Im Fall Wilson A.
Zürcher Obergericht spricht Polizisten frei

2009 soll er einen dunkelhäutigen Mann bei einer Personenkontrolle angegriffen und verletzt haben. Nun wurde der 48-jährige Polizist freigesprochen.
Publiziert: 15.02.2024 um 12:47 Uhr
|
Aktualisiert: 15.02.2024 um 22:03 Uhr
Zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer begleiteten Wilson A. (M.) am Donnerstag zu dem Prozess gegen einen Polizisten.
Foto: MICHAEL BUHOLZER

Das Zürcher Obergericht hat einen 48-jährigen Polizisten vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens freigesprochen. Ihm wurde vorgeworfen, 2009 in Zürich einen dunkelhäutigen Mann massiv angegriffen zu haben, als dieser sich gegen eine Personenkontrolle wehrte.

Das Zürcher Obergericht bestätigte am Donnerstag den Freispruch des Bezirksgerichts Zürich vom April 2018. Zusammen mit dem 48-jährigen Polizisten, der den umstrittenen Einsatz leitete, standen damals auch noch eine Polizistin und ein Polizist vor Gericht. Ihre Freisprüche wurden vor Obergericht nicht mehr angefochten.

Racial-Profiling-Vorwurf zurückgewiesen

Wie schon das Bezirksgericht sprach das Obergericht den Polizisten vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens frei. Dieser habe den damals 36-jährigen Privatkläger Wilson A. nicht gewürgt und auch sonst keine unangemessene Gewalt angewendet. Viel mehr habe der Privatkläger die Eskalation durch sein Verhalten verursacht.

Vorwürfe bezüglich Racial Profiling, die der Anwalt des Privatklägers erhob, wies das Gericht zurück. «Wenn die Polizei eine dunkelhäutige Person sucht, wird sie dunkelhäutige Personen und nicht weisse Personen kontrollieren und umgekehrt», sagte der vorsitzende Richter.

Auch der Anwalt des beschuldigten Polizisten sagte, es liege kein Fall von Racial Profiling vor. Die Polizisten hätten den Privatkläger verhaften müssen, nachdem dieser sich fürchterlich über die Kontrolle aufgeregt und die Beamten angegriffen habe. Von einem Gewaltexzess seitens der Polizisten könne keine Rede sein.

Wurde Wilson A. gewürgt?

Der mittlerweile 50-jährige Wilson A. war an dem Abend im Oktober 2009 nach einer Party zusammen mit einem ebenfalls dunkelhäutigen Freund auf dem Heimweg im Tram. Als eine Polizistin und ein Polizist in das Tram stiegen, und ihre Ausweise verlangten, kippte die gute Laune der beiden Männer. Sie vermuteten, dass sie nur wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert würden und sagten dies auch.

Die beiden Polizisten stiegen mit den beiden Männern an der nächsten Haltestelle aus, wo bereits ein dritter Polizist wartete. Es war der Gruppenführer, der am Donnerstag vor Obergericht stand.

Ab diesem Zeitpunkt gehen die Darstellungen der beiden Männer und der Polizisten weit auseinander. Die Polizisten hätten sich grundlos auf Wilson A. gestürzt, ihn mit Pfefferspray und Schlägen eingedeckt. Schliesslich sei er auch noch gewürgt worden, sagte der Anwalt von Privatkläger Wilson A.

Raunen geht durch Gerichtssaal

Gemäss den Polizisten wiederum habe sich Wilson A. von Anfang an unkooperativ und aggressiv verhalten und sie angegriffen. Sie hätten sich deshalb wehren müssen und ihn schliesslich mit vereinten Kräften zu Boden gebracht und festgenommen. Grund der Kontrolle sei gewesen, dass einer der Männer Ähnlichkeiten mit einer damals zur Fahndung ausgeschriebenen Person hatte.

Letzteres bestritt der Anwalt von A. vehement. Es handle sich dabei um eine reine Schutzbehauptung der Polizisten, die sich erst nach dem Vorfall zurechtgelegt hätten. Dutzende Sympathisantinnen und Sympathisanten von Wilson A. versammelten sich am Donnerstagmorgen vor dem Zürcher Obergericht zu einer Kundgebung und begleiteten ihn auch in den Gerichtssaal.

Ein ungläubiges Raunen ging durch den Saal, als der beschuldigte Polizist davon sprach, dass ihn das langwierige Gerichtsverfahren persönlich stark belaste. Der Richter drohte, im Wiederholungsfall den Saal räumen zu lassen. Auch bei der Verkündung des Freispruchs für den Polizisten kam es zu kurzen Unmutsbekundungen aus dem Publikum.

Das Urteil des Obergerichts ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. Die Anwälte und Unterstützer hatten bereits im Vorfeld angekündigt, den Fall, wenn nötig, bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ziehen zu wollen. (SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?