Weltwoche erntet Kritik für Überlebensratgeber
«Frauen, provoziert die Männer nicht»

Die «Weltwoche» erntet einen Sturm der Kritik auf Twitter für einen «Überlebensratgeber», der junge Frauen vor sexueller Belästigung im Nachtleben bewahren soll.
Publiziert: 18.07.2021 um 15:46 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2021 um 16:36 Uhr
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Jocelyn Daloz

Eine Doppelseite, die beweist, dass sich auch die «Weltwoche» für die Sache der Frauen interessiert. Die Zürcher Wochenzeitung, die seit 2006 – als sie vom heutigen SVP-Nationalrat Roger Köppel (56), übernommen wurde – einen Rechtsruck vollzog, lässt nun keine Provokation aus.

Die neueste Ausgabe ist ein «Survival Guide» für Frauen, die gerne feiern. Sogar die Titelseite ist dem Beitrag gewidmet.

Umstrittene Tipps

Der Journalist geht von der Tatsache aus, dass 59 Prozent der Frauen angeben, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein – und dass das Nachtleben eine Welt der Männer sei, die sorglos durch die Strassen ziehen. Insofern eine Bestätigung dessen, was feministische Verbände seit Jahren kritisieren.

Das Nachtleben kehrt zurück – und damit laut der «Weltwoche» ein «Dschungel» für Frauen.
Foto: AFP
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Nur kommt sie zu einem ganz anderen Schluss als die feministischen Streikaktivistinnen, die ein Ende von Belästigungen, Übergriffen und Vergewaltigungen fordern. Obwohl die «Weltwoche» die Existenz dieser inakzeptablen Verhaltensweisen zu beklagen scheint, ist sie der Meinung, dass sie vermieden werden könnten – wenn Frauen ein paar goldene Regeln befolgen würden. Einige Beispiele:

  1. «Geize mit Reizen», um nicht Hupen, Pfeifen und andere abfällige Bemerkungen auf sich zu ziehen
  2. Feiere mit Freunden
  3. Tanze zu Elektro, weil es in Hip-Hop-Clubs zu viele Macho-Männer gebe
  4. Herrin der Sinne bleiben, damit niemand einen berauschten Zustand ausnutzen kann
  5. Goethe zitieren: Offenbar wird ein übergriffiger Mann von Gelehrsamkeit abgeschreckt
  6. Frauen nicht küssen. Das ziehe im besten Fall Sprüche an, im schlimmsten Homophobie und Ablehnung. Frausein genüge schon, um ungewünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, darum: «Ja nichts provozieren»!
  7. Den Fahrer kennen und ein geladenes Smartphone bereit haben
  8. Nicht zu spät nach Hause kommen
  9. Zu kämpfen lernen, etwa in Selbstverteidigungskursen
  10. Fremde Betten meiden, also einen One-Night-Stand lieber ins eigene Heim mitnehmen

«Hätte ich doch den Typen, die mich zwangen und drängten, den richtigen Musikgeschmack vorgegaukelt», spottete ein Twitter-Userin. «Sie hätten bestimmt aufgehört.»

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Die Juristin Nora Scheidegger, die in der Deutschschweiz durch ihren Kampf für die Aufnahme des Begriffs der Einwilligung in das Sexualstrafrecht bekannt ist, fasste schlicht zusammen: «Ratschläge für Frauen bei der Partnersuche, 2021.» Viele nahmen aber Anstoss daran, dass die Schuld an der Belästigung so bei den Opfern liege.

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Überraschenderweise gibt der Verfasser des Textes an, für die Recherche auch LGBT-Aktivisten und Feministinnen interviewt zu haben. Es werden jedoch keine Namen genannt.

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In die Tasten griff auch die «Annabelle». Ein Ratgeber, der sich so weit entfernt von der aktuellen Debatte entfernt positioniere, sei «schlicht ignorant.»


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