Weil wenig in der Kasse ist
Maurer fährt Industrie und SVP-Kollege an den Karren

Bundesrat Ueli Maurer plant die Verschiebung der auf 2024 vorgesehenen Abschaffung der Industriezölle. Grund ist die schlechte finanzielle Lage. Die Industrie fühlt sich vor den Kopf gestossen.
Publiziert: 08.11.2022 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2022 um 10:05 Uhr

Finanzminister Ueli Maurer (71) ist unzufrieden mit der Finanzlage des Bundes. Mit einer Hauruck-Übung will er den Kontostand des Bundes verbessern. Dazu plant Maurer die bereits beschlossene Abschaffung der Industriezölle nicht wie vorgesehen 2024 einzuführen, sondern erst später. So würden weiterhin jährlich 500 Millionen Franken Zollabgaben in seine Kasse fliessen.

Das sorgt ausgerechnet bei Maurers Parteikollegen, Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62), für Unmut. Dieser verspricht sich mit der Reform eine Erholung der Wirtschaftskraft nach der Pandemie, weil Unternehmen so von günstigeren Importen profitieren könnten.

Aus seiner Unzufriedenheit macht Parmelin an einer Sitzung mit den ständerätlichen Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben (WAK) kein Geheimnis. Daraufhin machte die WAK-S Maurers Pläne prompt publik. «Das geht gar nicht! Man kann das Datum nicht einfach so kurzfristig ändern», sagt WAK-S-Präsident Alex Kuprecht (64, SVP). Die Wirtschaft sei auf die Erleichterung angewiesen.

Er will mit der Umsetzung der Zollreform noch etwas zuwarten: Finanzminister Ueli Maurer.
Foto: keystone-sda.ch
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Weniger Büroaufwand erwartet

Erst im Februar hatte der Bundesrat mitgeteilt, dass die Industriezölle am 1. Januar 2024 fallen. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse jubilierte und rechnete vor, dass die Unternehmen dadurch 100 Millionen Franken administrativer Aufwand einsparen und sich auf 350 Millionen Franken tiefere Konsumentenpreise freuen können. Gemäss seinen Modellrechnungen sollte das Bruttoinlandprodukt dadurch um 860 Millionen Franken steigen.

Es ist also wenig überraschend, dass die Nachricht über eine mögliche Verschiebung der Reform ein Dämpfer für die Industrie ist. «Die Vorbereitungsarbeiten bei den betroffenen Unternehmen sind längst in Gang», sagt Swissmem-Vizedirektor Jean-Philippe Kohl (56) zu Blick. Dafür seien etwa IT-Systeme, aber auch Verträge angepasst worden, denn Firmen seien davon ausgegangen, ab 2024 günstiger Produkte und Materialien einführen zu können. «Werden die Zölle wirklich nicht wie angekündigt abgeschafft, bedeutet dies möglicherweise den Verlust von Kunden und Vertrauenswürdigkeit von Schweizer Firmen», befürchtet Kohl.

Vorschlag aus der Finanzverwaltung

Im Herbst 2021 hatte das Parlament entschieden, dass die Schweizer Zölle auf Importgüter ausserhalb des Agrar- und Fischereisektors abzuschaffen seien. Man spricht von Industriezöllen, doch gemeint sind auch Zölle auf Kleider, Schuhe und Fahrzeuge. 2018 flossen aus diesen Importprodukten Zölle in Höhe von 540 Millionen in die Bundeskasse, wovon über die Hälfte auf den Sektor Textilien, Kleider und Schuhe entfiel.

Über Maurers Vorhaben wird schon länger in der Verwaltung diskutiert. Auch deshalb fragte Blick den Säckelmeister im September an, ob er die Reform verschieben wolle: «Beschlossen ist noch nichts, und der Bundesrat hat sich dies auch noch nicht überlegt», sagte er damals. Es handelt sich um einen Vorschlag der Finanzverwaltung, wie man mit eventuellen Budget-Engpässen umgehen könnte.

Voraussichtlich an seiner nächsten Sitzung will sich die Regierung sich der Sache nochmals annehmen.

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