Wirtschaftspolitiker stimmen oppositionslos zu
Eigenmietwert steht vor dem Aus

Der Wind hat gedreht – schon bald könnte der ungeliebte Eigenmietwert Geschichte sein. Die Wirtschaftskommission des Ständerats hat die Abschaffung im Grundsatz «oppositionslos» beschlossen.
Publiziert: 17.01.2019 um 08:42 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2019 um 13:06 Uhr
Der Solothurner Ständerat Pirmin Bischof ist «vorsichtig optimistisch», dass die Abschaffung des Eigenmietwerts gelingt.
Foto: Keystone
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

1934 war der Bund klamm. Damals führte er die Krisensteuer und mit ihr den Eigenmietwert ein – ein Unikum, das die Schweiz seit da nicht mehr losgeworden ist. 

Dies, weil der Hauseigentümerverband zwar den Eigenmietwert verteufelte, aber nicht auf die Abzüge für Schuldzinsen, Unterhaltsarbeiten und Energiemassnahmen verzichten wollte.

Weil auch das Baugewerbe bloss den Eigenmietwert versenken, aber auf den Abzügen für Renovationen beharrte. Und weil die Banken den Schuldzinsabzug nicht hergeben wollten. Schliesslich ist das Hypothekargeschäft für sie die Haupteinnahmequelle. Und weil die Mieter sowieso die Gefahr sahen, dass Hauseigentümer bevorzugt werden.

Das ist der Eigenmietwert

Hausbesitzer, die in ihren eigenen vier Wänden wohnen, müssen bis jetzt die fiktive Miete als Einkommen versteuern. Es handelt sich beim Eigenmietwert also um eine bloss theoretische Einnahme, die der Hausbesitzer erzielen könnte, wenn er seine Liegenschaft vermieten würde.
Heute kann der Hauseigentümer, der die Liegenschaft selbst bewohnt, die steuerliche Mehrbelastung durch den Eigenmietwert mit zahlreichen Abzugsmöglichkeiten kompensieren: Er kann Unterhaltsarbeiten an der Immobilie und die Schuldzinsen steuerlich geltend machen. Letzteres ist der Grund dafür, weshalb viele ihre Hypothekarschulden nicht zurückzahlen.

Hausbesitzer, die in ihren eigenen vier Wänden wohnen, müssen bis jetzt die fiktive Miete als Einkommen versteuern. Es handelt sich beim Eigenmietwert also um eine bloss theoretische Einnahme, die der Hausbesitzer erzielen könnte, wenn er seine Liegenschaft vermieten würde.
Heute kann der Hauseigentümer, der die Liegenschaft selbst bewohnt, die steuerliche Mehrbelastung durch den Eigenmietwert mit zahlreichen Abzugsmöglichkeiten kompensieren: Er kann Unterhaltsarbeiten an der Immobilie und die Schuldzinsen steuerlich geltend machen. Letzteres ist der Grund dafür, weshalb viele ihre Hypothekarschulden nicht zurückzahlen.

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Plötzlich kann man auf die Abzüge verzichten

Doch jetzt hat der Wind gedreht: Die Hauseigentümer wollen nicht mehr unter allen Umständen an den Abzugsmöglichkeiten festhalten. Sie wollen das Zeitfenster nutzen, das ihnen die Tiefzinsphase bringt. Auch das Baugewerbe verhält sich ruhig – obwohl auch die Abzüge für den Unterhalt fallen.

Selbst die Banken hätten nicht reagiert, heisst es aus der Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S), die die Abschaffung des Eigenmietwerts und der Abzüge auf Bundesebene seit Anfang Woche diskutiert hat.

Raiffeisen prüft offen

So treffen die Pläne der Wirtschaftspolitiker auch bei der grössten Hypothekenbank der Schweiz nicht auf totale Ablehnung: Auf Anfrage teilt Raiffeisen mit, man prüfe die Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts offen, sobald der Bericht der Wirtschaftskommission dazu veröffentlicht sei.

Die WAK-S spricht sich im Grundsatz – «oppositionslos» wie sie schreibt – für den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung aus. Im Februar will sie die Beratung abschliessen und schon im März die Vorlage in die Vernehmlassung schicken.

Zehn Jahre Ersterwerberabzug für frische Häuserkäufer

Ein Problem bleibt: Der Wegfall der Abzugsmöglichkeiten würde das Wohneigentum für junge Familien, die sich eben erst ein eigenes Haus zugelegt haben und für Leute, die sich eines kaufen wollen, verteuern. Die Lösung: Es soll es einen Ersterwerberabzug geben.

«Nur mit dem befristeten Ersterwerberabzug, mit dem neue Hausbesitzer zehn Jahre lang die Hypothekarzinsschulden abziehen können, ist es für Normalverdiener auch weiterhin erschwinglich, ein Eigenheim zu kaufen», erklärt WAK-S-Präsident Pirmin Bischof (59, CVP). Es sei angedacht, dass der Ersterwerberabzug mit einem Maximalabzug von 10'000 Franken startet, der sich dann jedes Jahr um 1000 Franken reduziert.

Bischof: «Vorsichtig optimistisch»

Das Ziel war es, den Systemwechsel für den Fiskus möglichst kostenneutral zu gestalten. Wobei der Staat mit dem vorliegenden Päckli beim aktuellen Hypothekarzinssatz um ein Prozent einen tiefen dreistelligen Millionenbetrag weniger einnehmen würde. Ab einer Höhe von 3,5 Prozent würden sich der Wegfall der Einnahmen durch den Eigenmietwert und jener der Mindereinnahmen durch die Abzüge aber die Waage halten.

Da aber bislang alle Versuche, den Eigenmietwert abzuschaffen, erfolglos waren, ist Pirmin Bischof trotz fehlender Totalopposition vorsichtig: «Ich bin verhalten optimistisch, dass uns mit diesem Päckli die Abschaffung des Eigenmietwerts gelingt.»

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