«Die Bundespolizei wurde handgreiflich»
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SVP-Nationalrat zum Vorfall:«Die Bundespolizei wurde handgreiflich»

Handgemenge mit Bundespolizisten
SVP hat den Tumult provoziert

Vor dem Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk kam es im Bundeshaus zu Handgreiflichkeiten: SVP-Politiker gerieten mit der Bundespolizei aneinander. Nicht ganz zufällig, wie es heisst. Jetzt äussert sich auch Bundesrat Rösti.
Publiziert: 12.06.2024 um 10:43 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2024 um 11:12 Uhr

Am Mittwoch besuchte der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk (48) das Bundeshaus. Unter anderem traf er sich mit Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (63). Angesichts der Ukraine-Friedenskonferenz am kommenden Wochenende waren die Sicherheitsmassnahmen hoch: Der gesamte Bundesplatz war abgesperrt, der Zugang zum Parlamentsgebäude stark eingeschränkt, drinnen patrouillierten Bundespolizisten mit Maschinenpistolen.

Ein ungewöhnliches Bild fürs Bundeshaus, wenn auch nur für ein paar Minuten, während denen Stefantschuk im Foyer empfangen wurde. Doch einigen Parlamentariern war selbst das zu viel. Während der Begrüssung des ukrainischen Gastes zu Füssen der drei Eidgenossen war die Bewegungsfreiheit im Treppenhaus eingeschränkt.

«Ein Skandal»

Das mussten auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (45) und sein Walliser Parteikollege Michael Graber (43) erfahren, und zwar buchstäblich am eigenen Leib. Beide wurden von der Bundespolizei Fedpol «gewaltsam», wie Graber sagt, daran gehindert, die Treppe zu benutzen. Auf einem Video, das Aeschi auf X teilte, ist zu sehen, wie er von zwei Polizisten recht rabiat von der Treppe vertrieben wird.

Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefanchek trifft am Mittwoch im Bundeshaus ein.
Foto: Blick
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«Das ist ein absoluter Skandal», echauffierte sich Graber. «Wir sind vom Volk gewählte Parlamentarier. Es geht nicht an, dass Bundespolizisten uns gegenüber handgreiflich werden.»

Aktion kam nicht überall gut an

Wobei: Wie verschiedene Parlamentarier, auch aus der SVP, bestätigen, liefen Aeschi und Graber nicht rein zufällig in die Arme der Bundespolizisten. Der Vorfall sei von ihnen vielmehr inszeniert worden. Die SVP habe nur auf einen günstigen Moment gewartet, um medienwirksam für einen Eklat zu sorgen. Es sei einmal mehr darum gegangen, ein Zeichen gegen die aus ihrer Sicht falsche Ukraine-Politik der Schweiz zu setzen. Die Partei stemmt sich gegen jedwede Stellungnahme der offiziellen Schweiz zugunsten des von Russland angegriffenen Lands.

Selbst in den eigenen Reihen kam die Aktion nicht nur gut an: Als selbsternannte Law-and-Order-Partei gegen die Polizei vorzugehen, sei falsch. Umso mehr, als Graber mit einem NS-Vergleich die Wogen noch höher gehen liess: Die Polizisten hätten ihm beschieden, dass sie nur Befehle befolgten, so der Walliser. «Solche Leute, die nicht selbst den Kopf einschalten, wären im Dritten Reich auch die ersten gewesen, die stur Befehle befolgt hätten. Wer auch immer politisch dafür verantwortlich ist, ist nicht mehr tragbar.» Wen er damit meint – Nationalratspräsident Nussbaumer oder Bundesrat Beat Jans (59), den obersten Dienstherren der Bundespolizei –, liess Graber offen.

Und auch Fraktionschef Aeschi wird kritisiert: «Gerade er als Zuger sollte bezüglich Sicherheit im Parlament sensibilisiert sein», sagt ein Parlamentarier und spielt dabei auf den Amoklauf 2001 im Zuger Kantonsrat mit 15 Toten an.

Höchster Schweizer erinnert an Hausordnung

Aeschi versuchte später, den Ball flach zu halten: Nach dem Vorfall habe er bereits eine Aussprache mit dem zuständigen Dispositiv-Verantwortlichen geführt. «In Zukunft soll sichergestellt werden, dass es während der Session bei solchen Besuchen zu weniger Einschränkungen der parlamentarischen Arbeit kommt.»

Erledigt ist die Sache auch für Nationalratspräsident Nussbaumer. Er selbst habe den Eklat nicht miterlebt, so der höchste Schweizer am Rande einer Medienkonferenz. Aber: «Die Hausordnung ist klar, den Anweisungen des Sicherheitspersonals ist immer Folge zu leisten.»

Rösti kritisiert Sicherheitsdispositiv

Auch SVP-Bundesrat Albert Rösti (56) hat sich am Abend zu dem Vorfall geäussert – und seinen Parteikollegen den Rücken gestärkt. «Dass ein gewählter Parlamentarier, der allen bekannt ist, nicht seiner Arbeit nachkommen kann: da bin ich der Meinung, das geht nicht», sagte er zu SRF. Das Sicherheitsdispositiv müsse so getroffen werden, dass National- und Ständeräte sich frei im Bundeshaus bewegen können.

Beim Fedpol will man sich aus taktischen und sicherheitsrelevanten Gründen nicht zum Fall äussern. Das Fedpol gewährleiste den Schutz von völkerrechtlich geschützten Personen, wenn sie sich in der Schweiz aufhalten, hiess es dazu lediglich. Dazu gehöre auch der ukrainische Parlamentspräsident Stefantschuk. Die Parlamentsdienste ihrerseits teilten mit: Die Büros von National- und Ständerat sowie die Ratsmitglieder seien vorgängig über diesen Besuch informiert worden.

Service-Tweet von GLP-Flach

Doch nicht nur in der SVP ist das Unverständnis gross: Auch FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (42), Sohn des ehemaligen Stadtberner Polizeidirektors Kurt Wasserfallen (1947-2006), schrieb auf X: «Das habe ich wirklich noch nie erlebt. Überall im Treppenhaus im Parlamentsgebäude stehen mit Maschinenpistolen bewaffnete Bundespolizisten, die die Leute und Mitglieder des Parlamentes daran hindern, sich im Gebäude frei zu bewegen. Das geht nicht!»

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Doch da gehen die Meinungen auseinander. Mitte-Politikerin Elisabeth Schneider-Schneiter (60) schrieb auf X, dass die Regeln schliesslich zur Sicherheit des Parlaments da seien: «Der Auftritt dieser Parlamentarier ist eine Schande!» Und GLP-Nationalrat Beat Flach (59) setzte einen «Service-Tweet» für seine Kolleginnen und Kollegen ab: «Es gibt neben der Kuppelhallentreppe vier Aufzüge und vier Treppen, die von den Plenarsälen im Bundeshaus ins Parterre führen. Bei einem Staatsanlass in der Halle kann man die gut nutzen», schrieb er.

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