Er hatte einen «Früchtehandel»
Hoher kolumbianischer Drogenbaron in der Schweiz vor Gericht

Von Basel aus schmuggelte Alvaro H. tonnenweise Kokain von Kolumbien nach Europa. Er organisierte Schiffe und Taucher oder nutzte seinen «Früchtehandel», um die heisse Ware unbemerkt einzuschleusen. Aber auch Kleinstmengen verkaufte er in Basel.
Publiziert: 12.01.2023 um 00:19 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2023 um 16:43 Uhr
Céline Trachsel
Céline TrachselReporterin

Eine Seltenheit in der Schweiz: Demnächst steht ein hohes kolumbianisches Kartell-Mitglied in Basel vor Gericht. Ab dem 16. Januar muss Alvaro H.* (47) vor dem Richter antraben. Der spanisch-kolumbianische Doppelbürger, der seit 2012 in der Stadt lebt und einen C-Ausweis hat, soll in einer «global tätig gewordenen Drogenhändlergruppierung auf höchster, äusserst selten sichtbar werdender Führungsebene» agiert haben. Und dies als Teil des «Clan del Golfo», des mächtigsten Verbrechersyndikats Kolumbiens.

Die Anklageschrift klingt wie das Drehbuch eines Hollywood-Films. So reiste Alvaro H. 2020 nach Kolumbien, um sein dortiges Netzwerk auszuweiten und die bandeninterne Hierarchieleiter weiter emporzusteigen.

Alvaro H. stammt aus der kolumbianischen Kleinstadt Montenegro, die zwischen den Metropolen Medellín und Cali liegt. Fortan beteiligte er sich an internationalen Transporten, die er über seinen Früchtehandel laufen liess. Das Koks wurde in Ananas-, Bananen- oder Litschi-Lieferungen versteckt und ging nach Europa, Afrika und Australien. Die Staatsanwaltschaft geht von acht bis neun Tonnen Kokain aus, bei denen Alvaro H. mithalf, sie an die Zielorte zu bringen.

An der Sandgrubenstrasse 66 und 64 in Basel betrieben Alvaro H. und seine Bandenmitglieder eine Kokain-«Ranch», wo sie Einzelportionen für Endkonsumenten abpackten.
Foto: Céline Trachsel
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Über diese Wege kommt Kokain in die Schweiz
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Flugzeug, Frachter, Kurier:Über diese Wege kommt Kokain in die Schweiz

Taucher bergen die abgeworfenen Kisten

Ein Transport erfolgte zum Beispiel per Motorboot von La Guajira (Kolumbien) in die Dominikanische Republik, weitere Routen führten nach Jamaika, Mexiko, Costa Rica und Spanien. Bei einem Transport legte ein Frachter in Kolumbien ab, mit 700 bis 1000 Kilogramm Kokain in Kisten an Bord, die vor der afrikanischen Küste in den Ozean geworfen wurden. Segel- und Motorboote fuhren hinaus, um die Kisten mit Tauchern zu bergen und auf die Kanaren zu bringen. Mittendrin: Alvaro H.

Unter Kontrolle waren laut den Chats die Häfen in Antwerpen, Valencia, Iskenderun, Le Havre und Rotterdam, wo das Koks in Containern namhafter Logistik-Unternehmen versteckt eintraf. Auch London, Amsterdam und Lissabon zählten zu den Umschlagplätzen.

Trotzdem war Alvaro H. nie flüssig

Auch über Flugzeug-Transporte von Bogotá nach Europa mit der Lufthansa kommunizierten die Drogenhändler. Mehrmals beteiligte sich der Beschuldigte an Flugsendungen nach Frankfurt, wobei das Koks in Früchten versteckt war. Von den Grossmengen mit mehreren 100 Kilo Kokain waren jeweils 20 bis 50 Kilogramm für Alvaro H. bestimmt.

Trotz der grossen Nummern, die Alvaro H. abzog, hatte er ständig Geldprobleme. Denn: Oft wurde das Kokain auf Kommission zur Verfügung gestellt. Und weil er zudem viel Geld an Verwandte in Spanien schickte und sich gleichzeitig in Mallorca eine Villa kaufte, lebte er in der Schweiz auf kleinem Fuss – teilweise mit nur 500 Franken pro Monat. Er kassierte Betreibungen, war zeitweise beim Sozialamt gemeldet und blieb dem Vermieter oft die Miete schuldig. Wohl deshalb betrieb Alvaro H. mit Komplizen in zwei Basler Wohnungen eine «Ranch», wo er Einzelportionen von wenigen Gramm für Endkonsumenten abpackte.

115 Kilogramm Koks in Basel vertickt

Die Ermittler konnten ihm nachweisen, dass er seit 2014 insgesamt 115,7 Kilogramm Kokaingemisch an Kleinabnehmer und Zwischenhändler in Basel und Umgebung verkaufte und damit einen Umsatz von 8,1 Millionen Franken machte. Ganz viel von diesem Geld floss allerdings wieder nach Kolumbien für neue Einkäufe oder nach Spanien zu Verwandten.

Die Kleinstmengen vertickten Alvaro H. und seine Komplizen in der «Ranch» oder am Claraplatz. Wenn der Angeklagte an Zwischenhändler lieferte, sprachen sie von Lebensmitteln. «Fünf grüne Zitronen kosten in der kleinen Limette 250 Franken», tauschten sie sich aus. Oder: «Wenn du Kaffee hast, dann bitte starken, denn der, den ich habe, hat eine tiefere Essenz, und sie wollen ihn nicht.»

Manchmal wendeten sich untergeordnete Bandenmitglieder auch an Alvaro H., wenn sie Probleme hatten. «Papi, schau, ich brauche einen Gefallen. Denn die Deutschen haben sich gemeldet.» Und Alvaro H. antwortete: «Ich schicke den Neffen.» In einem Fall wollte Alvaro H. gar einen Mitspieler, der Probleme machte, «zum Frisör schicken» – ihn umlegen lassen.

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«Clan del Golfo» kontrolliert die Anbaugebiete

Schliesslich wurde Alvaro H. am 7. April 2021 in Basel verhaftet. Die Ermittler fanden zwar nur wenige Dutzend Gramm Kokain in den beiden Wohnungen an der Sandgrubenstrasse – aber dafür mehrere Handys, dank denen sie alle Kleingeschäfte sowie die internationalen Verbindungen aufdecken konnten. So kam ans Licht, dass der Basler beim «Clan del Golfo» mitmischte.

Das kolumbianische Drogensyndikat, das auch «Los Urabeños» genannt wird, kontrolliert in Kolumbien einen Grossteil der unwegsamen Anbaugebiete und ist für die Hälfte des Kokain-Exports des Landes verantwortlich. Der «Clan del Golfo» arbeitet mit dem mexikanischen Sinaloa-Kartell zusammen.

Der Boss des «Clan del Golfo» ist Drogenbaron Dario Antonio Úsuga (51), genannt Otoniel. Er wurde 2021 in Kolumbien festgenommen und an die USA ausgeliefert. Bis zu seiner Festnahme galt er als der meistgesuchte Verbrecher Kolumbiens. Er ist nicht nur für Drogengeschäfte angeklagt, sondern auch des Mordes an Polizisten, der Rekrutierung Minderjähriger und des sexuellen Missbrauchs von Kindern.

* Name geändert

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