fürchten «Horror-Szenario»

Rund 1800 Hallenbäder gibt es in der Schweiz. Bei einer Strommangellage gehören sie zu den ersten, die mit einer Schliessung rechnen müssen. Dieses «Horrorszenario» wollen die Betreiber abwenden.
Publiziert: 23.08.2022 um 11:44 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2022 um 18:55 Uhr
Ruedi Studer

Rund 330 Millionen Kilowattstunden Strom verbrauchen die über 1800 Hallenbäder in der Schweiz jedes Jahr – das zeigen die Zahlen eines Infrawatt-Gutachtens von 2016. Das entspricht dem Stromverbrauch von gut 65'000 Durchschnittshaushalten für ein ganzes Jahr. Zusammen mit den Schulschwimmbädern verbrauchen die öffentlichen Hallenbäder gut 70 Prozent dieses Stromverbrauches, private Hallenbäder 30 Prozent.

Die drohende Strommangellage vor Augen kommen nun auch die Hallenbadbetreiber ins Schwimmen. Im Ernstfall müssen sie mit Einschränkungen und Verboten durch den Bund rechnen. Sollten freiwillige Sparmassnahmen durch die Bevölkerung nicht genügend einschenken, will der Bund bei «nicht absolut notwendigen, energieintensiven Geräten» ansetzen – beispielsweise Klimaanlagen, Leuchtreklamen oder eben auch Schwimmbädern.

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Wegen der möglichen Stromlücke droht Schwimmbädern die Schliessung – hier das Erlebnisbad Bellavita in Pontresina GR.
Foto: Daniel Martinek
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Vollschliessung – ein Horrorszenario

Das macht dem Verband Hallen- und Freibäder (VHF) Sorgen. «Eine Vollabschaltung der Schwimmbäder wäre für uns ein Horrorszenario», sagt VHF-Geschäftsführer Martin Enz (57) zu Blick. Denn eine Vollschliessung würde einen ganzen Rattenschwanz an Problemen nach sich ziehen.

So würden etwa Schulschwimmen oder gesundheitsfördernde Kurse wie Aquajogging ins Wasser fallen. «Das könnte gesundheitliche und soziale Probleme zur Folge haben», warnt Enz und verweist auf den Bewegungsmangel in der Corona-Krise. «Und lernen die Schulkinder nicht schwimmen, drohen später mehr Badeunfälle.»

Entlassungen denkbar

Aber auch wirtschaftlich gibt es Risiken. Von der öffentlichen Hand geführte Bäder könnten für ihr Personal nicht einfach Kurzarbeit beantragen, sagt Enz. «Entweder man kann sie anderweitig in der Gemeinde beschäftigen oder es kommt zu Entlassungen.»

Enz kennt die Problematik aus erster Hand. In der Bündner Gemeinde Pontresina ist er zuständig für den Bereich Infrastrukturen und gleichzeitig Geschäftsführer des Bellavita Erlebnisbad und Spa. Ihm unterstehen 27 Mitarbeitende, verteilt auf 20 Vollzeitstellen in der ganzen Infrastrukturabteilung. «Während der Corona-Krise mussten wir das Bad temporär schliessen und für die Mitarbeitenden Übergangslösungen finden», so Enz.

Zu Entlassungen sei es zum Glück nicht gekommen. In anderen Gemeinden aber schon. «Und dann fehlt das Personal, wenn man wieder öffnen kann – so ist auch unsere Branche von Fachkräftemangel betroffen», erklärt Enz.

Und schliesslich müsse man auch berücksichtigen, dass es bei einem Hallenbad ausser Betrieb auch zu Baustrukturschäden kommen könne.

Rutschen und Sprudel abschalten

Um das Horrorszenario zu verhindern, bieten die Hallenbadbetreiber Hand zum Energiesparen. «Wir setzen uns in der Branche ein, um den Energiebedarf zu reduzieren», betont Enz. Der Verband empfiehlt seinen Mitgliedern, rechtzeitig Energiesparmassnahmen, aber auch Schliessungsszenarien zu planen.

Dabei macht man auch bereits konkrete Ideenvorschläge: «Wir thematisieren Szenarien wie kürzere Öffnungszeiten oder Teilschliessungen von Anlagen mit grossem Energiebedarf wie Saunabereiche oder beheizte Aussenbäder», so Enz. Vorstellbar sei etwa auch, dass Attraktionen wie Wasserrutschen oder Sprudelbäder abgeschaltet würden.

Enz schätzt, dass sich im Bellavita damit gut 30 Prozent an Energie einsparen liessen. «Wenn alle ihren Beitrag leisten, kommen wir auch ohne Vollschliessungen durch den Winter», ist er überzeugt. Zudem sei es wichtig, sich mit dem jeweiligen Energieversorger abzusprechen.

Bund soll liefern

Tipps und Empfehlungen erwartet der Verband nun auch vom Bund. «Wir müssen wissen, woran wir sind und was konkret verlangt wird, damit wir uns auf die Situation einstellen können», sagt Enz. Das gelte nicht nur für Hallenbäder, sondern auch für andere Sportanlagen. So ist Enz auch Geschäftsführer der Gesellschaft Schweizerischer Kunsteisbahnen, die angesichts der drohenden Stromlücke vor ähnlichen Problemen steht.

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Tatsächlich dürfte der Bundesrat in nächsten Wochen Entscheide fällen, in welchen Bereichen er wie stark ansetzen will. In einer ersten Phase dürfte es sich noch um Empfehlungen und Spartipps handeln.

Enz geht davon aus, dass es vor allem ab Februar auch für die Hallenbäder langsam kritisch werden könnten, wenn sich die Speicherseen je länger, desto stärker leeren dürften.

«Wir hoffen, dass unsere Branche aber schon vorher beim Energiesparen mitmacht», so Enz. Seine Zielsetzung ist klar: «Wir müssen es schaffen, dass zumindest das einfache Schwimmen auch den Winter hindurch möglich bleibt.»

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